Nach Charlottesville: Der General wird vom Sockel gestoßen
Es gibt in den USA rund 1500 Gedenksymbole für die Befürworter der Sklaverei. Jetzt wird gestritten, ob sie stehen bleiben sollen.
Es ist kein Zufall, dass sich die tödliche Gewalt in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia voriges Wohnende an Plänen zur Entfernung eines Denkmals für den Bürgerkriegs-General Robert E. Lee entzündet hat. Für rechtsgerichtete Gruppen und Südstaaten-Romantiker symbolisiert Lee den noblen Kampf gegen einen übermächtigen Feind. Die geplante Entfernung des Denkmals ist für sie eine Kapitulation vor einem Zeitgeist, in dem die Weißen zunehmend unterdrückt werden.
Der Bürgerkrieg ist ein Trauma
Nach dem Willen der Verwaltung von Charlottesville soll die Reiterstatue aus dem Jahr 1924 verkauft und abgebaut werden. Rechtsgerichtete Gruppen haben dagegen geklagt; ein Urteil steht noch aus. Der Park, in dem das Monument steht, wurde jedoch bereits von „Lee Park“ in „Emancipation Park“ umbenannt – „Park der Sklavenbefreiung“. Das Vorgehen der Stadt ist Teil der Bestrebungen in Kommunen im ganzen Süden der USA, Denkmäler von Südstaaten-Generälen und -Politikern aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Auch in New York sollen Büsten von Lee entfernt werden.
Ein Auslöser der Bewegung war das Massaker von Charleston in South Carolina, bei dem ein weißer Rechtsextremist vor zwei Jahren neun schwarze Kirchgänger erschoss. Der Mörder posierte mit der Flagge der Südstaaten-Konföderation aus dem Bürgerkrieg von 1861 bis 1865. Die Flagge wird seitdem nicht mehr auf staatlichen Gebäuden in South Carolina gehisst. In anderen Gegenden wurden Denkmäler aus Parks von Städten geholt, die nicht mehr länger Vertreter der Sklavenhaltung heroisieren wollten. Im Süden ist der Bürgerkrieg ein Trauma und die Niederlage der sklavenhaltenden Südstaaten gegen den industrialisierten Norden nicht verwunden. Viele Menschen sind überzeugt, dass dem Süden damals großes Unrecht angetan wurde und dass die Region nach dem Krieg vom Norden gedemütigt und ausgebeutet wurde.
"Stolz des Südens"
General Lee versinnbildlicht für diesen Teil der Gesellschaft den gerechten, wenn auch am Ende vergeblichen Kampf der Südstaaten gegen den weit überlegenen Norden. Er verkörpert den „Stolz des Südens“, eine Mischung aus Trotz, Opferrolle, Ehrgefühl und Selbstgerechtigkeit. US-Rechtsextremisten und -Rassisten benutzen diese Emotionen und übertragen sie auf ihr eigenes Hauptthema: die angeblich zunehmende Benachteiligung von Weißen. Deshalb wurde Charlottesville am Wochenende zum Mekka von Neonazi-Gruppen und dem Ku-Klux-Klan.
Lee galt als militärisches Genie. Zu Beginn des Bürgerkrieges war ihm ein hoher Posten in der Armee des Nordens angeboten worden, was er aber ablehnte. Der aus Virginia stammende General führte stattdessen die Armee der Südstaaten-Konföderation mit einem solchen Geschick, dass der Norden trotz seiner militärischen und wirtschaftlichen Überlegenheit vier Jahre brauchte, bis er siegte. Noch während des Krieges wurde Lees Anwesen bei Washington in einen Soldatenfriedhof umgewandelt. Es ist der heutige Ehrenfriedhof der USA in Arlington südlich der Hauptstadt. Der General starb 1870 und wurde in Lexington in Virginia beigesetzt.
Ende der Heroisierung
Heute rütteln Historiker an lange vorherrschenden Meinungen über Lee. Der angebliche Held war ein überzeugter Anhänger der Sklaverei, die nach seiner Meinung für die Schwarzen besser war als die Freiheit. Zur Bestrafung seiner eigenen Sklaven ließ Lee die Opfer auspeitschen und anschließend Salzlake in die Wunden gießen. Bei seinen Feldzügen im Gebiet des Nordens wurden freie Schwarze festgenommen und zurück in die Sklaverei des Südens gebracht. Als General tolerierte er die Misshandlung von gefangenen schwarzen Soldaten des Nordens, berichtet das Magazin „Atlantic“ in einem Beitrag unter dem Titel „Der Mythos vom netten General Lee“.
Auch Lees Taten auf dem Schlachtfeld sind nicht mehr unumstritten. Militärexperten kritisieren, der General habe mit seinen Offensiven tief in das Territorium des Nordens die eigene Niederlage verschuldet. Die entscheidende Schlacht fand 1863 in Gettysburg in Pennsylvania statt, fast 300 Kilometer nördlich der Südstaaten-Hauptstadt Richmond. Lee verlor die Schlacht und schließlich den Krieg. Die Familie des Generals sieht durch den Nazi-Aufmarsch in Charlottesville den Ruf von Robert Lee zusätzlich gefährdet. Sein Urahn hätte die Umtriebe der Rechtsradikalen niemals geduldet, sagte Nachfahre Robert Lee V. dem Magazin „Newsweek“. Er befürwortet den Transport des Denkmals in ein Museum.