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Wo Chinesen und Russen Nachbarn sind. Im Matrjoschka Theme Park von Manzhouli an der Grenze der Inneren Mongolei zu Transbaikalien.
© Getty Images

Zwischen Russland und dem Westen: Der lächelnde Dritte

Warum sich China in der Ukrainekrise vorerst auf keine Seite schlagen wird. Ein Gastbeitrag.

Minxin Pei ist Professor für Governance am Claremont McKenna College und Senior Fellow des German Marshall Fund of the United States. Copyright: Project Syndicate, 2022, www.project-syndicate.org

Peking mag 6500 Kilometer von der ukrainischen Hauptstadt Kiew entfernt liegen, geopolitisch geht es für China in der eskalierenden Krise aber um sehr viel. Falls Russland in die Ukraine einmarschiert und einen anhaltenden Konflikt (wenn auch wahrscheinlich keine direkte militärische Konfrontation) mit den USA und ihren westlichen Bündnispartnern auslöst, kommt das natürlich China zugute. Amerika müsste strategische Ressourcen für die Eindämmung Russlands einsetzen, und seine europäischen Verbündeten stünden den Bitten der USA, ihrer Anti-China-Koalition beizutreten, noch skeptischer gegenüber als ohnehin.

Entschärft US-Präsident Joe Biden die Krise jedoch, indem er den Forderungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin wenigstens zum Teil nachgibt, steht China strategisch vermutlich schlechter da als vorher. Wenn Putin die Früchte seiner Drohdiplomatie erntet und Biden ein potenzielles Desaster in Osteuropa vermeidet, rückt China wieder ins Zentrum der nationalen Sicherheitsstrategie der USA.

Und das ist noch nicht alles. Nachdem Putin die obsessive Beschäftigung der USA mit China geschickt dazu genutzt hat, die Einflusssphäre Russlands zu stärken, verliert China den Großteil seines strategischen Werts für Russland.

Risiko von Aufständischen

Putin setzt Bidens Angst, in einen Konflikt mit einem zweitrangigen Gegner (Russland) gezogen zu werden, als Hebel ein, um entscheidende Sicherheitsgarantien zu erzwingen. Den Einmarsch in die Ukraine zu befehlen – und sich damit zumindest kurzfristig selbst zum wichtigsten geopolitischen Gegner Amerikas zu befördern – liegt dagegen kaum im Interesse des Kreml. Verheerende Sanktionen des Westens und die hohen Kosten eines Kampfes gegen Aufständische in der Ukraine würden Russland entscheidend schwächen.

Obwohl China in der Ukrainekrise also einiges zu verlieren hat, achtet die Regierung penibel darauf, sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Während die zunehmenden Spannungen in den westlichen Medien für Schlagzeilen sorgen, wird die Ukraine in der offiziellen chinesischen Presse kaum erwähnt. Zwischen dem 15. Dezember (dem virtuellen Gipfel zwischen Putin und Xi) und dem 24. Januar diesen Jahres brachte „Renmin Ribao“, das offizielle Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, nur einen Artikel über die Krise – eine Meldung über die ergebnislosen Gespräche zwischen Russland und den USA und seinen NATO-Bündnispartnern Mitte Januar.

Aufschlussreich: In der vom Kreml veröffentlichten Zusammenfassung des Gipfeltreffens wird behauptet, Xi unterstütze Putins Forderungen nach Sicherheitsgarantien des Westens, die eine weitere Osterweiterung der NATO ausschließen, wohingegen dies von der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua nicht erwähnt wird.

Vage Floskeln

Xis Erklärung war keine ausdrückliche Billigung von Putins Position, sondern eine vage Floskel, „sich bei Themen, die die jeweiligen Kerninteressen berühren, gegenseitig zu unterstützen“.

Dieses Muster wiederholte sich in dem Gespräch zwischen dem chinesischen Außenminister Wang Yi und seinem amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken am 27. Januar. Westliche Medien interpretierten Wangs Äußerungen zur Ukraine als Unterstützung für Putin. Tatsächlich beanspruchte Wang für China konsequent eine reine Zuschauerrolle.

Die chinesische Zurückhaltung zeigt, dass Xi keinerlei Risiken eingehen will. Natürlich ist Putins aggressive Diplomatie, zumindest kurzfristig, im Interesse Chinas. Da Xi aber wohl nicht weiß, was der Kreml wirklich für die Ukraine plant, ist er klug genug, sich ebenfalls bedeckt zu halten.

Mit einer unzweideutigen chinesische Unterstützung für Putin würde sich das Land selbst in eine Ecke manövrieren. Lässt sich Putin von China zu einem Krieg ermutigen, könnten bestimmte Kreise in Moskau dies im schlimmsten Fall als diabolischen chinesischen Trick interpretieren, der Russland zu einer strategischen Spielfigur im Kalten Krieg zwischen China und Amerika degradiert. Akzeptiert Putin dagegen kleine Zugeständnisse, stünde China wie ein Idiot da.

Angst vor einer Anti-China-Koalition

Die chinesische Führung weiß auch genau, dass sie mit einer ausdrücklichen Unterstützung Putins die Europäische Union vor den Kopf stoßen würde, die Chinas zweitgrößter Handelspartner ist. Ihrem strategischen Kalkül zufolge muss unbedingt verhindert werden, dass Amerika die EU für ihre Anti-China-Koalition gewinnt.

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Die EU könnte China etwa bestrafen, indem sie den Austausch von Technologien beschränkt und Taiwan diplomatisch stärker unterstützt. Besonders die osteuropäischen EU-Mitglieder haben weniger Handelsverbindungen mit China und fühlen sich durch Russlands aggressives Auftreten am stärksten bedroht. Aus diesem Grund könnten sie viel einfacher die Taiwan-Karte gegen China ausspielen.

Chinas Einfluss wird nur dann dramatisch wachsen, wenn Putin es darauf ankommen lässt und die Ukraine besetzt, weil er dann die wirtschaftliche Unterstützung Chinas bräuchte, um die Folgen westlicher Sanktionen abzumildern. Für Xi ist das bisher jedoch reine Spekulation.

Die Supermacht China ist zum Zuschauen verurteilt und muss den Ausgang der Ukrainekrise gleichzeitig besorgt und hoffnungsvoll abwarten.

Minxin Pei

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