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Die Aufarbeitung der NSA-Affäre ist längst nicht abgeschlossen.
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Update

NSA-Ausschuss: "Der Fehler liegt zu hundert Prozent beim BND"

Thomas de Maizière war über viele der Probleme in der Zusammenarbeit mit der NSA im Bilde. Mehrere Zeugen haben das im NSA-Untersuchungsausschuss bestätigt, auch der Geheimdienstbeauftragte Klaus-Dieter Fritsche.

Um den Jahreswechsel 2007/2008 machte der Chef der amerikanischen Geheimdienste, John McConnell, den Deutschen ein verlockendes Angebot: Er bot dem damaligen Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) an, die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und den amerikanischen Nachrichtendiensten auszubauen. De Maizière beriet sich mit seiner Fachabteilung und befragte den BND. Wie lief denn die Zusammenarbeit bisher?, wollte er wissen.

Wie konkret die Spitze des Bundeskanzleramts 2008 im Zuge dieser Überlegungen über Spähversuche der NSA in der bisherigen Zusammenarbeit mit dem BND informiert wurde und wer die politische Verantwortung dafür trägt, dass nicht eher etwas dagegen unternommen wurde, darum dreht sich der aktuelle Spionageskandal - und die Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses am Donnerstag. Befragt wurden der damalige Leiter der Geheimdienstabteilung des Bundeskanzleramts, Klaus-Dieter Fritsche, heute Geheimdienstbeauftragter, und Thomas de Maizière selbst. De Maizières Fazit nach drei Stunden Befragung: "Die Kernverantwortung liegt zu hundert Prozent beim mangelnden Meldeverhalten des BND."

Dass der heutige Bundesinnenminister über viele der Probleme in der Zusammenarbeit mit der NSA im Bilde war, darüber besteht kein Zweifel. Mehrere Zeugen haben das bestätigt, auch Fritsche. Strittig bleibt, wer im Kanzleramt auch vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage im engeren Sinne wusste. Der Innenminister wiederholte, was er bereits Anfang Mai gesagt hatte: Als Chef des Bundeskanzleramts habe er keine Kenntnis von den "Selektoren", den strittigen Suchbegriffen, erhalten. Und: "Mir lagen und liegen keine Informationen vor, dass US-Geheimdienste deutsche Unternehmen aufklären, um amerikanischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen."

Fest steht: Thomas de Maizière entschied sich Anfang 2008 gegen eine Ausweitung der Zusammenarbeit. Sowohl Fritsche als auch de Maizière sagten nun im Ausschuss, die Gründe für diese Entscheidung, seien vor allem industriepolitischer Natur gewesen. Man habe durch die technische Kooperation in der Erfassung von Internetdaten nicht eigene Entwicklungen in Europa verhindern wollen. Auch, dass es weiterhin technisch nicht zuverlässig möglich war, die Daten von Deutschen aus der Masse der erfassten Internetdaten herauszufiltern, habe eine Rolle gespielt. Zu jenem warnenden Vermerk des BND, der damals eine der Grundlagen für seine Absage gewesen sei, sagte de Maizière: "Aber wenn man das liest, auch mit der Brille von heute liest, steht da nicht drin, da waren lauter Übergriffe. Sondern eine Warnung vor mehr." Die Warnung des BND habe sich auf einen konkreten Fall bezogen, den de Maizière aus Gründen der Geheimhaltung aber nicht benennen konnte. Der Vorfall habe aber gezeigt, "dass die USA übergriffig werden können". "Da haben wir dann entschieden, das geht zu weit." Auf Selektoren bezog sich der Vermerk nicht, das bestätigten auch Abgeordnete aus den Akten im Zuge der Befragung.

Dem BND war nach bisherigen Erkenntnisse schon 2005 zum ersten Mal aufgefallen, dass die NSA in ihrer Zusammenarbeit mit dem BND Suchbegriffe verwendete, die mit deutschen Interessen nicht vereinbar sind. Im Jahr 2005 fielen die Begriffe "EADS" und "Eurocopter" auf. Im Jahr 2008 informierte der BND erstmals hochrangige Beamte im Bundeskanzleramt darüber, dass die NSA die Zusammenarbeit in Bad Aibling für Spionageaktivitäten nutzte, die nicht zu den Zielen des BND passten. 2013 erstellte der BND eine erste Liste mit strittigen Suchbegriffen, die Tausende Begriffe umfasste - die verantwortlichen Unterabteilungsleiter meldeten den Fund aber nie nach oben.

Dennoch hatte Ex-BND-Präsident Ernst Uhrlau, BND-Präsident von 2005 bis 2012, am vergangenen Donnerstag im Untersuchungsausschuss, erklärt "der Sachverhalt" sei im Bundeskanzleramt im Kern bekannt gewesen. Er bezog sich damit auf die Tatsache, dass die Amerikaner im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem BND eine "hidden agenda" verfolgten, also auch auf Spionageziele zielten, die nicht mit dem Kooperationsvertrag und auch nicht mit deutschen Interessen vereinbar waren. Uhrlau sagte, ob in seinen Gesprächen mit der Spitze des Kanzleramts auch von Wirtschaftsspionage die Rede gewesen sei, "sei einmal dahingestellt". Grundsätzlich aber sei der Minister informiert gewesen. Uhrlau sagte auch, er glaube sich zu erinnern, auch Fritsche 2008 in einem Vier-Augen-Gespräch informiert zu haben, blieb aber bei Andeutungen.

Konfrontiert mit der Aussage von Uhrlau, sagte Fritsche, er könne sich nicht erinnern, von Uhrlau informiert worden zu sein und halte das auch für unwahrscheinlich. Er wisse nicht, worauf Herr Uhrlau mit seinen Andeutungen hinaus wolle, "ich verstehe sie nicht ganz, das ist immer mein Problem gewesen".

In der Frage, ob die Bundesregierung die Öffentlichkeit im Wahlkampf 2013 über den Stand der Verhandlungen mit den USA über ein No-Spy-Abkommen getäuscht hat, sagte Fritsche, die Aussichten seien im Sommer 2013 "von meinem Gefühl her als optimistisch zu bezeichnen" gewesen. Fritsche hat selbst im August 2013 an einer Delegationsreise in die USA teilgenommen, an BND-Präsident Gerhard Schindler und der Chef des Bundesverfassungsschutzes teilnahmen. Die deutschen Beamten trafen sich mit dem US-Geheimdienstbeauftragten James Clapper. Übereinstimmend mit Gerhard Schindler sagte Fritsche, dieser habe dmals ein solche Ankommen angeboten - unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch das Weiße Haus. "Es bestand die Bereitschaft und wir haben das gerne entgegen genommen. Ich war angenehm überrascht."

Thomas de Maizière deutete an, er selbst habe von der Idee eines No-Spy-Abkommens ohnehin nie viel gehalten. Der "sittliche Mehrweit" erschließe sich ihm nicht, sagte er. "Entweder ist es gebrochen worden oder es ist nicht nötig." Laut de Maizière gab es aber in Teilen der amerikanischen Regierungen - der Minister nannte namentlich den ehemaligen Justizminister Eric Holder und den damaligen Stabschef des Weißen Hauses, John Podesta - die meinten, man müsse den Deutschen entgegenkommen, um die durch die Snowden-Enthüllungen entstandenen diplomatischen Schaden auszugleichen. Mit denen habe er verhandelt. Dass die Deutschen auf den Begriff No-Spy-Abkommen bestanden hätten, sei "nicht hilfreich" gewesen.

Die Befragung de Maizières verschob sich auch deshalb in die Abendstunden, weil die Abgeordneten erneut zu einer langen Beratungssitzung zusammen gekommen waren. Seit Mittwoch ist bekannt, dass nicht die Abgeordneten selbst, sondern eine "Vertrauensperson" Einblick in die NSA-Spählisten erhalten soll. Einen entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen, der dem Tagesspiegel vorliegt, hat der NSA-Untersuchungsausschuss am Donnerstag Mittag beschlossen.

In ihren Antrag bezeichnen die Koalitionsfraktionen den Kompromissvorschlag der Bundesregierung als "sachgerecht". Das "Gutachten" der Vertrauensperson soll als Verschlusssache eingestuft werden. Eine "veröffentlichungsfähige Fassung" solle "im Einvernehmen mit der Bundesregierung" erstellt werden. Die "Vertrauensperson" soll als Sachverständiger im Ausschuss aussagen. "Dieses Verfahren führt dazu, dass das Parlament das Heft des Handelns in der Hand behält", sagte SPD-Obmann Christian Flisek.

Die Opposition sagte, sie werde sich weder am Verfahren noch an der Suche nach einer konkreten Person beteiligen. Konstantin von Notz, Obmann der Grünen, und Martina Renner, Obfrau der Linken, sprachen von einer Entmachtung des Parlaments. "Wir sollen zu Hilfsdienern der Bundesregierung werden", sagte Renner. Von Notz sagte, das Verfahren sei "inakzeptabel." Die Opposition will dagegen in Karlsruhe klagen. Ein Name wurde am Donnerstag zunächst nicht benannt.

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