Paul Kirchhof: Der Professor aus Heidelberg
Mitten in die Steuersenkungsdebatte der Koalition hinein präsentiert der Finanzexperte Paul Kirchhof ein Konzept zur Steuervereinfachung. Was schlägt er im Detail vor?
Gerechtigkeit hat zunächst einmal ihren Preis. Auch die Gerechtigkeit des Paul Kirchhof. Es gibt sie seit ein paar Tagen in Buchform im Handel zu kaufen, seine Gerechtigkeit. 139,95 Euro. Für manch einen ein Batzen Geld, vor allem, wenn man die Ausgabe hinterher noch nicht mal von der Steuer absetzen kann. Denn Fachbuch kaufen, Beleg sammeln und am Jahresende im Finanzamt einreichen, auf dass die eigene Steuerlast sinkt: Genau das soll es ja nicht mehr geben, wenn das, was Paul Kirchhof in seinem „Bundessteuergesetzbuch“ schreibt, in die Realität umgesetzt werden wird. Doch weil das nach Lage der aktuellen politischen Dinge so schnell nicht passieren wird, kann Kirchhof bis auf Weiteres darauf hoffen, recht viele seiner Bücher an den Mann zu bringen. Schließlich kann man die 139,95 Euro ja heute noch von der Steuer absetzen.
Der heute 68-jährige elegante Herr aus Heidelberg mit der ruhigen, sonoren Stimme und der gewählten Ausdrucksweise war den meisten Deutschen lange Zeit überhaupt kein Begriff. Der Wissenschaftler und Gelehrte Kirchhof galt zwar unter Juristen als Kapazität, viele Jahre prägte er das Land sogar als Verfassungsrichter in Karlsruhe mit.
Doch wirklich ins Rampenlicht trat Paul Kirchhof zum ersten Mal im Sommer 2005. Neben Ursula von der Leyen war er damals die zweite Überraschung im sogenannten „Kompetenzteam“ der CDU-Wahlkämpferin Angela Merkel. Als Schatten-Finanzminister hatte ihn Merkel zunächst stolz präsentiert – und sich nur wenige Wochen später am liebsten überhaupt nicht mehr in seiner Nähe blicken lassen. Der Wissenschaftler Kirchhof nämlich war inzwischen zur ernsthaften Gefahr für die Politikerin Merkel geworden.
Man erinnert sich, wie Merkels Finanzexperte im Wahlkampf vom SPD-Kanzler Gerhard Schröder als „Professor aus Heidelberg“ zum ulkigen Bücherkauz ohne soziale Verantwortung gestempelt und verächtlich gemacht wurde. Kirchhof nämlich, ohne jede Erfahrung mit Medien und Wahlkämpfern, war durchs Land gereist und hatte freimütig von seinem einfachen und gerechten Steuerkonzept mit nur einem Steuersatz von 25 Prozent erzählt. Doch die Sache mit dem Einheitssteuersatz hatte zwei negative Seiten: Sie war einfachen Gemütern nicht leicht zu erklären und politisch wie fiskalisch so riskant, dass nicht einmal die Experten der CDU Kirchhofs Ideen umsetzen wollten. Schröder nutzte beides und warf Kirchhof vor, er wolle, dass die Krankenschwester in Zukunft genauso viele Steuern zahle wie der Chefarzt. Das verstand jeder, Kirchhof war blamiert und zog sich in die Wissenschaft zurück.
Von dort taucht er jetzt zum zweiten Mal auf. Als wahrer Wissenschaftler steht er zu seinen Visionen – und zeigt, dass er eben doch ein richtiger Professor aus Heidelberg ist.
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