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Frank-Walter Steimeier ist der zwölfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.
© Polaris/laif

Frank-Walter Steinmeier: Der Präsident

Halt und Orientierung geben in stürmischen Zeiten, daheim und international – das ist Frank-Walter Steinmeier von heute an aufgetragen. Annäherung an einen christlichen Politiker.

Er ist der Neue: Frank-Walter Steinmeier, der zwölfte Bundespräsident. Und wir alle glauben ihn schon zu kennen.

Er ist der Erdfeste. Der Besonnene. Der breit lachen kann. Das lebende Maß. Ein Mann mit Mitte. Einer, der zu seinem Wort steht und nicht aus der Rolle fällt. Auf den Verlass ist. So kennen wir ihn.

Aber woher holt er das? Was bringt er mit in dieses Schloss, in dem er nun residiert? Je näher man Steinmeier kommt, desto deutlicher wird: Er ist mehr, als das allgemeine Bild glauben macht. Und er unterscheidet sich sehr viel stärker von seinen Vorgängern, als man glauben könnte.

Nie vorher war einer an der Staatsspitze so sehr Internationalist – in dieser Zeit, die so international ist. Und wenige vor ihm waren so sehr Christ – in einer Zeit, die bis in so viele Winkel der Politik und der Welt vom Religiösen bestimmt wird, von Glaube und Unglaube, gemäßigt oder radikal.

Frank-Walter Steinmeier: Er kommt aus einem kleinen Dorf im Lippischen – und hat sich aufgemacht in die Welt. Er ist in ihr angekommen. Kein Minister vor ihm hat so viel von ihr gesehen, nicht einmal der legendäre Hans-Dietrich Genscher.

Seit Jahrhunderten ist seine Heimat evangelisch-reformiert, und diese Kirche ist streng. Aber er lebt die Ökumene, das Aufbauen eines gemeinsamen Hauses als Prozess. „So verstehe ich die Ökumene: als Denkprinzip, das Verständigung und Dialog in den Vordergrund rückt, um Gemeinschaft, um ,ein Haus‘ zu gestalten. Und wenn wir Ökumene so betrachten, dann hat sie auch eine politische Dimension“, sagt Steinmeier. Ökumene in jeder Hinsicht, privat, politisch, ganz verbunden mit dem Wort.

Er ist groß geworden mit wortstarker, zuweilen donnernder Predigt, lang und ausführlich. Er kennt ihre Gewalt. Vielleicht auch darum hütet er heute im Gespräch seine Worte, wägt sie, setzt sie sorgsam ein, bis hinein in den geschützten Raum. Wer zur Kanzel aufblicken will, wird ihn dort nicht finden.

Steinmeier ist nahbar und in dieser Welt zu Hause. Ein Gegenwärtiger. Ein Reformierter, der an Reformen für die Zukunft glaubt. Einer, der große Worte kennt, Luther-Worte, über die andere in diesem Jahr, dem 500. der Reformation, reden werden, aber auch seinen Calvin aus der Generation nach Luther. Wer so denkt und glaubt, muss die Nachfolgenden im Blick haben. Und der schreibt dann auch mit am „Kanzleramtspapier“ als Grundlage der Agenda 2010.

Steinmeiers Wertegeländer besteht aus Freiheit, Gnade und christlicher Verantwortung

Was ihn ausmacht, Bundeskanzler Gerhard Schröders einstigen „Mach-mal“, ist, dass er dem Menschen zugewandt bleiben will. Und gerade er, dieser Mensch aus dem stolzen, eigenwilligen, eigenständigen Lipperland, in die Welt aufgebrochen, weiß: Besitz muss immer auch darauf angelegt sein, geteilt zu werden. Was bedeutet, dass es dem Politiker als praktische Aufgabe aufgetragen ist, diejenigen im Blick zu behalten, denen es weniger gut geht.

Im Einklang damit lebt Steinmeier. Kein Prunk, kein Protz, sondern Verantwortung, Disziplin und Zurückhaltung. Er geht nicht zum Lachen in den Keller, das nicht. Aber er lebt entlang seines Wertegeländers, bestehend aus Freiheit, Gnade und christlicher Verantwortung. Sein Vikar von früher, heute Professor, kann das gut erklären. Danach ist es ein eigener Reichtum, dem Wort noch etwas zuzutrauen „und auch davon auszugehen, dass durch Worte das Leben eine Änderung, eine Aufhellung, einen Trost erfährt“. So sagt es der Professor. Das gilt für Steinmeier, den Christen.

Für Steinmeier als Politiker bedeutet es diesen Anspruch: „Realpolitik ist oft missverstanden worden als das Bewahren von dem, was ist. Kluge Realpolitik erkennt zwar Realität an, aber nimmt sie nicht hin. Kluge Realpolitik verliert das Fernziel nicht aus den Augen, verdammt sich aber dennoch nicht zur Untätigkeit. Niemand hat diese Haltung prägnanter formuliert als der Gewerkschafter Karl Richter, der den von Willy Brandt so oft zitierten Leitsatz geprägt hat: ,Du musst die Welt nehmen wie sie ist, aber du darfst sie nicht so lassen.‘“

Ein Prediger ist Steinmeier nicht. Kein Frontalredner. Er kommt als ein Hüter des Dialogs, das ist die Aussicht fürs Schloss Bellevue. Und der redet so: „Wir brauchen den Dialog. Nicht um Störendes zu übertünchen oder Widersprüche unter den Teppich zu kehren. Sondern: Nur wenn wir die Gräben, die uns trennen, klar und ehrlich benennen, haben wir die Möglichkeit, sie zu überwinden. Wir brauchen also den doppelten Dialog: den Dialog über Trennendes und hoffentlich auch über Gemeinsames.“

Denn auch daran glaubt er: an Pluralität. An die Vielfalt der Lebensentwürfe, die gut bestehen können, wenn Toleranz das Edikt ist. Am Anfang gab es ja auch nicht die eine reformierte Kirche, sie wurde erst zusammengeredet, bevor sie sich in der ganzen Welt verbreitete.

Steinmeier kennt diese Welt. Er kann reden mit den anderen in der Politik, kann streiten, auch über den Glauben – aber er wird immer das Verbindende suchen.

Frank-Walter Steinmeier, Christ und Politiker, der zwölfte Bundespräsident. In ihm zieht ein Erdfester ins Schloss Bellevue, gedankenschwer, seinen Werten verpflichtet, das Wort achtend.

Gut in diesen stürmischen Zeiten.

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