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Streit um Schulbildung: Der Staat ist nicht für jeden Pipikram zuständig

Die Schule ist mit ihrer Hauptaufgabe gut ausgelastet. Sie kann nicht zur Universal-Reparaturwerkstatt für Versäumnisse des Elternhauses und gesellschaftliche Fehlentwicklungen werden.

Eine Schülerin hat mit einem Tweet eine bildungspolitische Debatte ausgelöst. Naina aus Köln, 17, schreibt auf Twitter: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen.“ Mehr als 20000 Menschen mochten das, sogar die Bildungsministerin Johanna Wanka antwortete. Ob Naina in der Schule wirklich so eine polyglotte Granate ist, wie sie behauptet? Ich gestehe, dass mich Nainas Wort „Gedichtsanalyse“ ein bisschen misstrauisch gemacht hat – nennt man so was nicht eher „Interpretation“?

Es gab, neben Zustimmung, auch viel Kritik. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Simone Raatz schrieb: „Vier Sprachen, Hut ab – mit diesem Intellekt ist man doch sicher in der Lage, sich die nötigen Informationen selbst zu beschaffen.“ Ich mochte diese Antwort. Noch lieber mochte ich allerdings die Twitter-Antwort von „Hermione Rescue“: „Schade, dass an Gymnasien nicht gelehrt wird, dass man auf Rolltreppen rechts steht und an Bahnsteigen erst aussteigen lässt.“

Ja, ein paar Sachen müssen wohl auch die Eltern den Kindern beibringen. Die Schule hat vor allem zwei Aufgaben – erstens lehrt sie das Lernen und vermittelt eine Arbeitshaltung. Den konkreten Schulstoff hat man, sofern man ihn nicht ständig anwenden muss, nach ein paar Jahren meistens vergessen, vor allem in Mathe. Aber wie man sich in ein fremdes Fachgebiet einarbeitet, das behält man, im Idealfall. Zweitens muss die Schule natürlich Allgemeinwissen vermitteln, das, was man braucht, um Gegenwart und Vergangenheit zu verstehen.

Jeder ist für sich selbst verantwortlich

Daneben ist an der Schule immer nützlicher Alltagskram unterrichtet worden, halbvergessene Fächer wie „Hauswirtschaftslehre“ und „Handarbeit“ erzählen davon. Insofern, Naina, haben Sie nicht ganz Unrecht. Wir dürfen die Schule mit diesem Zeug aber nicht überfordern. Es ist nicht der Job der Lehrer, Sie fit zu machen für den Alltag. Die Lehrer machen Sie vor allem fit für einen Beruf. Die Schule ist mit ihrer Hauptaufgabe, Bildung, gut ausgelastet. Wir können sie nicht zur Universal-Reparaturwerkstatt für Versäumnisse des Elternhauses und gesellschaftliche Fehlentwicklungen ausbauen.

Und der Staat ist nicht für jeden Pipikram zuständig, zum Beispiel dafür, jungen Bürgern zu erklären, wie man eine Wohnung mietet. Wir sind für unser Leben selbst verantwortlich, zumindest ein bisschen, meinen Sie nicht, Naina? Wenn Sie, als intelligenter Mensch, mit dem Alltag überfordert sind, dann müssen Sie an sich arbeiten. Vielleicht scheitern Sie, bei diesem und jenem. Dann sind Sie – eine politisch unkorrekte Formulierung, ich weiß – selber schuld. Dies wäre übrigens mein Vorschlag für das nächste „Unwort des Jahres“: Eigenverantwortung.

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