Leiharbeit und Billiglöhne: Der Heinrich-Böll-Stiftung werden prekäre Arbeitsbedingungen vorgeworfen
Drei Mitarbeiter haben Klage auf Festanstellung bei der grünen Heinrich-Böll-Stiftung eingereicht. Die kleine Gewerkschaft FAU kämpft mit ihnen für bessere Arbeitsbedingungen. Für die Grünen kommt der Konflikt ungelegen.
Um eine gerechte Arbeitswelt geht es den Grünen. Damit wollen sie im Wahlkampf punkten und am 22. September viele Stimmen einheimsen. Doch ausgerechnet ihre Parteistiftung könnte dabei zum Problem werden. Mitarbeiter, die über eine Leiharbeitsfirma vermittelt wurden, berichten von prekären Arbeitsbedingungen bei der Heinrich-Böll-Stiftung, von Drangsalierungen, enormem Druck – und Lohndumping. Drei von ihnen haben nun sogar eine Klage auf Festanstellung eingereicht. Unterstützt werden sie von der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU), die schon seit einer Weile mit verschiedenen Aktionen gegen die Stiftung und für bessere Bedingungen kämpft.
Einer der Kläger ist Michael R., der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Fünf Jahre lang erledigte er für die Böll-Stiftung nach eigenen Angaben Um-, Auf- und Abbauarbeiten bei Konferenzen. Dafür erhielt er acht Euro pro Stunde, sagt er. Weniger Geld also, als ihm bei einer direkten Beschäftigung zustünde, erklärt die FAU. In der Tat klingen acht Euro bescheiden für eine Organisation, deren nahe stehende Partei gerade heftig für einen Mindestlohn von 8,50 wirbt. Michael R. störte sich aber nicht nur der geringen Bezahlung, sondern auch an den Umgangsformen. „Der Ton war harsch“, erzählt er. „Außerdem musste ich sehr flexibel sein, weil ich oft spontan einberufen wurde. Schwere Umbauarbeiten musste ich teilweise allein absolvieren.“
Der Prozess beginnt am 5. September
Die Firma Xenon, die Michael R. und 19 andere als Aufbauhelfer an die Böll-Stiftung vermittelte, möchte sich mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren, nicht zu Vorwürfen äußern. Der Prozess vor dem Arbeitsgericht am Magdeburger Platz in Berlin-Schöneberg beginnt am 5. September – aus wahlkämpferischer Sicht ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt.
Und so ist die Angelegenheit den Grünen auch unangenehm. „Wir wollen prekäre Beschäftigung eindämmen, den Mindestlohn einführen und den Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen auf das Notwendige beschränken“, sagte Brigitte Pothmer, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. „Deswegen bin ich natürlich über die Vorwürfe gegen die Stiftung nicht glücklich.“
Die Böll-Stiftung selbst verweist darauf, dass sie keinen Einfluss darauf habe, wie externe Dienstleister ihre Mitarbeiter bezahlen. Xenon hatte für die Tätigkeiten bei der Stiftung über eine Ausschreibung den Zuschlag erhalten. Und dabei ginge es eben „ganz klar nach wirtschaftlichen Kriterien“, sagt Annette Maennel, die bei der Stiftung die Öffentlichkeitsarbeit verantwortet. Zudem ließen sich „die oppositionellen Forderungen nicht eins zu eins umsetzen, solange sie keine Gesetze sind“. Auf Drittfirmen müsse man zurückgreifen, weil bestimmte Tätigkeiten zu unregelmäßig gebraucht würden.
Auch andere Stiftungen leihen Arbeit
Es ist keine Seltenheit, dass Parteistiftungen externe Dienstleister engagieren. Auch bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung oder der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung ist das der Fall. Beide betonen allerdings, dass bei der Vergabe an Dritte auf eine Entlohnung nach Tarif geachtet werde.
Nicht zu den Arbeitsverhältnissen äußern möchte sich die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Die linke Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigt nach eigenen Angaben bei einzelnen Veranstaltungen Honorarkräfte für 12 Euro pro Stunde. Greift sie auf Drittfirmen zurück, müssen diese „bei Ausschreibungen explizit bestätigen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die geltenden Tarif- beziehungsweise Mindestlöhne zu zahlen“, heißt es.
Die Proteste gehen weiter
Aber auch die Böll-Stiftung hat sich inzwischen bewegt. Seit August setzt sie keine Aufbauhelfer mehr von der Firma Xenon ein. Während die FAU das als Rauswurf und direkte Reaktion auf ihr gewerkschaftliches Engagement wertet, betont die Stiftung, dass der Vertrag regulär ausgelaufen sei und die Tätigkeiten neu ausgeschrieben werden. Die Grüne Arbeitsmarktexpertin Pothmer sagt: „Es ist richtig, dass die Stiftung den Vorgang zum Anlass nimmt, Alternativen zur Vergabe von Dienstleistungen nach außen zu prüfen.“
Ihre Partei dürfte die Sache dennoch weiter beschäftigen. Denn Michael R. und die FAU werden so schnell nicht aufgeben, kündigen sie an. Zum Prozessbeginn soll es wieder Proteste der Gewerkschaft geben - unter anderem eine Aktionswoche. Unter dem Motto: „Schluss mit Outsourcing bei der grünen Heinrich-Böll-Stiftung! Für die Wiedereinstellung aller KollegInnen!“