Silvio Berlusconi: Der lange Abschied des Cavaliere
Wieder hat ein Gericht über Silvio Berlusconi entschieden, und wieder ist noch immer nichts entschieden. Auch die italienische Opposition hat ihre Gründe, warum sie nicht schärfer gegen den früheren Staatschef vorgeht.
Die Mühlen der Justiz mahlen langsam: Dass das Mailänder Appellationsgericht am Samstag über Silvio Berlusconi ein zweijähriges Verbot für die Ausübung politischer Ämter und eine zweijährige Sperre des aktiven und passiven Wahlrechts verfügte, finden Berlusconis Anwälte „exzessiv“ und „gegründet auf ein sowieso falsches, ungerechtes Urteil“. Denn der in wenig mehr als zwei Stunden abgeschlossene Prozess war die Folge einer Entscheidung der italienischen Höchstrichter. Sie hatten den Fernsehunternehmer – nicht den Politiker – Berlusconi wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt; sie befanden aber das von unteren Instanzen verhängte fünfjährige Ämterverbot für zu lang. Deshalb musste das Appellationsgericht nachsitzen.
Berlusconis Anwälte legen Revision ein
Berlusconis Anwälte wollen jetzt erneut vors Kassationsgericht ziehen – mit der Folge, dass für den schillernden Politiker vorerst gar nichts passiert: Die Höchstrichter werden es aufgrund chronischer Arbeitsüberlastung erst im Januar oder Februar 2014 schaffen, sich erneut mit dem Fall zu beschäftigen. Silvio Berlusconi kann bis dahin Parlamentsabgeordneter bleiben – zumal sich auch auf der zweiten Schiene bis auf weiteres nichts bewegt: Aufgrund einer anderen, nicht strafrechtlichen Norm, nach welcher niemand Volksvertreter sein darf, der zu zwei Jahren Haft oder mehr verurteilt ist, müsste der Senat den Abgeordneten Berlusconi vor die Tür setzen. Der entsprechende Ausschuss vertagt sich aber aus formalen Gründen immer wieder; selbst der Opposition ist offenbar nicht an einer zügigen Entscheidung gelegen.
Opposition meidet Polemik gegen Berlusconi
Hintergrund sind nicht nur Berlusconis fortgesetzte Drohungen, die Koalition platzen zu lassen, sondern auch unklare Strömungen in der Opposition selbst. So hoffen etwa Christdemokraten und Zentristen, mit Überläufern aus Berlusconis eigener Partei eine neue, eigenständige politische Formation im Parlament aufbauen zu können. Aus „Werbegründen“ vermeiden sie folglich jede Polemik gegen Berlusconi und wollen sich nicht auf das – rechtlich eigentlich verpflichtende – Votum gegen diesen festlegen. Den Ausschluss Berlusconis aus dem Senat muss in letzter Instanz das Senats-Plenum beschließen. Das Thema sollte längst auf der Tagesordnung sein, ist derzeit aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Ebenso bleibt – auf der gerichtlichen Schiene wiederum – offen, wann Berlusconi seinen „Sozialdienst“ zur Verbüßung der einjährigen Reststrafe antreten muss. Auch die Entscheidung darüber wird wohl mindestens bis Frühjahr auf sich warten lassen. Im Sommer war der 77-Jährige wegen Steuerbetrugs in letzter Instanz zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Infolge einer Amnestie war die Strafe auf ein Jahr reduziert worden.
Berlusconi sieht sich als Opfer der Justiz
Nach dem jüngsten Urteil stärkten Berlusconis Parteifreunde dem „Cavaliere“ den Rücken. „Ich habe mit Berlusconi gesprochen und unser Anführer ist stark und entschlossen wie immer“, sagte der Chef von Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL), Vize-Regierungschef Angelino Alfano. PdL-Senator Renato Schifani bezeichnete das Berufungsurteil als „neuesten Mosaikstein“ bei dem Versuch, den „Anführer von zehn Millionen Italienern von der politischen Bühne zu entfernen“. Dieser Versuch werde „scheitern“. In dem Verfahren ging es um Steuerbetrug bei Berlusconis Medienkonzern Mediaset. Dieser soll Schwarzgeldkonten im Ausland unterhalten und Preise für Filmübertragungsrechte künstlich in die Höhe getrieben haben.
Überdies steht Berlusconi in mehreren weiteren Fällen vor Gericht. Unter anderem wird ihm Sex mit einer Minderjährigen vorgeworfen. Zwar hat ihn ein Gericht in der sogenannten „Bunga-Bunga-Affäre“ schuldig gesprochen, Berlusconi hat jedoch Berufung eingelegt. Er weist die Vorwürfe zurück und hat sich selbst als Opfer einer Justizkampagne bezeichnet. mit AFP
Paul Kreiner