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Der Imam des Pariser Vorortes Drancy, Hassen Chalghoumi, gedachte beim Freitagsgebet des ermordeten Lehrers Samuel Paty.
© Charles Platiau/ REUTERS

Der andere Islam in Frankreich: Der Imam von Drancy ist liberal und versöhnlich

Hassen Chalghoumi predigt einen toleranten, liberalen Islam. Dafür wird er in Frankreich gefeiert - aber auch angefeindet. Ein Porträt.

Der Iman von Drancy ist in Frankreich eine Berühmtheit. Hassen Chalghoumi, geboren 1972 in Tunis, ist das Gesicht eines versöhnlichen Islams, ein „Vorzeige-Imam“. Der muslimische Geistliche aus dem Vorort von Paris ist gegen den Ganzkörperschleier und macht sich für die Gleichstellung der Frau stark. Chalghoumi setzt auf religiöse Toleranz und einen Dialog zwischen Islam, Christentum und Judentum. So nahm er auch an einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Holocaust in Drancy teil. In den französischen Medien und in der Politik ist der Imam ein vielgefragter Gesprächspartner. Seine Versöhnungsversuche wurden allerdings von vielen Moslems kritisiert.

Chalghoumi setzte sich 2010 öffentlich für ein totales Verbot der Burka in der Öffentlichkeit ein. Er sprach von einem „Gefängnis für Frauen“. Für seine Ansichten eines modernen, aufgeklärten Islam bekam er Morddrohungen und wurde unter Polizeischutz gestellt. Auch mit Reaktionen auf die islamistischen Terroranschläge in Frankreich hält er sich nicht zurück. Er führte nach dem Amoklauf in Toulouse im März 2012, bei dem drei jüdische Schulkinder und ein Rabbiner getötet wurden, einen Solidaritätsmarsch muslimischer Geistlicher an.

Chalghoumi verurteilte auch den Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 scharf. Die Täter hätten „ihre Seele der Hölle“ verkauft. Sie handelten nur im Hass. Schon von zehn Jahren betonte er, der wahre Feind des Islams sei der „Radikalismus“. Zusammen mit 30 muslimischem Geistlichen unternahm er vor einigen Jahren einen „Marsch der Muslime gegen den Terrorismus“ durch ganz Europa.

Religiös, aber liberal - so beschreibt er seine Familie

Der Sohn eines Tierarztes aus Algerien und einer Tunesierin beschrieb seine eigene Familie als „religiös, aber liberal“. Seine fünf Kinder gehen in Frankreich auf eine katholische Schule, erzählte er einmal. Im Jahr 1996 war er nach Frankreich gekommen und predigte in Immigrantenunterkünften. Vier Jahre später wurde er Franzose.

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Tunesien hatte er 1992 verlassen und war nach Syrien, Pakistan und in die Türkei gegangen, besuchte dabei auch fundamentalistische Koranschulen. Es gibt Spekulationen darüber, dass er in der Zeit radikaler war. Er selbst erklärte aber: „Ich war nie Fundamentalist.“ Er trage keinen Bart und begrüße Frauen mit Handschlag.
Der Iman bezeichnet sich als „moderaten“ Moslem und „Republikaner“. Nach dem Anschlag auf den Geschichtslehrer Samuel Paty kritisierte er – zusammen mit etwa zehn weiteren Imamen: „Islamismus ist eine Krankheit des Islam, die man bekämpfen muss.“ In der moslemischen Welt ist er auch deshalb umstritten – auch weil er als Liebling westlicher Politiker und Medien gesehen wird.

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