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Computer-Hacker können auch ganze Staaten angreifen.
© picture alliance / dpa

Cyberattacken auf Nato-Mitgliedsstaaten: Der digitale Bündnisfall

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Cyberattacken auf nationalstaatliche Strukturen. Wie könnten die Nato und ihre Mitglieder auf den Internet-Ernstfall reagieren?

Es ist ein Szenario, das man sich bislang kaum vorstellen kann: Der digitale Bündnisfall, ausgelöst durch den Cyberangriff auf einen oder mehrere Nato-Mitgliedstaaten. Doch in Militärkreisen hält man es offenbar für recht wahrscheinlich, dass eine solche Attacke früher oder später stattfinden wird – und hat sich des Problems angenommen. Beim Gipfel des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses im Frühjahr 2008 tauchte das Thema erstmals auf höchster militärischer Ebene auf und wurde umgehend als virulente Bedrohung identifiziert.

Ein großer Cyberangriff kann mit einem bewaffneten Angriff gleichgesetzt werden

Offensichtlich hat man bei der Nato auch darüber diskutiert, welche Konsequenzen sich aus einem digitalem Angriff für die Mitgliedstaaten und ihre Streitkräfte ergäben. „Ein Cyberangriff in einer bestimmten Größenordnung ist gleichzusetzen mit einem bewaffneten Angriff“, sagt beispielsweise der stellvertretende Nato-Generalsekretär Jamie Shea. Der Brite ist derzeit Gast und Redner auf einer Konferenz zur nationalen Cybersicherheit des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam. „Der NatoVerteidigungsmechanismus Artikel 5 gilt für einen Cyberangriff“, sagte Shea. Ähnlich hatten sich Vertreter des Verteidigungsbündnisses bereits auf der Computermesse Cebit im Frühjahr geäußert. Allerdings beschrieb Shea nicht genau, wie schwerwiegend ein digitaler Angriff sein müsse, um das Militärbündnis auf den Plan zu rufen. „Wir haben keine genaue Schwelle“, sagte er. Die Angriffe müssten ein großes Maß an Zerstörung oder wirtschaftlichen Schaden auslösen.

Der Nordatlantikpakt regelt mit Artikel 5, dass ein Angriff auf einzelne Mitglieder den kollektiven Verteidigungsfall auslöst, auch mit Waffengewalt. Shea betonte, dass auf digitale Angriffe nicht nur auf digitalem Wege reagiert werden müsse. Bisher gab es den Nato-Bündnisfall erst einmal: nach den Anschlägen vom 11. September 2001.

Die Nato-Streitkräfte bereiten sich seit einiger Zeit auf einen solchen Fall vor

Wenngleich sein digitales Pendant bislang nicht stattgefunden hat: Die Streitkräfte der Mitgliedstaaten bereiten sich seit einiger Zeit auf operativer Ebene auf einen solchen Fall vor. So gab es in den vergangenen Jahren immer wieder gemeinsame, groß angelegte Übungen der Nato-Streitkräfte zur Cyberabwehr, bei denen auch die Bundeswehr mit zahlreichen Soldaten vertreten war. Seit der Existenz des Internets hat es immer wieder Angriffe auf nationalstaatliche Strukuren gegeben. Dabei war es die Nato, die 1999 im Kosovo-Krieg mit digitalen Hilfsmitteln serbische Luftabwehrsysteme manipulierte und außer Gefecht setzte. Serbische Kräfte störten ihrerseits Server der Nato und hörten ungeschützte Kommunikation des Verteidigungsbündnisses ab. Zudem nutzten Hacker das Internet, um auf Konten des damaligen serbischen Staatschefs Slobodan Milosevic zuzugreifen. Nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch Nato-Kampfflugzeuge griffen chinesische Hacker unter anderem die Website des Weißen Hauses und des US-Energieministeriums an.

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