Polen: Der neue Verteidigungsminister und die jüdische Weltverschwörung
Der designierte polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz ist ein überaus umstrittener Politiker. Ein Porträt.
Alle Dementis aus dem Wahlkampf sind vergessen: Verteidigungsminister wird ausgerechnet Antoni Macierewicz. Parteichef Jaroslaw Kaczynski setzt damit auf seinen engsten Vertrauten und den wohl umstrittensten Politiker Polens.
Dabei hat der heute 67-jährige Macierewicz eine glänzende Dissidentenkarriere hinter sich. Kein Mitglied der neuen polnischen Regierung kann sich ähnlicher Verdienste im Kampf gegen den realsozialistischen Totalitarismus rühmen. Bereits im März 1968 nahm Macierewicz an den Studentenprotesten teil; 1976 gehörte er zu den Mitbegründern des „Komitees zur Verteidigung der Arbeiter“ (KOR), der wichtigsten antikommunistischen Bewegung neben der Gewerkschaft Solidarnosc.
Den ersten Skandal provozierte er bereits 1992
Nach der Wende gründete Macierewicz eine Reihe von rechtsnationalen Parteien, darunter die antisemitische Wahlplattform ROP. Den ersten Skandal provozierte er bereits 1992, als er als Innenminister ausgerechnet Staatspräsident Lech Walesa der Stasi-Mitarbeit bezichtigte. Dies brachte die ganze Regierung zum Sturz.
Zurück ins Parlament schaffte es Macierewicz erst zehn Jahre später dank der rechtsradikalen „Polnischen Familienliga“. Aus dieser Zeit stammen seine bekanntesten antisemitischen Ausfälle. In einem Interview mit dem rechtskatholischen „Radio Maryja“ zog der Historiker (Spezialgebiet Lateinamerika) 2002 die gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“ zu Hilfe, um seine Theorie einer jüdischen Weltverschwörung in Medien und Politik zu „beweisen“. Die US-amerikanische Anti-Defamation League, die weltweit gegen Diffamierung von Juden kämpft, nahm die Ankündigung, das Macierewicz Minister wird, nun zum Anlass, bei der polnischen Regierung zu protestieren und das Regierungsmitglied in spe aufzufordern, sich von seinen damaligen Äußerungen zu distanzieren.
Die antisemitischen Sprüche hinderten Jaroslaw Kaczynski 2005 nicht daran, Macierewicz zum stellvertretenden Verteidigungsminister zu berufen und ihm die Durchleuchtung des angeblich von kommunistischen Agenten durchsetzten Militärgeheimdienstes (WSI) anzuvertrauen. Er löste diesen kurzerhand auf und setzte sich an die Spitze des neuen Militärgeheimdienstes.
In Polen ist Macierewicz vor allem als Verfechter der Theorie eines russischen Attentats auf die Präsidentenmaschine im April 2010 bei Smolensk bekannt. Mithilfe zweifelhafter Luftfahrtexperten „bewies“ er zwei Explosionen bereits in der Luft. „Putin ist für diese Tragödie verantwortlich“, erklärte er im Europaparlament. „Das war wohl die erste Salve des sich nähernden Krieges“, sagte Macierewicz, der nun auch für die Ausrichtung des Warschauer Nato-Gipfels 2016 mitverantwortlich ist. In Brüssel gilt er als unberechenbar.