Ex-Terroristin der RAF vor Gericht: Der halbe Weg der Verena Becker
Das Ex-RAF-Mitglied gibt zu, dass sie die Pläne zum Attentat auf Generalbundesanwalt Buback kannte. Die Namen der Mörder nennt sie allerdings nicht. Auch auf viele andere Fragen bleibt Becker Antworten schuldig.
Es ist der 88. Verhandlungstag, mehr als 150 Zeugen sind gehört, unzählige Dokumente verlesen und Bilder gesichtet worden. Trotzdem ist es kein Tag wie jeder andere. Die Verteidigung der Ex-Terroristin Verena Becker hatte angekündigt, ihre Mandantin wolle sich erstmals äußern, und damit hohe Erwartungen geweckt. Wird sie sagen, wer vor 35 Jahren auf den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback schoss und ihn und seine beiden Begleiter tötete? Wird sie als erste Ex-RAFlerin das Schweigen um die ungeklärten Attentate der Gruppe brechen?
Es ist ihr Recht, sich zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens zu erklären. Sie hat einen späten gewählt, die Plädoyers sind geplant, Ende Juni könnte es ein Urteil geben. Sie nimmt die Sonnenbrille ab, die sie aus gesundheitlichen Gründen tragen soll, räuspert sich und wendet sich an den Sohn des Opfers. „Diese Erklärung gilt nicht Ihnen persönlich, sondern dem Gericht.“ Damit ist der wesentliche Akzent gesetzt: Wer Entschuldigungen, Reue oder zumindest eine Erklärung erhoffte, würde enttäuscht sein. „Ich muss mich verteidigen. Ohne falsche Behauptungen wäre die Anklage gegen mich nicht möglich gewesen.“ Sie habe sich nicht versteckt oder in Schweigen geflüchtet. „Seit Mitte der 80er Jahre bin ich meinen eigenen Weg gegangen.“ Was sie damit meint, deutet sie zumindest an: Nachdenken über die blutige Geschichte der RAF. Ihre Geschichte. Aufzeichnungen dazu hatten die Ermittler bei ihr gefunden.
Buback war am Gründonnerstag 1977 vom Sozius eines Suzuki-Motorrads erschossen worden. Becker wurde später festgenommen, die Tatwaffe trug sie bei sich. Sie wurde verurteilt, aber nie wegen des Mordes an Buback. Nun glaubt sie, nur falsche Anschuldigungen wie die ihres Exgenossen Peter-Jürgen Book und anderer Zeugen hätten ihr die Anklage wegen Mittäterschaft eingebracht.
Becker war nach der Berliner Lorenz-Entführung freigepresst und in den Jemen ausgeflogen worden. Die folgende Zeit will sie in einem Palästinensercamp verbracht haben, nach Deutschland sei sie zunächst nicht zurückgekehrt, sagt sie am Montag. In Karlsruhe sei sie bis zu ihrer Festnahme nie gewesen. Ende 1976 habe man bei einem Gruppentreffen im Harz über Buback gesprochen, aber sie habe sich „in keiner Weise hervorgetan“; man sei „vom Bedürfnis geleitet“ gewesen, etwas für die RAF-Inhaftierten in Stammheim zu tun.
Ihre Aufgabe sei gewesen, die Kontakte nach Nahost zu halten. „An konkreten Anschlagsplänen war ich nicht beteiligt.“ Ende ’76 hätten die Kommandoteilnehmer noch nicht festgestanden, aber: „Ich war nicht vorgesehen.“ Bei einem nach Auffassung der Ankläger entscheidenden Treffen Anfang 1977 in Holland sei sie dabei gewesen, will es aber vorzeitig verlassen haben. Im März sei sie in den Nahen Osten zurückgekehrt. Ohne Wissen, dass Buback ermordet worden war, sei sie am Tag nach der Tat nach Rom gereist. Hätte sie davon gewusst, sagt sie, wäre sie später gekommen; dann wäre das Festnahmerisiko geringer gewesen.
Zeugenaussagen, sie sei zuvor in Deutschland oder Karlsruhe gesehen worden, seien falsch; Zeugen seien leicht zu manipulieren oder könnten irren. Die Bekennerbriefe für das Attentat verschickt zu haben, gibt Becker zu – es wurden daran auch ihre DNA-Spuren gefunden. Auch habe sie die Tatwaffe in ein Depot bringen sollen. Den Exterroristen Boock, den Kronzeugen der Anklage, stellt sie aber als Lügner dar. Weder habe sie ihn im Jemen empfangen noch könne sie, wie er behaupte, Motorrad fahren.
Diese Erklärung sei alles, was sie nach außen zu verantworten habe. Ihr Inneres folge Gedanken, die sich Außenstehenden nicht erschließen müssten, sagt die Frau, die sich seit Jahren mit chinesischer Orakellehre beschäftigt. „Damit ist das, was ich selbst hier sagen will, gesagt.“
Bundesanwalt Walter Hemberger wirft Becker daraufhin vor, sie habe „nur den halben Weg beschritten“. Ihre Aussage sei an die bisherigen Beweisergebnisse angepasst, wenngleich sich Spekulationen, sie selbst habe geschossen, nun „endgültig erledigt“ hätten. Auffällig sei, was die Angeklagte nicht gesagt hätte: „Ihr Schweigen zeigt, dass Sie wissen, wer es war.“ Sie hätte den Opfern weiterhelfen können, aber habe es nicht getan.
Auch Michael Buback dringt weiter auf Antwort. Wer hat ihr die Tatwaffe gegeben? Woher hatte sie den Suzuki-Schraubenschlüssel, der im Bordset des Motorrads fehlte? „Ich empfinde die Erklärung in allen Punkten als völlig unzureichend.“
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