zum Hauptinhalt
301993_0_d93a8090.jpg
© dpa

Immer aktuell bis in die Nacht: Der Live-Blog zur Wahl

An dieser Stelle bloggen wir für Sie aus Berliner Sicht über die Wahl - von der Stimmung im Wahllokal im Kiez bis hin zu den Reaktionen der Politiker auf den Wahlpartys am Abend und dem Berliner Endergebnis in der Nacht. Bitte schreiben Sie Ihre eigenen Erlebnisse, Fragen, Anregungen und Kritiken unter den Text.

01.26 Uhr:

Zum Abschluss ein Erfolg für Steinmeier: SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei der Bundestagswahl in seinem Wahlkreis Brandenburg/Havel das Direktmandat geholt. Der Spitzenkandidat der Brandenburger Sozialdemokraten erreichte 32,8 Prozent der Erststimmen. Er verwies damit seine Konkurrentinnen von der Linken  und der CDU auf die Plätze. Steinmeier hatte sich erstmals um ein Direktmandat im Bundestag beworben.

00.40 Uhr:
Das vorläufige Endergebnis aus Berlin: Die CDU geht aus der Bundestagswahl in der Hauptstadt als stärkste Kraft hervor. Sie kam auf 22,8 Prozent der Zweitstimmen (2005: 22,0). Die SPD brach ein und erreichte nur noch 20,2 Prozent (2005: 34,3), genau so viel wie die Linke als kleiner Koalitionspartner (2005: 16,4). Auf die Grünen entfielen 17,4 Prozent (2005: 13,7) und auf die FDP 11,5 Prozent (2005: 8,2). Die erstmals bei der Bundestagswahl angetretene Piratenpartei errang 3,4 Prozent.

00.00 Uhr: Der gemütliche Teil des Abends hat auch auf der Party der Bundeszentrale für politische Bildung begonnen. Aus den Boxen tönt Jan Delay mit  "Johnny". An der Bar werden fertige Cocktails aus der Dose ausgeschenkt. Eis ins Glas, Dose auf, Strohhalm rein, Prost. Der Sex on the Beach ist SPD-rot, der Swimming Pool ist giftgrün, der Tequila Sunrise ist PDS-pink. Hintereinander genossen, sind sie ein rot-rot-grünes Experiment, das möglicherweise am nächsten Morgen Kopfschmerzen macht. Von der FDP-Party kommt inzwischen eine knappe SMS: "Wir sind schon recht betrunken."

23.40 Uhr:
Katastrophe komplett in der heimlichen Hauptstadt und vor allem drumherum: Die CSU hat am Sonntag ein neues Debakel erlebt und ihr schlechtestes Bundestagswahl-Ergebnis seit 1949 eingefahren. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die CSU im Freistaat auf 42,6 Prozent. Die Bayern-SPD musste mit 16,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit dem Krieg hinnehmen. Die FDP dagegen triumphierte und legte auf 14,7 Prozent zu. Die Grünen steigerten sich auf 10,8 Prozent und die Linken auf 6,5 Prozent.

23.33 Uhr:
Gratulationscour komplett (noch einmal laut AP): Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Wahlabend nicht nur Glückwünsche aus Paris (siehe unten), sondern auch aus London und Washington erhalten. US-Präsident Barack Obama gratulierte der deutschen Regierungschefin telefonisch zu ihrer Wiederwahl. In dem Gespräch hätten beide darin übereingestimmt, dass sich mit der „Wahl einer starken deutschen Regierung unsere Zusammenarbeit weiter verstärken und vertiefen“ werde, teilte die US-Regierung in Washington mit. Obama freue sich darauf, bei der Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen weiter eng mit Kanzlerin Merkel zusammenzuarbeiten. „Die Vereinigten Staaten und Deutschland sind enge Verbündete und Partner bei der weltweiten Förderung von Freiheit, Sicherheit und Wohlstand“, hieß es in der Erklärung des Weißen Hauses. In einer Erklärung aus Downing Street 10 hieß es am Sonntagabend, der britische Premierminister Gordon Brown freue sich auf eine Fortsetzung der engen Zusammenarbeit. In Großbritannien steht im nächsten Jahr eine Unterhauswahl an.

23.15 Uhr:
Das schlechte Wahlergebnis sei nicht die Schuld des SPD-Kanzlerkandidaten – ein Satz, den Klaus Wowereit an diesem Sonntagabend oft wiederholt hat. „Es war nicht der falsche Kandidat“, sagt er. Aber Klaus Wowereit sagt auch, dass sich seine Partei neu positionieren muss. Mit Jüngeren wie Hannelore Kraft zum Beispiel, die SPD-Abgeordnete in Nordrhein-Westfalen ist. Und mit Wowereit in neuer Rolle, womöglich mit neuem Posten in der Bundes-SPD? Da lacht er. „Meine Rolle bleibt dieselbe wie bisher.“ Mehr zu Wowereit lesen Sie hier.

23.09 Uhr:
Im Wahlstudio nutzt ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender die sendefreie Zeit, um dem Moderatorenteam Christian Sievers und Bettina Schausten für ihren Einsatz zu danken. Sievers hatte es sich schon mit einem Bier am Rand der Bühne niedergelassen. Brender schloss mit den Worten: „Wie lange diese Koalition hält, da bin ich mir nicht sicher“. Offenbar denkt er schon über die nächste Wahlsendung nach.



23.04 Uhr: Prof. Karl-Rudolf-Korte

, Politikwissenschaftler: "Mit einem derart dramatischen Absturz der SPD habe ich nicht gerechnet". Die SPD hätte keine Strategie gehabt, sondern in den letzten Jahren nur taktiert.  "Die Sozialdemokraten brauchen jetzt einen kreativen Ausweg, müssen für die politsche Mitte wieder attraktiver werden." Was Westerwelle angeht, würde er dem FDP-Politker nicht raten, Außenminister zu werden. "Merkel würde es begrüßen, dann ist er weg. Das wäre der Clinton-Effekt, oder hören Sie noch etwas von Hillary?" Ein Außenminister finde innenpolitisch nicht statt, könne dort nicht mitgestalten. "Das gleiche Problem hatte jetzt Steinmeier", sagt er.  Das Wahlergebnis sieht er als Antwort auf die Krise, die Wähler setzten auf Stabilität und Berechenbarkeit. "Das wird ein dosierter Machtwechsel. Ich sehe keinen Zauber des Anfangs, keine große gemeinsame Idee für einen neuen Aufbruch".

23 Uhr:
Unter dem Titel "SPD neu erfinden" kursiert unter Sozialdemokraten aus dem engeren Zirkel ein internes Papier, das schonungslos die Schwächen der Partei offenlegt und sich mit der Zukunft der schwer angeschlagenen Sozialdemokraten befasst. Das Papier liegt dem Tagesspiegel vor. Wir dokumentieren es hier für unsere Leser.

22.53 Uhr:
Die Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel in einer ersten Stellungnahme zum Wahlergebnis: "Wir sind mit einem guten Programm in den Wahlkampf gestartet. Doch wir haben damit die Leute nicht überzeugen können. Das Glaubwürdigkeitsproblem der SPD ist massiver als bisher angenommen."

22.50 Uhr: 
Auch der Online-Wahlkampf wurde auf der Wahlparty in einer Podiumsdiskussion gewürdigt. Hier lesen Sie dazu mehr.

22.40 Uhr: Noch einmal Nussbaum: Dass sein rigider Sparkurs die SPD Stimmen gekostet habe, wies der Finanzsenator zurück. "Wir machen 5,6 Milliarden Euro Schulden in sechs Jahren" - von Sparen könne im neuen Haushalt keine Rede sein. Im Gegenteil sei eher interessant, wie Schulden zurückgezahlt werden sollen. Für den Bund glaubt Nußbaum nicht, dass die von der Union und der FDP versprochenen Steuersenkungen in einer schwarz-gelben Regierung durchgesetzt werden. "Wer das fordert, ist ein Traumtänzer." Die Einnahmen des Staates müssten schließlich höher werden. Bei Umsatz- und Mehrwertsteuer, beim Spitzensteuersatz und bei der Gewerbesteuer gebe es Möglichkeiten für Veränderungen. Für Berlin erwartet Nußbaum keine weiteren Einschnitte. "Ich erwarte Unterstützung für Berlin", sagt er sogar. Es sei Zeit, dass der Bund etwas für die Hauptstadt tue - und sie finanziell "ordentlich ausstatte." Berlin sei schließlich das "Machtzentrum" der Bundesrepublik.

302024_0_f3b04b1e.jpg
Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum im Gespräch mit Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff.
© Mike Wolff

22.31 Uhr:

Der Vorteil des parteilosen Politikers ist es, seine Meinung immer ein Stückchen freier sagen zu können, als seine parteigebundenen Kollegen. Und so kritisiert Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum den Umgang des Wahlverlierers SPD mit der Linkspartei. „Ich hätte es taktisch klüger gefunden, wenn man das Verhältnis zur Linken vor der Wahl begradigt hätte," sagte Nußbaum bei einem Podiumsgespräch mit Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff auf der Wahlparty der Bundeszentrale für politische Bildung, der Telekom, des Tagesspiegels und weiterer Partner. Hätte es eine offizielle Linie für eine mögliche - oder auch unmögliche - Koalitionsfähigkeit auf Bundesebene gegeben, "hätte man gewusst, wo man dran ist" - und die Wähler hätten sich darauf einstellen können. So müsse sich die SPD nun eben sammeln - und sich neu aufstellen.

22.25 Uhr: Der Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, warnt die Union davor, ihre Rolle als Volkspartei aufzugeben: "Wir hatten immer gesagt, dass wir Schwarz-Gelb für dieses Land für eine schlechte Lösung halten",  sagt der DGB-Chef dem Tagesspiegel. "Das wird die Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verschlechtern, wenn die Union ihre Rolle als große Volkspartei aufgibt. Das hängt sehr davon ab, ob Angela Merkel ihre bisher betriebene Politik des Ausgleichs fortsetzen kann, fortsetzen will und fortsetzen wird. Sie hat mir gegenüber in puncto Arbeitnehmerrechte eindeutig erklärt, dass sie bei ihren bisherigen Positionen bleibt. Daran werde ich sie messen", sagt Sommer weiter. Sommer kündigt an, weiter für die Interessen der Arbeitnehmer zu kämpfen: "Ich werde mich natürlich bemühen mit dieser Regierung produktiv zusammenarbeiten. Aber ich sage auch: Wir werden nicht jede Politik akzeptieren, insbesondere dann nicht, wenn sie spekulantenfreundlich und arbeitnehmerfeindlich ist."

22.22 Uhr:
Der Politblogger Markus Beckedahl (www.netzpolitik.org) ist auf dem Weg zur Party der Piratenpartei. Er twittert: "2% Netzpolitik feiern. Das hätten andere Parteien haben können, wenn sie uns zugehört hätten."

22.18 Uhr:
Bei der Wahl waren wir nicht allein. Insgesamt 12 Wahlbeobachter hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach Deutschland entsandt. Zwei von ihnen, der Bulgare Nikolai Vulchanov und der Amerikaner Donald Bisson, besuchten ein Wahllokal in der Warschauer Straße in Berlin - wo man sie zunächst für Wähler hielt.

22.10 Uhr: Insgesamt konnte die Berliner CDU vier Mandate mehr als 2005 holen: Damals gewann nur der CDU-Direktkandidat Karl-Georg Wellmann in Steglitz-Zehlendorf das Mandat. Wellmann siegte auch diesmal wieder gegen seinen SPD-Kontrahenten Klaus Uwe Benneter. Es ist völlig offen, ob Benneter über die Landesliste noch einmal in den Bundestag zieht. Die Wahlniederlage im Zweitstimmenergebnis der SPD spiegelt sich auf bei den Direktmandaten wieder. Errang die Partei 2005 noch  sieben Direktmandate, holte sie nur noch zwei in Berlin: Eva Högl in Mitte - und Petra Merkel in Charlottenburg-Wilmersdorf, die gegen Ingo Schmitt siegte.

22.08 Uhr: In der Berliner CDU lagen Freude und Frust nah beeinander. Ausgerechnet die Spitzenkandidatin Monika Grütters und der in der CDU geschmähte ehemalige Landeschef Ingo Schmitt waren in einer wahlrechtsbedingten Schicksalsgemeinschaft aneinander gekettet - und gingen zusammen unter. Schmitt, Direktkandidat in Charlottenburg-Wilmersdorf, war auf der Landesliste nicht abgesichert und verlor mit rund vier Prozentpunkten Abstand gegen die Sozialdemokratin Petra Merkel. Er wird dem Bundestag nicht mehr angehören. Grütters wiederum hatte das Pech, dass die Landesliste nicht berücksichtigt wurde: Fünf Direktmandate für die CDU bei einem Zweitstimmeanteil, der fünf Sitze im Bundestag garantiert - da zog die Landesliste nicht, Grütters geht vermutlich leer aus.

22.06 Uhr:
Wolfgang Thierse verliert seinen Wahlkreis. In Pankow liegt der Linke Stefan Liebich vor dem Bundestagsvizepräsidenten. Thierse wird dem Bundestag aber wieder angehören, weil er über den ersten Listenplatz der Berliner SPD abgesichert ist.

21.59 Uhr: Nach der bitteren Niederlage der SPD bei den Bundestagswahlen hat der rheinland-pfälzische SPD-Chef und frühere Bundesvorsitzende, Kurt Beck, dafür plädiert, einen Vorschlag für einen neuen Parteivorsitzenden zu erarbeiten. Auf die Frage "Sollte Steinmeier jetzt Parteichef werden", sagte Beck dem Berliner "Tagesspiegel": "Ich bin dafür, dass wir miteinander einen Vorschlag erarbeiten." Beck sagte, er wolle sich bei allen Fragen "konstruktiv einbringen". Zur Bündnisfrage mit der Linken sagte Beck: "Für die Zukunft muss man sehen wie die Linke sich weiter entwickelt." Beck sagte aber auch: "Ich hoffe und erwarte, dass es insgesamt in der Parteienlandschaft Bewegung geben wird. Und ich hoffe, dass wir das idiotische Lagerdenken überwinden."

21.58 Uhr:
Der Bundeswahlleiter hat angekündigt, sämtliche Einträge auf Twitter, in denen vermeintliche Prognosen vor 18 Uhr veröffentlicht wurden, auf ihre Echtheit überprüfen zu wollen. Zahlreiche der Nutzer behaupteten dabei, über Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap zu verfügen. Bei einigen der Einträge wichen die Zahlen nur geringfügig von der tatsächlichen Prognose ab, die traditionell um 18.00 Uhr veröffentlicht wird. Allerdings gab es auch zahlreiche angebliche Infratest-Zahlen, die sich von der Prognose des Meinungsforschungsinstituts deutlich
unterschieden.

21.50 Uhr:
Im Restaurant "Hugo's" hoch oben im Hotel Intercontnental in Tiergarten trafen sich Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport zur Wahlparty "Deutschland jetzt". Der Einladung von  Medienunternehmer Manfred Schmidt war unter anderem auch der französische Botschafter Bernard de Montferrand gefolgt. Am Rand der Party sagte er: "Eigentlich kommentiert ein Botschafter nicht die deutschen Wahl, aber ich finde, dass eine Fünf-Partei-Landschaft klare Verhätntlise ermöglicht. Das ist gut für Demokratie." Und der Berliner BMW-Chef  Hans-Reiner Schröder ergänzte: "Eine neue Konstellation hat den großen Vorteil, dass sich die Akteure proflieren müssen. Deshalb sehe ich den großen Aufschwung." Event-Unternehmerin Isa von Hardenberg sah sich mit dem Wahlausgang bestätigt: "Merkel ist einfach die bessere Kanzlerin. Es wird sehr, sehr schwer, aber ich habe großes Vertrauen zur ihr."

21.48 Uhr: Partytalk auf der Tagesspiegelparty. Überraschungen wird es nicht mehr geben, die Gäste diskutieren das Ergebnis, essen die Reste vom inzwischen geschlossenen Buffet. Beim schlendern durch die Menge schnappt unsere Reporterin Gesprächsfetzen auf: "Wie konnte das bloß passieren?", flüstert eine Frau, ungefähr Mitte 40, ihrem Mann zu. Sie guckt ungläubig auf einen Fernseher, wo eine siegesfreudige Merkel gezeigt wird. Der Mann rollt mit den Augen, seufzt. "Es geht bergab", sagt er.
Ein paar Schritte weiter steht eine Gruppe junger Männer, Weingläser in den Händen. Sie befinden sich mitten in einer Analyse der Ergebnisse. "Ich bin selbständig, da ist die FDP für mich die richtige Partei", sagt einer, blaue Jeans, Hornbrille, offenbar zufrieden über die Wahl. "Und wenn du mal arbeitslos wirst?", fragt einer aus Runde, schwarzes Jackett, Vollbart. "Ich gehe einfach mal davon aus, dass das nicht passieren wird", antwortet der Selbständige.

21.38 Uhr:
Für Thomas Krüger, SPD-Mitglied und Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, ist das Wahlergebns "eine herbe Niederlage, das darf nicht beschönigt werden. Meiner Ansicht nach müssen sich die Sozialdemokraten jetzt wie ein guter Boxer wieder aufrichten, trainieren und sich für den nächsten Fight rüsten. Es müssen inhaltliche und personelle Konsequenzen gezogen werden." Seiner Einschätzung nach haben die Sozialdemokraten zwei Probleme: "Die SPD hat Wähler bei der jungen Wählerschaft verloren und konnte auch nicht die eigene Stammklientel mobilisieren. So etwas macht sich dann wie jetzt gravierend bemerkbar." Mit ein Grund war für ihn auch die Große Koalition, die beiden Volksparteien Verluste beschert hat.

21.30 Uhr:
Am Abend radelte der Grünen-Direktkandidat Christian Ströbele zum Rathaus Yorckstraße, um das Auszählungsergebnis direkt zu erfahren. Bald stand fest, dass der Bundestagsabgeordnete zum dritten Mal hintereinander das Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg gewonnen hat. Laut vorläufigem Endergebnis konnte er den Erststimmenanteil von 2005 (43,2 Prozent) noch um rund vier Prozentpunkte steigern. „Ich freue mich sehr. Und ich bin ein ganz bisschen glücklich, dass ich das Vertrauen für meine politische Arbeit für eine weitere Legislaturperiode gewonnen habe“, sagte Ströbele dem Tagesspiegel. Dass er während der kommenden Legislaturperiode sein Mandat niederlegen werde, schloss er definitiv aus. „Ich werde bis zum Ende der Legislaturperiode im Bundestag arbeiten“, sagte Ströbele. Wie schon bei der Bundestagswahl 2002 und 2005 war Ströbele nicht auf der Berliner Landesliste abgesichert.

21.22 Uhr:
Geteilte Stadt: Im Ostteil Berlins ist die Linke bei den Zweitstimmen mit 34,2 Prozent bei weitem stärkste Kraft - so viel wie in etwa CDU (16,8) und SPD (18,2) zusammen. Im Westteil liegt die CDU mit 26,8 Prozent vorn, gefolgt von der SPD mit 21,7 und den Grünen mit 19,4 Prozent (Ost: 13,7). Die Linke kommt auf 11,2 Prozent. Noch davor kann sich die FDP platzieren mit 14 Prozent. Im Osten erreichen die Liberalen 7,7 Prozent.

21.19 Uhr:
Kommentare zum Abschneiden der Piratenpartei auf der Tagesspiegel-Wahlparty. Prof. Stefan Marschall, Mitentwickler des „Wahl-O-Maten“, weist darauf hin, dass über eine Million Menschen die Piratenpartei gewählt haben, deren Hauptthema und Hauptkompetenz das Internet ist. Das sollte die Parteien nachdenklich stimmen – auch Sascha Lobo spricht in diesem Kontext von einem „Warnschuss“ für die etablierten Parteien.

21.08 Uhr:
Auch im Bundesrat könnten sich die Mehrheitsverhältnisse ändern, sollte in Schleswig-Holstein ebenfalls eine schwarz-gelbe Regierung geben.

21.02 Uhr:  Die jüngste Berechnung der ARD ergibt, dass die Union auf 22 Überhangmandate kommen könnte. Sie würde dann zusammen mit der FDP auf 330 von 598 Sitzen kommen.

20.48 Uhr: Kanzlerin Merkel in der Elefantenrunde: „Wir werden über einige Punkte natürlich auch streiten müssen“, sagte die CDU-Chefin am Sonntagabend in der „Berliner Runde“ von ARD und ZDF. „Wir sind als unterschiedliche Gruppierungen in die Wahl gegangen.“ Sie wolle mit der FDP aber „schnell und zügig verhandeln“. Merkel will bei den Plänen bleiben, die die Union ins Wahlprogramm geschrieben hat. „Ich habe die Absicht, mich an mein Regierungsprogramm zu halten.“

20.41 Uhr
: Aus der heimlichen Hauptstadt erreicht uns derweil über dpa die folgende Katastrophenmeldung: Es ist Horst Seehofers Niederlage. Ein knappes Jahr nach seinem Amtsantritt hat der CSU-Chef seine Partei bei der Bundestagswahl in ein neuerliches Debakel geführt. Um die 42 Prozent für eine CSU, die auf über 45 Prozent gehofft hatte - es ist das schlechteste CSU-Ergebnis seit 1949. Unmittelbar nachdem die erste Prognose über die Fernsehschirme flimmert, gerät der CSU-Chef bei der Münchner Wahlparty unter Druck. „Das ist nicht nur eine Niederlage, das ist ein Desaster, eine Katastrophe“, sagt Seehofers gestürzter Vorgänger im Parteivorsitz, Erwin Huber. Denn 42 Prozent sind noch schlimmer als die 43,4 Prozent bei der Landtagswahl 2008, die Huber sein Amt kosteten.

20.35 Uhr: Der Reporter bittet den Blogger und Twitterer Sascha Lobo, ihm zu seiner eigenen Entlastung einen Eintrag in den Block zu diktieren. Lobo ist freundlich wie immer, hat aber keinen exklusiven Content anzubieten. Schließlich denke er immer lange über seine Posts nach. Zuletzt habe er, frei nach der wahlfälschungskritischen Frage vieler iranischer Demonstranten, getwittert: „Where is my hope“? Was natürlich im schwarzgelbkritischen Sinne gemeint ist.

20.32 Uhr
: Agence France Press (AFP) meldet: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend seine „allerherzlichsten Glückwünsche“ zum Wahlsieg übermittelt. Der konservative Sarkozy war der erste ausländische Staatschef, der sich öffentlich zum Ergebnis der Bundestagswahl äußerte. Der Präsident würdigte laut einer Mitteilung des Elysée-Palasts die „einzigartige Beziehung“ zwischen den beiden Nachbarländern. „Ich weiß, dass Sie wie ich eine noch stärkere deutsch-französische Verständigung wünschen, die vor allem im Dienste eines Europas steht, das angesichts der weltweiten und regionalen Herausforderungen handelt“. Unter den Gratulationsbrief an Merkel setzte Sarkozy ein handschriftliches „Dein Freund“.

20.22 Uhr
: Clay Risen, unser amerikanischer Beobachter, ist mit drei amerikanischen Freunden in Berlin unterwegs und gerade konsterniert über die Wahllethargie der Deutschen, die sich auch in leeren Bars zeigt. Eine halbe Stunde lang haben er und seine Freunde in Tiergarten nach einer Kneipe gesucht, die die Wahlberichterstattung zeigt. Er schreibt: "Wir sind hier die einzigen, die die Wahl im Fernsehen schauen. Und jetzt hat N-Tv die Berichterstattung abgebrochen und zeigt einen Bericht über die Apokalypse. In Washington wäre jetzt jede Bar "tuned to the news". Ist das nur bei dieser Wahl so oder lassen sich die Deutschen allgemein nicht so begeistern am Wahlabend?"

20.19 Uhr:
John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter, verfolgt die Wahlergebnisse, die gerade auf der großen Leinwand bei der Wahlparty des Tagesspiegels gezeigt werden. Er ist sehr gelassen, das Ergebnis ist für ihn weder überraschend noch schockierend. "Ich freue mich, denn es zeigt, dass die Politik der CDU in der Großen Koalition Anerkennung findet." Dass sich etwas für das deutsch-amerikanische Verhältnis verändern wird, glaubt er nicht.  "Die Deutschen und die Amerikaner haben ein sehr gutes und stabiles Verhältnis". Guido Westerwelle kann sich Kornblum gut als nächsten Außenminister vorstellen: "Ich würde es begrüßen, wenn Westerwelle Außenminister wird", sagt er. Kornblum kennt ihn schon seit 25 Jahren, der FDP-Politiker sei ein häufiger Besucher in den Staaten gewesen. "Er wird eine einfallsreiche Außenpolitik machen".

20.16 Uhr: In der Elefantenrunde führt Steinmeier die Verluste der SPD auch auf die niedrige Wahlbeteiligung zurück. "Es ist uns nicht gelungen, dass wir alle unsere Wähler und Wählerinnen an die Wahlurne gebracht haben", sagt er.

20.14 Uhr:  Martin Lindner, FDP-Spitzenkandidat in Berlin, findet das Wahlergebnis "sensationell". Er sagte: "Wir hoffen, dass wir in Berlin den dritten Listenplatz reinkriegen. Unser Ziel ist erreicht, wir sind dritte Kraft geworden und wollen regieren." Über die Verluste der SPD sagte er: "Wenn man Positionen der Linken übernimmt, ist das für eine Partei schwierig und schwer zu verkaufen."

20.10 Uhr: Diskussionsrunde zum Thema „Die Wahl im Internet“ auf der Tagesspiegel-Wahlparty. Viel Kritik am Online-Wahlkampf der Politik. Barbara Pfetsch, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin, sagt, die Wahlkampfstäbe der Parteien hätten das Web 2.0 zwar drauf, in den Köpfen der Politiker sei das neue Medium aber noch nicht angekommen. Sie könnten mit der Interaktivität noch nicht so gut umgehen. Das liegt, sagt der Blogger Sascha Lobo, daran, dass die Politik größtenteils noch nicht erkannt hat, dass sich eine „Digitale Gesellschaft“ gebildet hat. Sein Beispiel ist eine Kinderfrage. Der kleine Sohn eines Bekannten habe diesen kürzlich gefragt: „Papa, wie ist man eigentlich ins Internet gekommen, als es noch keine Computer gab?“ Lachen, gute Geschichte. Und eine, die zeigt, dass da eine ganze Genereration „online sozialisiert wurde – und wird“. „Es passiert im Internet Gesellschaft.“ – das hätten die Politiker nicht verstanden, und deshalb auch nicht verstanden, wie junge Leute funktionieren.

19.57 Uhr: Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit und Herausgeber des Tagesspiegels, nutzt eine Pause im Kommentarmaraton um schnell ein paar Käsehäppchen zu essen. Er ist nicht überrascht über das Wahlergebnis. "Nächste Woche warten auf mich viele Weinflaschen", sagt er. Er hat richtig gewettet. Seiner Einschätzung nach wird die SPD die größte Veränderung durchleben. "Die Partei muss sich nun inhaltlich mit sich selbst auseinandersetzen. Das wird sehr schwierig." Giovanni di Lorenzo ist froh, dass er das nicht durchmachen muss. Er rechnet fest damit, dass Westerwelle Außenminister wird.

19.54 Uhr:
Auf dem großen Bildschirm in der Haupthalle auf der Wahlparty des Tagesspiegels werden gerade die neuesten Hochrechnungen präsentiert. Starblogger Sascha Lobo schaut auf die bunten Säulen, signalroten Iro auf dem Kopf, ein Glas Weißwein in der Hand. Er findet das Ergebnis "nicht schön", schließlich ist er bekanntermaßen SPD-Sympathisant. "Okay, man könnte auch 'grauenvoll' sagen." Außerdem sei er ja Hertha-Fan. "Ein 1:5 bei Hertha und 23 Prozent für die SPD - schlechter hätte der Tag nicht ausgehen können." Seine Erwartungen für die nächsten vier Jahre? Pointiert pessimistisch: "Ich habe die Hoffnung, dass die soziale Kälte, die über uns kommen wird, durch die Atomwärme etwas gemildert wird."

19.50 Uhr:
Obwohl Wahlbeobachter vermuten, dass die Stimmverluste von SPD und CDU auf die große Koalition zurückzuführen sind, will der Berliner CDU-Landesvize diese Option noch nicht aufgeben. "Wirtschaftspolitisch wäre eine schwarz-gelbe Koalition sicher wünschenswert. Doch angesichts der Haushaltslage und der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat plädiere ich dafür, dass die Union Sondierungsgespräche auch mit der SPD führt", sagte Thomas Heilmann dem Tagesspiegel.

19.46 Uhr:
Unser amerikanischer Autor Clay Risen ist unterwegs und testet die Stimmung auf Berliner Wahlpartys. Sein erstes Urteil:  "There is significantly more excitement at the fdp headquarters than even at the cdu."

19.43 Uhr
: Die Berliner waren an der Bundestagswahl 2009 offenbar wenig interessiert. Mit 56,1 Prozent lag die Wahlbeteiligung um neun Prozentpunkte niedriger als vor vier Jahren. Das ist der mit Abstand schlechteste Wert seit 20 Jahren und wohl mit dem schönen Ausflugswetter allein nicht zu erklären.

19.38 Uhr: Die Piraten hatten auf drei Prozent gehofft, nach der ARD-Prognose kommen sie auf 1,9 Prozent. Über Twitter senden die Freibeuter eine Nachricht an ihre Wähler, so einfach wie ihr Wahlprogramm: "Danke Danke Danke Danke Danke Danke Danke Danke."

19.33 Uhr:  Wird Guido Westerwelle jetzt Außenminister? Dirk Niebel, Generalsekretär der FDP, will sich da noch nicht festlegen, über Personalien werde man am Wahlabend nicht reden, sagte er.

19.31 Uhr:
Alle kleinen Parteien haben heute gewonnen. Auch Gregor Gysi ist sehr zufrieden. "1989 konnte ich mir das wirklich nicht vorstellen, was wir heute hier erlebt haben", sagt der Fraktionsvorsitzende der Linken.

19.25 Uhr:
Lukas aus Mainz ist Walhelfer. Und nein, dass ist mal kein Tippfehler der eiligen Bloggerin. So steht es auf seinem Shirt. Lukas ist für Tierschutz und engagiert sich bei der Grünen Jugend, bei der er seit Januar Mitglied ist. Grinsend isst er am Büffet auf der Wahlparty des Tagesspiegels seinen Salat. Am 12.9. hatte er Geburstag, pünktlich zur Wahl ist er 18 geworden. Das Ergebnis der Grünen findet er "super" und will später noch auf der grünen Party weiter feiern.

19.19 Uhr: Ein glücklicher Guido Westerwelle tritt auf der Wahlparty der FDP auf. "Wir wollen jetzt Deutschland mitregieren. Wir wollen dafür sorgen, dass die Bürgerrechte endlich wieder respektiert werden", sagt der FDP-Chef und dankte seinen Unterstützern.

19.13 Uhr: In Berlin rückt die Linke nach ersten Prognosen mit 18 Prozent nahe an die Volksparteien heran und kann ihren Rang als drittstärkste politische Kraft in Berlin verteidigen. Es folgen die Grünen mit 16 bis 17 Prozent und die FDP darf mit bis zu 13 Prozent rechnen. Alle drei Parteien können zulasten der SPD, aber auch der CDU zulegen. Damit setzt sich in Berlin ein seit 1990 wirkender Trend fort.

301868_0_4d2abba1.jpg
Strahlende Kanzlerin: Angela Merkel wird weiter regieren, allerdings mit einem neuen Koalitionspartner. -
© dpa

19.07 Uhr: 

Angela Merkel

tritt im Konrad-Adenauer-Haus vor das Mikrofon. Gewohnt trocken analyisiert sie die Wahl. In einem Vielparteiensystem werde es schwieriger, Koalitionen zu schmieden. Sie wolle keine Ernüchterung herbeireden, "aber wir haben viele Probleme in diesem Land zu lösen". Eine schöne Party wünscht sie ihren Parteifreunden dann aber nach dem knappen Statement doch noch.

19.04 Uhr: In Berlin liefern sich SPD und CDU bei der Bundestagswahl voraussichtlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach ersten Prognosen und Berechnungen des Tagesspiegel stürzen die Sozialdemokraten auf knapp über 20 Prozent der Zweitstimmen ab. Das wären fast 15 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl 2005. Die Union wiederum scheint ihr schlechtes Wahlergebnis von 2005 nicht verbessern zu können und darf auch nur mit etwa 20 Prozent rechnen.

18.49 Uhr:
Ein Ehepaar in den besten Jahren auf der Wahlparty der Bundeszentrale für politische Bildung ist vor allem beeindruckt von der Wahlshow von Stefan Raab: Auch dort waren starke Verluste der SPD und Zuwachs für FDP und Linke vorhergesagt worden. „Ich hätte nicht gedacht, dass die das so gut können“, sagt der Partygast.

301804_0_c84c4296.jpg
Gefasste Rede. Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering im Willy-Brandt-Haus.
© dpa

18.40 Uhr:

Steinmeier will nicht aus der Führungsriege der SPD zurücktreten. "Ich will auch weiter dazu beitragen, dass die SPD gestärkt wird, auch als Oppositionsführer im deutschen Bundestag", sagt Steinmeier im Willy-Brandt-Haus.

18.38 Uhr: Klaus Wowereit hat die Ergebnisse gefasst aufgenommen. „Wenn man seit Monaten mit diesen Zahlen konfrontiert ist, ist das Ergebnis natürlich wenig überraschend,“ sagt er. Er sieht das Ergebnis als eine Möglichkeit für die Partei, sich zu erneuern und mit jungen Leuten zu verstärken. " Jetzt wird Angela Merkel ihren Heiligenschein verlieren, weil sie nicht mehr hinter der großen Koalition verstecken kann." Dann verlässt Wowereit das Fernsehstudio und fährt direkt in den Reichstag, dort hat er weitere Interviews und Termine.

18.30 Uhr: Anruf in der Berlin-Redaktion. "Können Sie mir sagen, wie die Wahl ausgegangen ist", bittet eine von Motorenlärm gedämpfte Männerstimme. Einen Moment lang herrscht Verwirrung am Redaktionstisch. "Sie können doch die Ergebnisse im Internet oder im Fernsehen oder im Radio erfahren", antwortet der Redakteur. "Nein, eben nicht. Ich bin Fernfahrer", röhrt es durchs Telefon: "auf Tour durch Europa, ohne Tagesspiegel. Ich will wissen, wie es in Berlin ausgegangen ist: Hat Ingo Schmitt in Charlottenburg gewonnen und Gregor Gysi seinen Wahlkreis wieder geholt?"  Na sowas; ein politisch interessierter Fernfahrer; haben die früher nicht nur AFN gehört? Dem Mann kann noch nicht geholfen werden - die Auszählung läuft noch. Aber einen speziellen Trucker-Service, warum nicht. "Rufen Sie kurz vor Mitternacht nochmal an", sagt der Redakteur.

18.27 Uhr: Bärbel Höhn hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. "Diese Wahl ist noch lange nicht entschieden", sagt die Grüne.

18.23 Uhr: Eine Studentengruppe aus Karlsruhe auf der Party der Bundeszentrale ist gut gelaunt. Einer der Studenten, schwarzer Pferdeschwanz, sagt, er sei überracht, dass es so deutlich ist. "Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht." Die Karlsruher wollen aber trotzdem feiern. Ein anderer aus der Gruppe, blonder Pferdeschwanz, sagt: "Wir wollen nachher noch auf die CDU-Wahlaprty. Da ist die Stimmung bestimmt am besten."

18.17 Uhr:  Rhein-Neckar-Arena zu Sinsheim: Bundesliga trifft Bundestag. Mal was Neues aus Berlin, aber nicht von Fußballern von Hertha BSC, die sind in der ersten Halbzeit von 1899 Hoffenheim richtig schön vorgeführt worden. „Werfen wir doch mal einen Blick auf die ersten Wahlergebnisse“, sagt der Mann am Stadionmikrofon, als beide Mannschaft zur Halbzeit in die Kabine gehen. Auf den beiden Videotafeln leuchten die ersten Hochrechnungen auf. Das Publikum, berauscht vom furiosen Hoffenheimer Angriffsfußball, es mag nicht lachen, pfeifen oder jubeln. Es schweigt. Desinteressiert. Fußball ist eben doch eine unpolitische Angelegenheit.

18.17 Uhr: 

Auf der Party der Bundeszentrale für politische Bildung, der Telekom, des Tagesspiegels und weiterer Partner im ZDF-Studio geht ein Raunen durch die Menge als das schlechte Ergebnis der SPD bekannt gemacht wird. Ein Besucher sagt, er hätte auf eine weitere große Koaltion gehofft. "Ich bin schockiert, dass es schwarz-gelb zu werden scheint." Boenigk klatscht, als das gute Ergebnis der Linke im Bund und in Brandenburg verkündet wird und sagt: "Aber die SPD darf sich nicht wundern."

18.11 Uhr: 
Der Regierende meldet sich zu Wort. Klaus Wowereit sagt im ZDF: "Das kann man nicht auf den einen oder anderen abwälzen. Hier trägt die Partei die Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis. Beiden Parteien ist die große Koalition nicht bekommen."

18.01 Uhr: Kein Flashmob. Die Wahlbeteiligung sinkt auf rund 70 Prozent, den historischen Tiefstand bei einer Bundestagswahl. Die, die wählen gegangen sind haben laut Forschungsgruppe Wahlen mehrheitlich CDU/CSU und FPD gewählt. Nach der ersten Prognose der Forschungsgruppe Wahlen reicht es für Schwarz-Gelb, auch ohne Überhangmandate.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, was vor der ersten Prognose in Berlin und Deutschland passiert ist.

17.44 Uhr:

Noch fünfzehn Minuten bis zur Schließung der Wahllokale. Wie wäre es mit einem Nichtwähler-werden-Wähler-Flashmob, um die niedrige Wahlbeteiligung noch ein bisschen zu korrigieren? Um User Detlef zu zitieren: "Leute kommt in die Puschen....."

17.20 Uhr: Und wie haben Berliner Kandidaten den Wahltag verbracht? Eigentlich ist Stefan Liebich ein Politprofi, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Aber die vergangenen Nächte hat er unruhig geschlafen und von der Wahl geträumt, erzählt der Pankower Linken-Direktkandidat am Sonntagmittag. „Jetzt liegt mein Schicksal in den Händen anderer Menschen, das ist schon aufregend“, sagt der 36-Jährige auf dem Weg zum Wahllokal. Zwar steht er bei der Linken auch auf dem chancenreichen Listenplatz vier, der nach den Hochrechnungen für ein Mandat reichen dürfte. „Aber wir haben auch früher schon Anlass zur Hoffnung gehabt und hinterher konsterniert dreingeschaut.“ Stefanie Vogelsang, CDU-Direktkandidatin in Neukölln, hat den Wahltag zumindest teilweise gemeinsam mit ihrem Konkurrenten von der SPD verbracht, Fritz Felgentreu. Die beiden feierten am Vormittag gemütlich das traditionelle Erntedankfrühstück des Neuköllner Bauern Mendler, wie Vogelsang berichtet. Und der Spannungspegel? „Die Ruhe vor dem Sturm“, sagt sie.

17.16 Uhr: Der Handel bei Wahlstreet hat geschlossen. Am letzten Tag waren FDP und Linke Gewinner. Hier die Analyse zum Handelsschluss.

17.00 Uhr:  Wie haben die Spitzenkandidaten ihren Tag verbracht? „So lange es ging“ hat die Grüne Renate Künast geschlafen, dann einen guten Tee getrunken. Nach der Stimmabgabe in Friedenau hoffte sie noch auf einen Shiatsu-Massage-Termin. Ab 17 Uhr wollte sie bei der Wahlparty der Grünen im Postbahnhof vorbeischauen und sich am Abend mit ihrem Parteifreund Trittin die Fernsehauftritte aufteilen. Der Berliner FDP-Spitzenkandidat Martin Lindner war „nicht nervös, sondern zuversichtlich“. Nach einem gemütlichen Frühstück ging die Familie mit Kind und Hund Emmy in die Mühlenau-Grundschule wählen. Dann versammelte man sich auf der Terrasse, aß Suppe und am Nachmittag leckeren Kuchen. Martin Lindner wollte nach einem Fernsehauftritt auf die Wahlparty des Landesverbands ins Weinhaus Habel.

16.46 Uhr: Aufklärung aus Bremen: Bei den im Netz kursierenden Daten aus Bremen handelt es sich um Testdaten, die auf einem FTP-Server abgelegt wurden. Über diesen Server, dessen Daten nicht über Google gefunden werden können, informiert der Landeswahlleiter am Abend der Wahl Journalisten über die Ergebnisse - natürlich nach 18 Uhr. Vorab wurde die URL des Servers, auf dem bereits fiktive Testdaten abgelegt waren, an Journalisten übermittelt. "Aus dem Kreis dieser Medienvertreter wurde die URL dann wohl über Twitter verbreitet", sagte Jürgen Wayand, Landeswahlleiter für Bremen. Die fiktiven Daten sind inzwischen gesperrt worden. Wayand schätzt, dass sie etwa ein bis zwei Stunden im Netz sichtbar waren.

16.35 Uhr: 
Etwa 10 Wähler in Charlottenburg-Nord haben ihre Erststimme wohl umsonst abgegeben. An insgesamt vier Wahllokale des Wahlkreises 81 waren teils falsch gepackte Stimmzettel verteilt worden. Hier mehr dazu auf unseren Seiten. Kann passieren, nicht nur in Berlin. Auch in Frankfurt am Main wurden nach Informationen des HR falsche Stimmzettel ausgeteilt. Auf ihnen standen Hanauer Direktkandidaten. Die Briefe wurden aber bemerkt und aussortiert. Dass noch weitere falsche Wahlzettel im Umlauf sind, wollte die Wahlleitung aber nicht ausschließen. Außerdem tauchten Wahlbriefe aus Wiesbaden in Köln und Thüringen auf.

16.28 Uhr:
Jetzt kursieren auch vermeintliche Daten von infratest dimap auf Twitter. Und was ist mit diesem magischen Moment, dem Luftanhalten, wenn bei ARD und ZDF die Balken wachsen? Die Zahlen aus Bremen sind jedenfalls ein Test. Warum sie ohne Kennzeichnung im Netz stehen, klären wir noch im Laufe des Nachmittags.

16.13 Uhr:  Es droht ein neues Rekordtief bei der Wahlbeteiligung. Bis 14.00 Uhr gaben nur 36,1 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie Bundeswahlleiter Roderich Egeler in Berlin mitteilte. Bei der Bundestagswahl 2005 hatte der Wert zu diesem Zeitpunkt bereits bei 41,9 Prozent gelegen. 2005 wurde mit 77,7 Prozent die historisch niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl registriert.

16.06 Uhr: Für Verwirrung im Netz sorgt auch eine Seite, auf der "Zwischenergebnisse" der Bundestagswahl im Land Bremen als Grafik zu sehen sind. Nach ersten Erkenntnissen des Landeswahlamtes Bremen handelt es sich dabei um eine Simulation, wir bleiben dran und berichten, sobald die Bremer Klarheit geschaffen haben.

15.58 Uhr: Auch ansonsten ist einiges los im Netz. Angeblich sind Ergebnisse der Nachwahlbefragung auf Twitter veröffentlicht worden. Wir beteiligen uns nicht an deren Verbreitung. Wer sich die verbleibenden zwei Stunden bis zur ersten legalen Prognose nach Schließung der Wahllokale im Netz vertreiben möchte, kann zum Beispiel noch schnell bei Twittip auf das richtige Ergebnis tippen.

301646_0_611a7b17.jpg
Hinter Gysi bilden sich Wählerschlangen. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, gab kurz vor 13 Uhr in Berlin seine Stimme ab.
© dpa

15.44 Uhr:

Wahlkampfexperten haben vorausgesagt, dass die Onlineaktivitäten von Politikern mit dem Wahltag abflauen würden. Heute jedenfalls noch nicht. Berliner Politiker kämpfen via Twitter auch am Wahltag weiter um Stimmen. Vera Lengsfeld wirbt für Angela Merkel und Kajo Wasserhövel für "soziale Stabilität". Ist es nicht langsam zu spät? Björn Böhning jedenfalls twittert, er gehe jetzt brunchen.

15:15 Uhr: Die Nachrichtenagentur AP hält Folgendes für die Nachwelt fest: Die Stimmabgabe von Kanzlerin Angela Merkel bei der Bundestagswahl wäre beinahe nicht für die Nachwelt festgehalten worden. Denn Merkel war am Sonntag zu schnell für die Fotografen, als sie ihren Wahlzettel in Berlin-Mitte in die Urne werfen wollte. Protestrufe ließen sie aber stoppen, das Blatt mit den Fingerspitzen festhalten und pflichtgemäß in die Kameras lächeln. Merkel, die in einem leuchtend roten Blazer im Wahllokal erschienen war, wurde von ihrem Mann Joachim Sauer begleitet.

14:56 Uhr:
Die Piratenpartei teilt mit, dass sie "aufgrund von baulichen Vorschriften durch das Bauamt Friedrichshain-Kreuzberg" ihre Wahlparty verlegen muss. Zwar findet die Feier wie geplant auf dem RAW-Gelände statt, jedoch musste statt des RAW-Tempels das Astra Kulturhaus angemietet werden. Darüber ärgert sich die Piratenpartei vor allem deshalb, weil sie jetzt Miete zahlen muss. Wie wär's mit entern?

14.53 Uhr:
Im Lichtenberger Coppi-Gymnasium befindet sich „das schnellste Berliner Wahllokal“, witzelt ein Lehrer. Zusammen mit 14 Schülern und vier weiteren Lehrern betreibt er zwei Wahllokale. Start- und Zielschilder weisen die Wähler durch den Raum. „Eigentlich müssten wir noch die Zeit stoppen“, fügt eine Schülerin hinzu. Zum Glück gibt es noch die Schulleiterin, deren Name ihren Beruf zu schön umschreibt. Frau Unruhe weist die beiden in die Schranken: „Aber es gibt kein Bonussystem. Wer am schnellsten ist, darf trotzdem nicht zweimal wählen!“

14.46 Uhr:
Nach der Stimmabgabe in einem Café in Kreuzberg. Dort tummeln sich schon zahlreiche Wähler, die ihren Beitrag geleistet haben. Ein Gespräch am Nebentisch ist nicht zu überhören. Die Dame ist Nichtwählerin und schlägt vor, auf dem Stimmzettel ein Kästchen für Wahlverweigerer einzuführen. Die Stimmen der Nichtwähler sollen auch als leere Plätze im Bundestag abgebildet werden, Plätze, die bei Entscheidungen immer als Gegenstimmen gewertet werden müssen. Interessant. Aber auch wenig konstruktiv.

14.43 Uhr:
Eine anonyme Anruferin rief heute früh die Polizei zur Falckensteinstraße in Kreuzberg, da dort ein herrenloser Koffer in unmittelbarer Nähe eines Wahllokales stand. Die eingesetzten Beamten fanden gegen 8 Uhr 40 den Hartschalenkoffer auf dem Gehweg an einer Baumscheibe. Wenige Minuten später nahmen die Polizisten Kontakt mit dem Verantwortlichen des Wahllokales auf. Die Falckensteinstraße wurde gesperrt und das Wahllokal vorübergehend geschlossen. Eine Anwohnerin teilte den Einsatzkräften mit, dass der Koffer schon seit Samstagabend dort stehen soll. Der Koffer wurde geöffnet, er war leer. Das Wahllokal war für ca. 20 Minuten geschlossen. Mit der Öffnung des Wahllokals wurde auch die Straßensperrung wieder aufgehoben. Zwei durch die Schließung betroffene Wähler konnten ihre Stimme nach Beendigung des Einsatzes abgeben.

14.37 Uhr:
Die Berliner liegen offenbar noch in der Sonne. Der Landeswahlleiter meldet für den Vormittag eine niedrigere Wahlbeteiligung als 2005. Bis zum Mittag hätten 26,8 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, sagte der Landeswahlleiter. Damit habe die Wahlbeteiligung zu diesem Zeitpunkt um 5,4 Prozentpunkte niedriger gelegen als bei der Wahl im Jahr 2005 (32,2 Prozent).

14.33 Uhr:
  Keine faulen Ausreden: Wahlbenachrichtigung nicht mehr zur Hand? Sie können aus Ihrer Altpapiertonne wieder hervorkommen und, wenn Sie in Berlin leben, einfach 9021 - 3631anrufen. Dort verrät Ihnen der Service des Landeswahlleiters, wo Ihr Wahllokal liegt.

14.26 Uhr:
Erste Zahlen zur Wahlbeteiligung. Die Bundestagswahl ist am Sonntagvormittag trotz des guten Wetters in einigen Bundesländern zunächst verhalten angelaufen. In Sachsen-Anhalt gaben bis 12.00 Uhr 23,3 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, bei der Bundestagswahl im Jahr 2005 waren es zu diesem Zeitpunkt bereits 28,2 Prozent gewesen, wie der Landeswahlleiter mitteilte. Auch in Sachsen lag die Beteiligung bis zum Mittag deutlich unter dem Niveau von 2005. Laut Landeswahlleiterin gingen dort bis 12.00 Uhr 23,6 Prozent der Wahlberechtigten an die Wahlurne. 2005 waren es zu dieser Zeit schon 29,2 Prozent gewesen.

13.39 Uhr:
Wahl-Blockade. Dorothea Ruf, 69, aus Mariendorf, hatte es bei der Wahl nicht leicht. Die Frau hat ein Asthma-Sauerstoffgerät, geht am Rollator. In ihrem Wahllokal, dem Eckener-Gymnasium, wurde sie von der hohen Treppe gebremst. So lief sie langsam weiter zur Schule in der Machonstraße, wo sie schon mal wählte. Dort hieß es: Sie dürfen hier nicht wählen, Sie können höchstens ins Rathaus Tempelhof oder bis 15 Uhr noch einen Briefwahl-Bevollmächtigten bestimmen. Ins Rathaus kommt sie aber nicht, der U-Bahnzugang dorthin ist nicht behindertengerecht. Dorothea Ruf ärgerte sich sehr, fühlte sich behindert. Beim Landswahlleiter hieß es, der Hinweis zur Barrierefreiheit stand auf der Wahlbenachrichtigung, die Frau hätte sich früher um Briefwahlunterlagen kümmern müssen. Frau Ruf wollte aber wählen gehen. Bei ihrem Mann, Rollstuhlfahrer, zeigten sich die Behörden schon mal flexibler: Da fuhr ein Wahlbüromitarbeiter mit ihm draußen in die Büsche, Raymund Ruf machte dort unbeobachtet sein Kreuz.

13.34 Uhr: 
Auf der Internetseite Wahlstreet.de sind die Kurse von CDU und SPD am letzten Handelstag im Vergleich zum Vortag fast unverändert und nur leicht gefallen. FDP, Grüne und Linke konnten leicht zulegen. Auf Wahlstreet.de kann, ähnlich wie an der Börse, mit den prozentualen Stimmanteilen von Parteien bei der Bundestagswahl spekuliert werden. Es wird mit echtem Geld gehandelt. Die Analyse finden Sie hier.

13.09 Uhr:  Die Twitterbekenntnisse laufen ein, denn auch das Netz geht wählen. Mario Sixtus, einer der meistgelesenen deutschen Blogger und Mikroblogger, bekennt sich via Twitter aus Düsseldorf zu seiner wenig überraschenden Wahl.

13:05 Uhr: Neues von den vertauschten Wahlzetteln: Stimmzettel aus dem Wahlkreis Spandau/Charlottenburg-Nord wurden fälschlich in Charlottenburg-Wilmersdorf ausgegeben. Einem Wähler in einem Wahllokal am Breitenbachplatz fielen die falschen Namen auf. Laut dem zuständigen Wahlkreisleiter waren vier Wahllokale betroffen, angeblich seien aber nur um die zehn falsche Stimmzettel abgegeben worden. Die Zweitstimme gilt auch in diesen Fällen, die Erststimme allerdings wird als ungültig gewertet, weil die falschen Kandidaten darauf standen. Noch ist einiges unklar. Wir bleiben dran.

301647_0_79f447a8.jpg
Der Außenminister wählt. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und seine Ehefrau Elke Büdenbender gehen zu ihrem Wahllokal in Berlin.
© dpa

12.55 Uhr:

"Was ist denn hier los", stöhnt ein Mann Mitte/Ende 40, als er das Gymnasium in der Kuckhoffstraße in Pankow-Niederschönhausen betreten will. Er drängt sich an einer Schlange wartender Bürger vorbei und wirft einen Blick in das Wahllokal für den Wahlbezirk 216. "Ach, der kleine Gregor", sagt er und reiht sich mangels Alternative in die Schar der Wartenden ein. Gemeint ist der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi. Um ihn herum drängen sich Kamerateams, Reporter und Fotografen. Nein, er wisse auch nicht wie die Wahl ausgehe, sagt er in die eine Kamera. Ja, er sei froh, dass der Wahlkampf endlich vorbei sei, in die andere. Ja, alle Themen seien wahlentscheidend, sagt er noch, um sich dann schnell selbst zu korrigieren. "Nein, nicht alle, aber viele. Darf ich jetzt gehen?" Gysi setzt sich auf die Rückbank eines silbergrauen Audi und rauscht ab. Eine Rentnerin winkt ihm zu. Und strahlt übers ganze Gesicht.

12:40 Uhr: Wahlzettel vertauscht: In einem Wahllokal in Charlottenburg-Wilmersdorf wurden falsche Wahlzettel verteilt. Eine Sprecherin des Landeswahlleiters teilte mit, dass dort Stimmzettel eines anderen Wahlkreises mit anderen Kandidaten auftauchten. Das Problem sei schnell behoben worden. Was ist nun mit den schon abgegebenen Stimmen? Kreuze, die bereits auf den falschen Wahlzetteln abgegeben worden seien, müssten als ungültig gezählt werden, sagte die Sprecherin. Wie viele Stimmabgaben zur Bundestagswahl davon betroffen seien, konnte sie nicht sagen. Wir bleiben dran an dem Thema.

12:30 Uhr:
Im Volkspark Friedrichshain spult die Lycra-Fraktion wie jeden Sonntagvormittag und - mittag ihr Fitnessprogramm ab: Jogging, Walking, Skating und hier und dort ein bisschen Stretching. Ein Sportler fällt besonders auf, weil er ein leuchtend rotes T-Shirt mit der Aufschrift - nein, nicht Pumidas oder Nikebook -, sondern "Die Linke" trägt. Ein Wahlkämpfer auf der Suche nach der letzten Stimme? Sein Auftritt lädt gerade dazu ein, politische Spekulationen anzustellen: eine Runde rennt er rechts-, eine linksherum. Bei der  abschließenden Dehnübung macht er respektgebietende Ausfallschritte mal zur einen, mal zur anderen Seite. Logisch, denn in Sport und Politik kommt es auf  eines an: Flexibilität.

12:25 Uhr:
Ein bisschen Zahlenfutter: Die Wahllokale sind seit 8 Uhr und noch bis 18 Uhr geöffnet. Über 62 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, für die nächsten vier Jahre einen neuen Bundestag zu wählen. Es treten 27 Parteien und 3556 Kandidaten an, die um mindestens 598 Mandate kämpfen. Nur Parteien, die bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde überwinden oder mindestens drei Direktmandate erzielen, werden im Parlament vertreten sein. Rund 3,5 Millionen junge Wähler können in den 299 Wahlkreisen zum ersten Mal ihre Stimme abgeben.

12:15 Uhr:

Mit wenigen Ausnahmen geht das Spitzenpersonal der fünf im Bundestag vertretenen Parteien in Berlin ins Wahllokal. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier gab gleich am Morgen in Zehlendorf seine Stimme ab. Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast wählte in ihrem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg. Die CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte am Mittag in Berlin ins Wahllokal gehen, wie es hieß, ebenso Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. FDP-Chef Guido Westerwelle allerdings wählte am Morgen in Bonn.

12.03 Uhr:
Taktisch wählen: Im Wahllokal im Kiez am Winterfeldtplatz blieb es dagegen am Vormittag zunächst eher ruhig. Die erfahrenen Wahlhelferinnen wissen, woran das liegt: "Das läuft bei uns immer in Schüben. Nach dem Mittagessen geht es richtig los. Und dann wieder nachmittags, nach dem Kaffeetrinken." Hinzu kommt heute: "Bei so schönem Wetter kommen dannn immer sehr viele um kurz vor sechs." Das gemeinsame Mittagessen, die Kaffeetafel oder der Sonntagsausflug: auch - oder gerade - im rosa-bunten Schöneberger Kiez bleiben bürgerliche Rituale erhalten.

12.00 Uhr: Viel Wahlverkehr: Viel Andrang gab es gleich am Vormittag in der Dunckerstraße. Vor dem Wahllokal in einer liebevoll sanierten Schule sind die massiv-kunstvollen Fahrradständer gut gefüllt. Die ebenso teuren Fahrräder, viele davon Kinderfahrräder, glänzen in der Sonne. Die Bürger von Prenzlauer Berg kommen mit ihrem Nachwuchs ihrem Wahlrecht vor dem Sonntagsausflug nach. Die Wahlhelfer haben kaum Zeit durchzuatmen.

11.30 Uhr: Schlange stehen bei Wahlen? Lange nicht erlebt in Zeiten stetig sinkender Wahlbeteiligung. Am späten Vormittag musste man in der Menzel-Oberschule in Tiergarten gleichwohl anstehen zum Urnengang. Überraschend das Altersspektrum in der Schlange, neben etlichen jungen Leuten, manche noch spätsommerlich cool in Shorts gekleidet, waren auch viele ältere und behinderte Wähler mit Krücken und anderen Gehhilfen zum Wahllokal gekommen. Offensichtlich war der strahlende Sonnenschein ein Wählmotivator, und die Wahlen selbst bildeten einen willkommenen Grund, die Wohnung mal für eine Weile zu verlassen.

11 Uhr: Die Wahllokale in der Gustav-Dreyer-Grundschule in der Hermsdorfer Fichtestraße liegen nicht in der Nähe einer Kirche. Trotzdem ist der starke Wählerandrang gegen 11 Uhr wie nach dem Morgengottesdienst. Aber das liegt wohl eher daran, dass die Menschen eben gerne am Sonntag länger schlafen und man nach dem Frühstück wählen geht - damit man anschließend den schönen Spätsommertag im grünen Norden noch bei einem ausführlichen Spaziergang nutzen kann...

9.00 Uhr: Auf der Suche nach dem richtigen Wahllokal irrt ein Mann am Morgen durch Prenzlauer Berg. Die Wahlbenachrichtigung ist verloren gegangen. Das ist eigentlich kein Problem, auch ohne darf man wählen, es reicht der Personalausweis. Welches Wahllokal das richtige ist, wissen die Wahlhelfer in jedem beliebigen Wahllokal. Also einfach auf Verdacht Schulen, Kitas und andere öffentliche Gebäude in der Nachbarschaft abklappern - oder freundliche Nachbarn auf der Straße fragen.

Ganz, ganz früh (Nachtrag): Für diesen Morgen hat sich die Joggerin eine besondere Route ausgesucht: den "election run" - ihre Runde zum Wahllokal. Neben Schlüssel, Pulsuhr und iPod hat sie deshalb noch Personalausweis, Wahlbenachrichtigung und Lesebrille dabei. Zwischendurch überkommen sie leichte Zweifel, ob es mit der Würde des Wählens überhaupt vereinbar ist, locker im Joggingdress dort einzulaufen. Der Vater ging schließlich immer in Anzug und Krawatte wählen, die Mutter selbstverständlich im Kostüm. Um wenigstens nicht völlig verschwitzt dort anzukommen, lief sie nur im "Muttitrab", in leichtem Tempo also. Um kurz nach acht ist sie an ihrem Wahllokal in einer Mariendorfer Grundschule, aber nicht als erste. Ihre Sorgen wegen angemessener Kleidung sind unbegründet. Gerade kommen zwei wohlbeleibte Männer aus dem Raum - im Jogginganzug.

Mitarbeit: Bi, CS, ctr,
gn, Ha, ide, J.O, kög, ling, lvt, pht, sib, sik, tig, wvb.
Mit ddp, dpa

Zur Startseite