Donald Trump und die Nato: Der Preis des Bündnisses
Würden die USA unter Präsident Donald Trump im Ernstfall die Nato-Partner in Osteuropa verteidigen? Daran gibt es nach seinen Aussagen im Wahlkampf Zweifel.
Am Tag nach der US-Wahl sieht sich nicht nur die Kanzlerin genötigt, scheinbar Selbstverständliches hervorzuheben. Angela Merkel erinnert den künftigen US-Präsidenten Donald Trump an die von Deutschland und den USA geteilten Werte, und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betont, die Beistandsverpflichtung der Nato gelte auch weiterhin ohne Bedingungen. Zugleich weist er darauf hin, dass das Bündnis den entsprechenden Artikel 5 des Nato-Vertrags erst einmal angewandt habe: zur Unterstützung der USA nach dem 11. September 2001.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der westlichen Militärallianz, dass dessen Chef ausgerechnet das größte und wichtigste Mitglied an seine Verpflichtungen erinnert. Im Wahlkampf hatten Äußerungen Trumps besonders in den baltischen Staaten Zweifel daran geweckt, ob er als Präsident die Sicherheitsgarantien innerhalb der Nato überhaupt ernst nehmen würde. Als er gefragt wurde, ob er die baltischen Staaten im Fall eines russischen Angriffs verteidigen würde, legte Trump sich nicht fest, sondern machte ein US-Engagement davon abhängig, ob die Nato-Partner ihren Verpflichtungen bei den Verteidigungsausgaben nachkämen.
Vor dem Hintergrund der russischen Intervention in der Ukraine löste diese Äußerung in Polen und den baltischen Staaten Besorgnis aus. Die Nato hatte im Juli in Warschau beschlossen, in einem rotierenden System jeweils etwa 1000 Soldaten nach Polen, Litauen, Lettland und Estland zu verlegen. Die USA sollen das Bataillon in Polen anführen, Deutschland übernimmt die Führungsrolle in Litauen. Damit will die Nato vor allem ein Zeichen setzen, dass ein Angriff auf eines dieser Länder als Attacke auf das gesamte Bündnis betrachtet würde.
Trump: "Nato kostet uns ein Vermögen"
Trump kritisierte vor der Wahl, die USA zahlten einen „unverhältnismäßigen Anteil“ des Nato-Budgets. „Die Nato kostet uns ein Vermögen.“ Tatsächlich tragen die USA rund 22 Prozent der gemeinsam von den Mitgliedern finanzierten Kosten, an zweiter Stelle folgt Deutschland mit 14,7 Prozent. Außerdem sollen die Nato-Staaten eigentlich zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben.
Doch neben den USA haben nur vier weitere Mitglieder dieses Ziel erreicht, darunter Polen und Estland. Dies ist von amerikanischer Seite immer wieder bemängelt worden. Ein US-Präsident Trump wird voraussichtlich innerhalb des Bündnisses darauf dringen, dass die Partner ihre Ausgaben erhöhen – und könnte sogar damit drohen, andernfalls die US-Truppen aus Europa abzuziehen.
Gingrich nannte Estland "Vorort von St. Petersburg"
Aber es geht nicht nur um Geld, sondern um die künftige Ausrichtung der US-Außenpolitik. So ließ im Wahlkampf eine Bemerkung des Trump-Unterstützers Newt Gingrich aufhorchen: In der Debatte um Unterstützung für die baltischen Staaten im Fall einer russischen Intervention sagte Gingrich, Estland sei ohnehin ein „Vorort von St. Petersburg“. Gingrich wird als möglicher nächster US-Außenminister gehandelt. Trump hat sich geradezu bewundernd über Russlands Präsident Wladimir Putin geäußert und die wegen Moskaus Intervention in der Ukraine verhängten Sanktionen infrage gestellt. Gingrichs Bemerkung über Estland zeigt, dass man in Trumps Umfeld offenbar nichts gegen russische Versuche einzuwenden hat, im Osten Europas eine Einflusszone zu beanspruchen.
Für die Nato-Partner in Europa könnte die Lehre aus dem US-Wahlergebnis lauten, dass sie nun selbst mehr Verantwortung übernehmen müssen. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte am Mittwoch zwar, es gebe in Deutschland die Erwartung, dass die Amerikaner weiter zu der gemeinsamen Wertebasis stünden. Zugleich betonte sie allerdings: „Unabhängig davon, wer die Präsidentenwahl gewinnt, war schon vorher klar, dass die Amerikaner erwarten, dass Europa mehr Lasten schultert.“ Damit seien nicht nur militärische Aufgaben gemeint, sondern auch die Übernahme von Verantwortung bei der Lösung von Problemen, die vorrangig Europa angingen. Die Ministerin erwähnte den Krieg in der Ukraine zwar nicht direkt. Doch ob Trump gemeinsam mit der EU einen entschlossenen Kurs gegenüber Russland verfolgen wird, kann bezweifelt werden.