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Eine Frau besucht das Holocaust-Mahnmal in Berlin.
© REUTERS

Holocaust-Gedenktag: Der Frieden im Nahen Osten wartet

Das Gedenken an die Opfer des Holocaust ist wichtig. Auch beim neuen deutschen Außenminister Sigmar Gabriel liegt die Verantwortung, daraus eine bessere Zukunft zu schaffen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Was heißt eigentlich Gedenken? Wenn es aktiv ist, dann bedeutet es, sich zu besinnen, sich zu entsinnen, sich zu erinnern, auch in Erinnerung zu bringen, sich ins Gedächtnis zu rufen, sich zu vergegenwärtigen, was war. Und es bedeutet, auf der Grundlage im Gegenwärtigen weiterzudenken. Alles das hat Roman Herzog bedacht, der als Bundespräsident den Gedenktag an die Opfer des Holocaust einführte. Und heute ist er wieder, dieser Tag.

Fraglos ist er besonders wichtig für uns Deutsche. Wir denken zurück – und werden Jahr für Jahr daran erinnert, wie kurz die Zeit der Vernichtung von Millionen Juden doch zurückliegt, geschichtlich gesehen einen Wimpernschlag. Und wie staunenswert wir es stets aufs Neue finden könnten, finden sollten, dass Deutschland heute ein so geachtetes Mitglied der Weltgemeinschaft ist, dazu beachtet als eine Orientierungsgröße in Europa, ein Land, an dem sich andere Länder ausrichten.

Exakt an diesem Tag, dem des Staunens und der Dankbarkeit, dem Tag, der uns an unsere Verantwortung erinnert, wird ein neuer deutscher Außenminister ins Amt eingeführt. Die Aufgabe ist unverändert, allerdings doch immer wieder neu zu bewältigen: nicht nur Schaden vom Land abzuwenden, sondern übers Land hinaus zu wirken, so friedenserhaltend wie friedensstiftend wie möglich.

Frank-Walter Steinmeier ist in dieser Mission um die Erde gereist, umgerechnet zehnmal bis zum Mond. Er hat sich dabei ums deutsche Ansehen verdient gemacht und begleitend auch die Erinnerung an deutsche Schuld verblassen lassen. Dennoch ist sie gegenwärtig, allgegenwärtig. Zumal, wenn es um die Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten geht. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern flammt immer wieder auf. Da zur Lösung beizutragen, ist mehr als eine der Aufgaben – der Beitrag liegt in der deutschen Verantwortung.

Die Verantwortung liegt jetzt bei Sigmar Gabriel

Die übernimmt jetzt Sigmar Gabriel. Es wird Steinmeier schmerzen, dass die Zweistaatenlösung in seiner Amtszeit nicht vorangekommen ist, obwohl von ihr eine die ganze Region befriedende Wirkung ausgehen würde, mehr noch, die Welt auf den Frieden dort wartet. Der nächste Außenminister ist darum hier zweifach gefordert: weil es zum außenpolitischen Erbe gehört und weil eine Lösung unverzichtbar ist. Das ist eine ehrenwerte Aufgabe, für die kommenden acht Monate bis zur Wahl und auch darüber hinaus im Wissen um die Vergangenheit die Zukunft zu gestalten.

Besonders für Gabriel, der gegen seinen Nazi-Vater aufbegehrt hat und auch seinetwegen progressive Politik betreiben will. Eine Politik gegen alles Nationale, hier und darüber hinaus. Und gerade für Gabriel, der Israel unter Premier Benjamin Netanjahu so kritisch sieht, dass er ihm 2012 eine Apartheid-Politik gegenüber den Palästinensern vorwarf.

Wäre es doch nur so, dass der amerikanische Präsident den ihm zugetanen israelischen Premier überzeugen wollte, den Siedlungsbau einzustellen, so lange, bis die Palästinenser offiziell das Existenzrecht Israels anerkannt haben. Denn das ist es, was Netanjahu zur Voraussetzung erklärt hat. Der deutsche Außenminister in seiner verantwortungsvollen Position muss versuchen, in diesem Sinn auf die Palästinenser einzuwirken. Wenigstens das. Denn heute ist der Gedenktag. Ein besseres Morgen aber ist die Herausforderung. Unsere bleibende.

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