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Politik: Der Otto-Katalog

Nach dem 11. September setzte Innenminister Schily schärfere Sicherheitsgesetze durch – trotz grüner Widerstände

Die drängendste Frage, die sich nach dem 11. September stellte, war die nach der Sicherheit der Bürger. Als Antwort auf den Terror bekam Deutschland den doppelten „Otto-Katalog“, das erste und zweite Sicherheitspaket. Inhaltlich ging es um eine härtere Gangart gegen Geldwäsche und Terror-Finanzierung, neue Sicherheitsmerkmale in Ausweispapieren, erweiterte Befugnisse der Ermittlungsbehörden und Geheimdienste, bewaffnete Flugbegleiter des Bundesgrenzschutzes („Sky Marshals“) und um eine weitere Fassung des Begriffs „terroristische Vereinigung“. Innenpolitisch, zumal angesichts des beginnenden Wahlkampfs, stand die Frage im Zentrum, ob SPD-Innenminister Otto Schily das Thema innere Sicherheit würde besetzen können – oder ob die Union, klassischer Anwalt des starken Staates, gegen zu viel Toleranz von Rot-Grün würde punkten können. Nach einem Jahr steht Schily gut da. Die Bevölkerung billigt ihm mehrheitlich zu, getan zu haben, was nötig und rechtsstaatlich verantwortlich ist. Auch wenn aus 23 600 Hinweisen nach den Anschlägen lediglich zwei Anklagen wurden.

Den Grünen waren einige Maßnahmen Schilys nicht genehm. Zum Beispiel die Rasterfahndung: Terroristen fand sie nicht, dafür andere Kriminelle, doch weckte sie ungute Erinnerungen an den „deutschen Herbst“ und den RAF-Terror der 70er Jahre. Beispiel verdachtsunabhängige Ermittlungen: Grüne und Teile der SPD siegten gegen Schily, die Pläne wurden kassiert. Beispiel Biometrie: Drohte der gläserne Bürger, wenn unveränderliche Merkmale wie Kopfform oder Augen-Iris in die Personalpapiere aufgenommen werden? Schily setzte sich durch, das Gesetz legte die Grundlage für solche Datenerfassungen.

Im Vereinsrecht wurde das Religionsprivileg gestrichen. Unter dem Deckmantel der freien Ausübung des Glaubens sollte sich nicht länger verstecken können, wem es in Wahrheit um verfassungsfeindliche Ziele ging. Das Gesetz wurde bereits angewendet. Doch es galt kleinen Gruppen, deren wirkliche Gefährlichkeit umstritten bleibt. So wurde etwa der Verein des selbst ernannten „Kalifen von Köln“ des islamistischen Fundamentalisten Metin Kaplan verboten. Der neue Terroristen-Paragraf 129b ermöglicht es den Behörden, Anhänger von Terrorgruppen im Ausland zu verfolgen, auch wenn diese Gruppen in Deutschland nicht aktiv sind. Die Kompetenzen des Bundeskriminalamts wurden erweitert. Es ist für die Verfolgung von Anhängern ausländischer Terrororganisationen zuständig und kann auch bei schweren Formen von Datennetzkriminalität ermitteln.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann nun auch solche Aktivitäten beobachten, die sich gegen Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben richten. Um Geldströme von Terrorgruppen zu erforschen, darf der Verfassungsschutz bei Banken, Postdienstleistern und Luftverkehrsunternehmen Informationen abfragen. Robert von Rimscha

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