Terroristen-Überwachung: Der Fall Amri braucht unabhängige Aufklärung - mit Zugriff auf Geheimes
Das Wissen um das Geschehen vor dem Berliner Attentat wird mehr. Aber der Wahrheit kommt es noch nicht nah genug. Ein Kommentar.
Bei Anis Amri alias Mohammad Hassan alias Ahmed Almasri sowie alias einem Dutzend weiterer falscher Identitäten dürfte es sich um den vor seiner Tat wohl bestüberwachten islamistischen Terrorattentäter in Europa gehandelt haben. Mit jedem Tag werden weitere Einzelheiten bekannt, die belegen, wie engmaschig die Behörden ihn unter Kontrolle hielten – oder besser unter Kontrolle zu halten glaubten.
Erwartbar waren auch V-Leute verstrickt, einer soll den Tunesier sogar nach Berlin chauffiert und von dessen düsteren Absichten erzählt haben. Das passt zu den Warnungen aus Tunesien und Marokko ein paar Wochen vor der Tat, die Amri für einen IS-Anhänger hielten, der in Deutschland „ein Projekt ausführen wolle“, wie es das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen berichtet hat.
Die jüngste Lesart des Geschehens ist darum eine, die in eine Zeit passt, in der es gerade die Informationsfülle ist, die Fantasien anstachelt: Was, wenn die Behörden Amri bewusst entgleiten ließen, um über ihn näher an gewaltbereite Islamisten heranzukommen? Hat ihn jemand geschützt? Wo noch niemand alle Wahrheiten kennt, hilft nur die Rechnung mit Wahrscheinlichkeiten. Die spricht gegen ein solches Szenario. Denn wenn staatliche Stellen aneinander vorbei kooperieren, dürfte das Letzte, was ihnen gelingt, eine geheimtaugliche Verschwörung sein.
Eine unabhängige Untersuchung ist nötig
Das ist es also eher nicht, weswegen die Verirrungen und Irrtümer rund um Amris verhängnisvolle Grenzgänge weiter aufgeklärt gehören. Aber es bleibt genug: Einmal in Abschiebehaft, erscheint es immer noch fraglich, ob die Behörden in Nordrhein-Westfalen alle zulässigen Mittel ausgereizt haben, um Amri festzuhalten. Auch ist weiter unklar, weshalb die Zuständigen zwar den Rückgriff auf die ministerielle Abschiebungsanordnung für Terrorgefährder nach Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes erwogen, sie aber wegen angeblich zu hoher Hürden scheuten. Die Vorschrift war schließlich eigens geschaffen worden, um mit ausländischen Terrorplanern kurzen Prozess zu machen. Wie hoch die Hürden wirklich sind, hat in erster und letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden, dem bislang noch kein Fall dazu vorgelegen hat – weil es noch nie jemand so weit kommen ließ. Dass Behörden verantwortungsvoll mit freiheitsbeschränkenden Befugnissen umgehen, ist zu begrüßen. Es läuft nur etwas falsch, wenn dabei der Sinn des Gesetzes, Terrorgefahr zu reduzieren, aus dem Blick gerät.
Derzeit überbieten sich die Behörden in Bund und Ländern darin, Rechenschaftsberichte vorzulegen, die absehbar Fehler und Versäumnisse nicht oder eher bei den jeweils anderen zu erkennen vermögen. Das ist zu wenig als Antwort darauf, wie der folgenreichste islamistische Anschlag auf deutschem Boden möglich wurde. Nötig wäre daher eine unabhängige Untersuchung, idealerweise von (Sonder-)Ermittlern, die Zugriff auch auf geheimes Material bekommen. Ein parlamentarischer Ausschuss kann das kaum bieten, dauert zu lange und gerät in die anstehenden Wahlkämpfe.
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