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Frankreichs neuer Premierminister Jean Castex.
© REUTERS

Jean Castex wird Premier in Frankreich: Der Mann, der Macron nicht in den Schatten stellen soll

Der 55-jährige Beamte Jean Castex wird neuer Premier in Frankreich. Er hat vor allem eine Mission: die Beliebtheit von Präsident Macron wieder zu steigern.

Nach der Schlappe seiner Regierungspartei bei der Kommunalwahl vom vergangenen Wochenende hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Konsequenzen gezogen und sich von seinem bisherigen Premierminister Edouard Phillipe getrennt. Zum neuen Regierungschef ernannte Macron am Freitag den 55-jährigen Jean Castex. Auf den früheren Berater des ehemaligen konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy kommt vor allem die Aufgabe zu, Frankreich durch die Wirtschaftskrise zu steuern und die Stärkung des Gesundheitswesens voranzutreiben.

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Noch vor drei Monaten war Castex bei der breiten Öffentlichkeit praktisch unbekannt. Der Politikfunktionär, der in der Amtszeit Sarkozys von 2011 bis 2012 den Schlüsselposten des stellvertretenden Generalsekretärs im Elysée-Palast innegehabt hatte, machte sich aber während der Corona-Krise als „Monsieur déconfinement“ einen Namen. Während der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen („déconfinement“) war Castex für das Hochfahren der Wirtschaft und das Ende der Kontaktsperren zuständig.

Castex hat vor Macrons Amtszeit als Präsident unter anderem als Kabinettsdirektor des früheren konservativen Gesundheitsministers Xavier Bertrand gearbeitet. Diese Erfahrung dürfte ihm zugute kommen, wenn es darum geht, den Gesundheitssektor - nicht zuletzt als Konsequenz aus der Corona-Krise - zu stärken. Vor allem im Osten des Landes war das Personal in den Krankenhäusern im Februar und März angesichts der Pandemie völlig überfordert gewesen.

Macron will 2022 vor allem bei bürgerlichen Wählern punkten

Mit der Ernennung von Castex, der wie Philippe aus dem bürgerlichen Lager kommt, geht Macron kein großes politisches Risiko ein. Castex verkörpert einen „sozialen Gaullismus“ und soll offenbar dabei helfen, dass Macron bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl 2022 vor allem bei konservativen Wählern punkten kann. Für Castex dürfte auch sprechen, dass er bei der Kommunalwahl seinen Posten als Bürgermeister in der Pyrenäen-Stadt Prades verteidigt hat.

Nicht weit von Prades entfernt, in Perpignan, hatte die rechtsextreme Partei „Rassemblement National“ (RN) am vergangenen Wochenende einen Sieg verbucht. Die RN-Vorsitzende Marine Le Pen war bei der letzten Präsidentschaftswahl 2017 gemeinsam mit Macron in die Stichwahl gelangt. Die Beförderung von Castex, der nun gemeinsam mit Macron seine Regierungsmannschaft zusammenstellen wird, enttäuscht derweil all jene, die nach den Erfolgen der Grünen während der zweiten Runde der Kommunalwahl bei der Entscheidung über die Nachfolge Philippes ein stärkeres Signal zu Gunsten der Ökologie erwartet hatten.

Regierungsumbildungen sind in Frankreich nichts Ungewöhnliches

Dass französische Präsidenten ihre Regierungen in der Mitte der Legislaturperiode umbilden, um sich neuen politischen Schwung zu holen, ist durchaus üblich.  Eher ungewöhnlich ist es aber mit Blick auf die jüngere Geschichte, dass dabei auch gleich der Premierminister gehen muss. So ernannte François Hollande, der Amtsvorgänger des heutigen Staatschefs, 2014 eine Reihe von neuen Ressortchefs – darunter auch Macron, der Wirtschaftsminister wurde. Allerdings hielt Hollande damals an seinem Premierminister Manuel Valls fest.

Die Auswechslung von Edouard Philippe stellt umso mehr eine Überraschung dar, als der 49-Jährige seit seinem Amtsantritt im Mai 2017 wie auch zuletzt während der Corona-Krise solide Arbeit leistete. Mit Zustimmungswerten zwischen 55 bis 60 Prozent kommt er bei den Franzosen weit besser an als Macron. Dem Präsidenten wird die Tatsache angelastet, dass bislang rund 30.000 Menschen in Frankreich durch das Virus gestorben sind.

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Allerdings gab es in den vergangenen drei Jahren auch einige Reibereien zwischen dem Präsidenten und Philippe, die Macron wohl nicht vergessen haben dürfte. Zwar teilen der Sozialliberale Macron und  Philippe viele Grundüberzeugungen. Die beiden waren aber beispielsweise in der Diskussion um die Rentenreform aneinandergeraten. Dabei hatte Macron zunächst ein Punktesystem vorgeschlagen, das Bezieher von geringen Einkommen stärker als bisher berücksichtigen soll. Philippe hatte hingegen zusätzlich für eine stufenweise Erhöhung des Renteneintrittsalters plädiert. Ob die Erhöhung des Renteneintrittsalters bei der Reform, an der Macron nach wie vor festhält, erhalten bleibt, ist ungewiss.

Unterm Strich verfügt Macron im Hôtel Matignon, dem Amtssitz des Premierministers, mit Castex nun vor allem über einen Mann, der in der Zeit bis zur nächsten Präsidentschaftswahl eines sicher nicht machen wird – ihn in den Schatten stellen.

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