CDU-Chef reist am Montag in die Ukraine: Der Merz-Coup sollte Scholz eine Mahnung sein
Jetzt auch Friedrich Merz: Der CDU-Chef reist nach Kiew - und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die Defizite des Kanzlers. Ein Kommentar.
Es sieht aus, als habe Friedrich Merz wieder einmal einen Coup gelandet. Der CDU-Chef und Oppositionsführer will am Montag offenbar Kiew besuchen und so seine Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine demonstrieren.
Der Streit um diesen Schritt in Deutschland ist absehbar: Es handle sich um eine billige Showveranstaltung ohne Nutzen, denn als Oppositionspolitiker könne er der Ukraine ja überhaupt nichts anbieten, werden seine Kritiker monieren.
Es sei längst überfällig, dass nach dem Besuch der Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse für Verteidigung, Auswärtiges und Europa sich ein wichtiger deutscher Politiker dort zeige, werden seine Unterstützer loben – und Olaf Scholz vorwerfen, dass er bislang nicht dort war.
[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]
Tatsächlich ist die Liste westlicher Politiker und Weltpolitiker lang, die in Kiew schon empfangen worden sind: UN-Generalsekretär Antonio Guterres, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die US-Minister für Verteidigung und Äußeres, Lloyd Austin und Tony Blinken, der britische Premier Boris Johnson und viele mehr.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war dort wegen seiner Russlandpolitik als Außenminister nicht erwünscht. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz ist dort ausdrücklich erwünscht, glänzt aber bislang durch Abwesenheit.
Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:
- Lügen und Mythen über den Ukraine-Krieg: Putins Propaganda wirkt auch in Deutschland
- Verpufft der russische Großangriff im Osten? Der Krieg in der Ukraine könnte an einem Kipp-Punkt stehen
- Typ Gepard für die Ukraine: Es wird noch sehr lange dauern, bis die deutschen Panzer ankommen
Auf diese Lücke wirft nun der Besuch von Merz, den man dem Oppositionspolitiker nicht vorwerfen sollte, ein grelles Licht. Auch wenn er womöglich in der Sache wenig erreichen kann, lenkt er doch die Aufmerksamkeit auf Defizite des Kanzlers, der mit seinem schwer verständlichen Kurs bei der Waffenhilfe für die Ukrainer ohnehin schon an Ansehen verliert.
Der SPD-Regierungschef ist bekannt dafür, dass er symbolischen Auftritten wenig abgewinnen kann und öffentlichem Druck nicht gerne nachgibt. Der macht ihn eher bockig. Aber selbst wenn er noch planen sollte, etwa gemeinsam mit Emmanuel Macron nach Kiew zu fahren, macht die Reise des Oppositionsführers einen späteren Besuch von ihm zur Nachahmer-Handlung: Der andere war längst da.
Mit der Entscheidung zur Lieferung der Gepard-Panzer hat Deutschland den Anschluss an seine Verbündeten wiedergefunden und wohl auch sein ramponiertes Image im Osten der EU und der Nato wieder etwas gestärkt.
Für Scholz ist der Merz-Coup eine Mahnung, sich endlich besser zu erklären und sich nicht mehr zu sperren gegen die Einsicht, dass Symbole gerade in Großkrisen fast so wichtig sein können wie Inhalte und Entscheidungen. Sonst wird Merz nicht der Einzige bleiben, der ihn an dieser offenen Flanke angreift.