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Die Parteien machen die Militärausgaben zum Wahlkampfthema.
© Holger Hollemann / dpa

Bundestagswahl 2017: Der scheinbare Streit um Militärausgaben

Das so genannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato ist nur auf den ersten Blick ein dankbares Thema für die SPD-Wahlkämpfer. Der Partei fällt es schwer, sich von der CDU abzusetzen.

Dieser Versuchung konnten sie bei der SPD wohl einfach nicht widerstehen: Ein unbeliebter US-Präsident, der von seinen Verbündeten in der Nato Milliarden-Beträge für die Rüstung einfordert, und eine CDU-Kanzlerin, die – nach SPD-Lesart – kuscht und eine Verdopplung des deutschen Verteidigungsbudgets zusagt. Für den Wahlkampf der Sozialdemokraten bieten sich da gleich mehrere Angriffspunkte.

Allein die Gelegenheit aufzuzeigen, wie man das Geld sinnvoller ausgeben könnte als für Panzer, Drohnen oder U-Boote. Stichwort: soziale Gerechtigkeit. Und dann die Parallelen zum Wahlkampf von Altkanzler Gerhard Schröder, der 2002 mit USA-kritischen Tönen und der Ablehnung eines Irak-Krieges verloren gegangene Sympathien in der Bevölkerung zurückgewann.

Entsprechend heißt es nun vom aktuellen SPD-Kanzlerkandidaten, er sei „nicht bereit zu sagen: Ich unterwerfe mich einer von den USA verlangten Aufrüstungslogik“. Er könne auch nicht verstehen, wie man, sprich Merkel, so eine Verpflichtung eingehen könne, sagt Martin Schulz. Sigmar Gabriel spricht von einer Unterwerfung unter den US-Präsidenten, wie er sie noch vor kurzem nicht für möglich gehalten habe. Er wirft der Union vor, die Sozialausgaben kürzen zu wollen, um Trumps Forderung, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Rüstung zu investieren, realisieren zu können.

Budgetziel geht auf Beschluss der Nato zurück

Die Debatte um das so genannte Zwei-Prozent-Ziel ist aber nur auf den ersten Blick ein dankbares Thema für die SPD-Wahlkämpfer. Es belegt geradezu exemplarisch, wie schwer es der SPD fällt, sich von ihrem bisherigen Koalitionspartner abzusetzen. Das Budgetziel geht auf einen Beschluss der Nato beim Gipfel 2014 in Wales zurück, den die SPD – wie viele andere Entscheidungen, die sie jetzt infrage stellt – mitgetragen hat. Der damalige SPD-Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, gehörte in Cardiff nicht nur zur deutschen Delegation, er lobte am Ende auch gemeinsam mit der Bundekanzlerin und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Ergebnisse des Gipfels.

Experten halten den SPD-Kurs inhaltlich für riskant. „Das Zwei-Prozent-Ziel ist nicht der Irakkrieg“, warnt Johannes Varwick, Politikwissenschaftler an der Universität Halle-Wittenberg. Die Vereinbarung stehe für den Willen zu Solidarität innerhalb der Nato und biete Orientierung für eine gerechte Lastenverteilung, erläutert er. Mit der einseitigen Aufkündigung würde sich Deutschland demnach nicht nur isolieren, sondern sich auch entsolidarisieren und die Nato schwächen. Letztlich würde sie damit Nato-Kritiker Trump sogar in die Hände spielen.

Kanzlerin zur Wahrheit zwingen

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold bleibt dabei: „Es ist ein legitimes Anliegen von Martin Schulz, die Kanzlerin zur Wahrheit zu zwingen.“ Sie solle erklären, ob und wie sie den Verteidigungsetat auf zwei Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts erhöhen wolle. „Sie soll sich ehrlich machen und sagen, dass dies nur zu Lasten anderer Etats möglich ist.“ Derzeit investiert Deutschland rund 1,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Armee. Um auf zwei Prozent zu kommen, müsste der Etat auf über 70 Milliarden Euro mehr als verdoppelt werden.

Jedoch heißt es im Abschlussdokument des Nato-Gipfels in Wales lediglich, die Bündnispartner seien übereingekommen, „die realen Verteidigungsausgaben zu erhöhen und sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen.“ Mehr als eine Annäherung hat auch Merkel trotz des Drucks aus Washington nie zugesagt. Arnold nimmt nun die Verteidigungsministerin ins Visier. „Sie lässt sich mehr auf die Debatte ein als Merkel“, sagt er. Ursula von der Leyen, die seit kritischen Äußerungen zur Haltung der Truppe als angeschlagen gilt, halte am Zwei-Prozent-Ziel fest, um Vertrauen in der Truppe zurückzugewinnen, glaubt der SPD-Verteidigungspolitiker.

Dass der Verteidigungsetat erhöht werden muss, deutlich sogar, erkennt auch die SPD an. Eine Aufstockung müsse sich aber an den erforderlichen Fähigkeiten der Bundeswehr orientieren und nicht am Bruttosozialprodukt, heißt es bei den Sozialdemokraten. Dem stimmt Nato-Experte Varwick zu. Er plädiert dafür, dies zum Thema in der Nato zu machen.

SPD und CDU nicht weit voneinander entfernt

Arnold, der im August gemeinsam mit Fraktionschef Thomas Oppermann „Leitgedanken zu einer sozialdemokratischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ formuliert hat, spricht von zwei Milliarden Mehrausgaben jährlich in einem Zeitraum von fünf Jahren – plus einem Puffer für Jahre, in denen Ausgaben für geplante Großprojekte anstehen. Dafür kalkuliert er noch einmal fünf bis sechseinhalb Milliarden Euro. Arnold nennt das „einen vernünftigen Mittelweg“.

Mehr will aber auch die Union letztlich gar nicht ausgeben – zehn Milliarden innerhalb von vier Jahren ohne Puffer. „Die mittelfristige Finanzplanung bildet das Zwei-Prozent-Ziel gar nicht ab“, stellt Arnold denn auch fest und bestätigt damit, dass Union und SPD am Ende gar nicht weit voneinander entfernt sind.

Dass die Bundeswehr als Einsatzarmee besser ausgestattet werden muss und sich Europa mit Blick auf ihre militärischen Fähigkeiten von den USA unabhängiger machen muss, ist ebenso unstrittig wie das Bekenntnis zur Nato. Und sogar zu den USA: „Die USA sind und bleiben der engste Partner Deutschlands außerhalb Europas – dies gilt unabhängig davon, wer in den USA regiert“, heißt es in den Leitgedanken der SPD. Die CDU hätte das nicht besser formulieren können.

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