Iran-Experte Adnan Tabatabai: "Der Populismus greift in Iran nicht"
In Iran wurde Hassan Ruhani als Präsident wiedergewählt. Im Interview erklärt Iran-Experte Adnan Tabatabai, welche Folgen das für die internationalen Beziehungen und das Land selbst haben wird.
Hassan Ruhani hat die Wahl mit deutlichem Vorsprung gewonnen. Wie bewerten Sie das Ergebnis?
Es zeigt vor allem, dass Populismus im Iran derzeit nicht greift. Seine Gegner haben Ruhani vorgeworfen, er habe wirtschaftlich nicht geliefert. Dass er den schwachen Teil der Gesellschaft nicht abholt. Davon haben sich aber die Bürger, die wirkliche wirtschaftliche Beschwerden haben, nicht überzeugen lassen.
Wieso konnte sich Raisi nicht durchsetzen? Verfingen seine Themen nicht, hatte er die falsche Strategie?
Raisi hat seine Vergangenheit ausschließlich in der Justiz. Man hat ihm nicht zugetraut, dass er ein guter Regierungsmann sein kann. Die Menschen sahen ihn nicht in der Rolle eines Staatspräsidenten. Zudem sind die Akteure, die ihn im Wahlkampf unterstützt haben, unpopulär. Dazu gehört auch der Bürgermeister von Teheran. Er konnte ja immerhin 15 Millionen Stimmen hinter sich versammeln, aber es ist nun mal eine Minderheit im Land. Er hat sich im Wahlkampf auch nicht sonderlich strategisch klug verhalten.
Sie sind selbst in Teheran, wie war dort gestern die Stimmung?
Es gibt hier keine Wahlpartys oder dergleichen. Aber fast alle, die ich kenne, haben sich nachts zusammengesetzt bei Tee und Snacks und haben auf die vorläufigen Ergebnisse gewartet. Am Wahltag haben die Wahllokale um acht Uhr morgens aufgemacht . Und eigentlich sollten sie um 18 Uhr schließen, am Ende waren sie bis 24 Uhr geöffnet, dann mussten sie schließen. Ich selbst war um viertel vor 12 unterwegs, da standen immer noch Menschen in der Schlange. Ich kann mir vorstellen, dass manche ihre Stimme gar nicht mehr abgeben konnten. Die Stimmung war sensationell, weil alle gemerkt haben: Wir müssen was tun. Das hat sich auch bei den Iranern in der Diaspora gezeigt. Die Bilder aus den Konsulaten und Botschaften dieser Welt waren einzigartig. Hier in Teheran haben 2013 2,3 Millionen Menschen an der Wahl teilgenommen, dieses Mal waren es 5,7. Man hat gemerkt, es geht um eine wegweisende Entscheidung.
Was kann der Westen vom neuen alten Präsidenten erwarten?
Ruhani kann jetzt sagen: Seht her, ich habe zwei Drittel der Bevölkerung hinter mir, und die haben meine Außenpolitik gestützt. Er wird mit seinem Versuch, die Verbindungen zu den USA zu normalisieren, vorsichtig sein, aber das liegt vor allem an Trump. Vor allen Dingen die Beziehung zu Europa wird er intensivieren, die auch in konservativen Kreisen Irans geschätzt werden. Da kann er jetzt wesentlich stärker auftreten. Umgekehrt sollten die Europäer übrigens unbedingt gegenüber den Iranern würdigen, dass die Wahl am Ende sehr sauber verlaufen ist. Bei allen Einschränkungen im Vorfeld. Insbesondere, wenn man das mit den Nachbarstaaten vergleicht.
Trotzdem kann von demokratischen Wahlen nach westlichen Maßstäben keine Rede sein. Der Wächterrat hat nur sechs aus 1600 Kandidaten zur Wahl zugelassen. Wie repräsentativ für die Stimmung in der Bevölkerung ist dieses Wahlergebnis dann eigentlich?
Die Wahlmöglichkeiten, die die Bevölkerung hat, sind stark limitiert. Und das schränkt die Wahlfreiheit ein. Gleichzeitig bleiben aber ganz offensichtlich Wahlmöglichkeiten übrig, die von 56 Millionen Wahlberechtigten mehr als 40 Millionen Bürger zur Wahl ziehen. Die Wahlmöglichkeiten werden sicher beeinflusst, die tatsächliche Wahl am Ende war aber eine aufrichtige.
Welchen Einfluss hatte Ayatollah Ali Chamenei bei der Wahl?
Es war von Anfang an ein Gerücht, dass Chamenei Raisi unterstützen würde. Das hat er in keiner einzigen Aussage angedeutet. Er hat nie offen die Regierung unterstützt. Für ihn war das Wichtigste, dass viele Menschen sich an der Wahl beteiligen. Das hat er geschafft.
Welche Rolle hat der Atomdeal für die Wahl gespielt?
Aus Sicht der Regierung war das der Schlüssel für den Normalisierungsprozess unserer Beziehungen mit westlichen Staaten und der Schlüssel für erste Auslandsinvestitionen. Die Gegner haben kritisiert, man habe das zu leicht hergegeben. Aber keiner der Kandidaten hatte angekündigt, das Abkommen aufkündigen zu wollen, dafür ist es auch viel zu populär in der Bevölkerung. Andere Themen, seien es die USA, seien es die regionalen Konflikte in Syrien, im Irak, in Jemen, waren kaum bis gar nicht Teil der Debatte.
Man kann also erwarten, dass sich Ruhani in seinem Kurs der moderaten Öffnung Richtung Westen bestätigt fühlen wird?
Absolut, ja. Allerdings muss man deutlich sagen: Der Westen minus die USA. Das ist weiterhin ein schwieriges Verhältnis. Aber von beiden Seiten.