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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach dem EU-Videogipfel.
© REUTERS

Die EU und Corona: Der Flickenteppich Europa wird zum Problem

Kommissionschefin von der Leyen will in der Pandemie EU-Regeln für Reisende. Aber sie könnte an den Unterschieden in der Gemeinschaft scheitern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Die Tage werden wieder länger, und bei manchen reifen womöglich gerade schöne Urlaubspläne. Dazu passt aber leider eins nicht: Corona.

Die Virusvarianten verbreiten sich, nicht nur in Südafrika und Großbritannien, sondern auch in der EU. Wie soll die Gemeinschaft der 27 Staaten auf die Bedrohung reagieren, von der niemand genau sagen kann, wie sie sich bis zum Sommer entwickelt? EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat vorgeschlagen, dass von allen nicht unbedingt notwendigen Reisen innerhalb der EU „dringend abgeraten werden“ solle. Allerdings wirkt das eher wie ein hilfloser Appell.

Kein Beherbergungsverbot für Touristen in Frankreich

Man merkt schon an der Wortwahl der Kommissionschefin, dass es mit der Einschränkung der Reisefreiheit nicht so einfach ist in der Gemeinschaft. Denn unterschiedliche Länder machen unterschiedliche Vorgaben. In Deutschland gilt ein Beherbergungsverbot für Touristen, in Frankreich nicht. Europa gleicht nach wie vor einem Flickenteppich.

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Andererseits: Wenn schon innerhalb Deutschlands die Bundesländer unterschiedliche Corona-Regeln einführen, wie kann man dann ernsthaft Einheitlichkeit in Europa erwarten? Aber trotz aller Unterschiede in der EU nimmt die Kommission nun einen neuen Anlauf, damit die Reiselust demnächst nicht zu einer Explosion der Infektionszahlen führt. Dunkelrot sollen künftig auf den Reisewarnkarten der Stockholmer Gesundheitsagentur ECDC jene Regionen in der Gemeinschaft aufleuchten, in denen das Virus besonders stark verbreitet ist. Wer sich aus einer solchen Region zu einer Reise aufmacht, soll - so lautet der Plan - vorher einen Corona-Test machen. Eine vergleichbare Regelung gilt für Deutschland bereits. Ob sie europaweit umsetzbar ist, muss sich aber erst noch zeigen.

Einkaufstourismus an der deutsch-französischen Grenze

Den Praxistest muss auch das Vorhaben der Kommission bestehen, dass für Regionen entlang von Grenzen demnächst auf beiden Seiten möglichst einheitliche Lockdown-Standards gelten sollen. So lassen sich Grenzschließungen und ein Chaos wie zu Beginn der Pandemie im vergangenen Frühjahr vermeiden. Aber auch hier könnte der Corona-Alltag, um beim Beispiel Deutschlands und Frankreichs zu bleiben, den Brüsseler Plan vereiteln: Auf der deutschen Seite des Rheins sind die Schulen geschlossen, auf der französischen Seite geöffnet. Allerdings wäre schon viel erreicht, wenn der virusbefördernde Einkaufstourismus an der deutsch-französischen Grenze gestoppt würde. Der Binnenmarkt mitsamt den Grenzpendlern soll indes nicht gefährdet werden.

Merkel macht Vorgaben für einheitliche Lockdown-Regeln

Auch wenn von der Leyen, angetrieben von Bundeskanzlerin Angela Merkel, bei der Umsetzung einheitlicher Corona-Regeln in den Mitgliedstaaten möglicherweise nicht weit kommen wird, so kann sich die Kommissionschefin in der Pandemiebekämpfung doch einige Erfolge zugute halten. Der EU ist bei der gemeinsamen Impfstoffbeschaffung ein Quantensprung gelungen. Daran ändert auch die Kritik derjenigen nichts, die den relativ späten Vertragsabschluss mit dem Hersteller Biontech/Pfizer monieren. Denn unterm Strich hat Brüssel die Marktmacht der Gemeinschaft gerade auch zur Versorgung kleinerer Länder eingesetzt - beispielsweise zum Wohle ärmerer Staaten wie Portugal, wo derzeit die Pandemie besonders wütet.

Zunächst kein Freifahrtschein für Geimpfte

Auch bei der Diskussion über mögliche Vorteile für Geimpfte geht die EU strategisch klug vor. Ein EU-weites Zertifikat – ähnlich wie der Impfpass - soll eingeführt werden. Aber die Frage, ob sich Geimpfte mit dem Zertifikat gewissermaßen gleich auch einen Freifahrtschein in den Urlaub besorgen können, wurde vertagt. Tatsächlich stehen jetzt die Zeichen nicht auf Lockerung. Aber wenn die Impfkampagne vorankommt und eine Drosselung der Produktion wie im Fall von Biontech die Pläne zur Verabreichung der Vakzine kein zweites Mal durchkreuzt, wird die Debatte über mögliche Vorteile für Geimpfte ohnehin mit Macht zurückkommen.

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