Studie zur EU: Der Brexit als Stimmungsmacher
Vor allem die Deutschen lernen seit dem Brexit-Votum die Vorteile der EU zu schätzen - das geht aus einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hervor.
Die Europäische Union steht in den Augen ihrer Bürger wieder in einem besseren Licht da als noch vor eineinhalb Jahren. Dieser Stimmungsumschwung dürfte auf den Brexit zurückzuführen sein, heißt es in einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. In Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden sowie in Tschechien und der Slowakei sei im Vergleich zum Herbst 2015 „ein signifikanter Anstieg“ der Zahl der Bürger zu verzeichnen, die in der EU-Mitgliedschaft ihres Landes einen Vorteil sehen, geht aus der Studie weiter hervor.
Umfrage im vergangenen Mai und Juni
Diesen Angaben liegt eine repräsentative Befragung zugrunde, die das Meinungsforschungsinstitut policy matters im Auftrag der FES in den acht EU-Staaten im vergangenen Mai und Juni durchführte. Richard Hilmer, der Geschäftsführer von policy matters, kommt in der Studie ein gutes Jahr nach dem Brexit-Votum der Briten zu dem Schluss: „Die Mitgliedschaft in der EU-Gemeinschaft wird heute wieder verstärkt eher als Chance denn als Risiko gesehen, und eine Mehrheit ist davon überzeugt, dass die EU wieder einem ihrer Kernanliegen, Wohlstand zu schaffen, gerecht wird.“
Offenbar hat der Brexit vor allem bei den Bundesbürgern den Blick für die Vorteile der EU geschärft: Während in Deutschland im Herbst 2015 bei einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts nur 34 Prozent eher Vorteile in der EU sahen, sind es inzwischen 64 Prozent. Den EU-Ausstieg Großbritanniens sehen die meisten Bundesbürger gelassen – 52 Prozent sind der Ansicht, dass der Brexit entweder Vorteile oder keine nennenswerten Folgen haben wird.
Ausgeprägte EU-Skespis in Tschechien
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen der acht EU-Staaten überwiegt indes der Anteil derjenigen, die inzwischen eher Vorteile in der EU-Mitgliedschaft sehen. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen: Tschechien und Italien. Besonders ausgeprägt ist die EU-Skepsis dabei in Tschechien. Der Staat ist das einzige unter den acht Ländern, in dem sich eine Mehrheit gegen eine engere Kooperation der EU-Staaten ausspricht.
Die Europa-Unlust in Italien wird in der Studie derweil damit begründet, dass der Mittelmeerstaat derzeit das EU-Land ist, „in dem mit Abstand am meisten Flüchtlinge ankommen und das infolgedessen am meisten mit den negativen Folgen des Schengen- und Dublin-Abkommens zu kämpfen hat“. Die Grundstimmung in Italien sei seit dem Herbst 2015, als die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreichte, kaum verändert.
Flüchtlingsthema verliert in Deutschland an Brisanz
Insgesamt sehen die EU-Bürger in den acht Staaten laut der Befragung in der Flüchtlingspolitik nach wie vor die wichtigste Aufgabe für die Europäische Union. Allerdings hat die Flüchtlingspolitik vor allem in Deutschland in den vergangenen eineinhalb Jahren erheblich an Brisanz verloren. Während im Herbst 2015 hierzulande noch 75 Prozent der Befragten die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen als eine der wichtigsten EU-Aufgaben bezeichneten, waren es im vergangenen Frühjahr nur noch 41 Prozent. „Heftig umstritten“ bleibt der Studie zufolge allerdings die Frage, wie Europa mit den Flüchtlingen umgehen soll: Während sich die Befragten in Deutschland und Italien deutlich für eine europäische Lösung aussprechen, plädieren die Bürger in Tschechien und der Slowakei ebenso vehement für eine nationale Zuständigkeit – und damit gegen eine Umverteilung der Migranten.
Uneins sind die Bürger in der EU zudem auch weiterhin in der Streitfrage, ob wohlhabende Länder mit Finanzhilfen die ärmeren Staaten unterstützen sollen. Obwohl Deutschland zu den größten Nettozahlern in der EU zählt, spricht sich eine Mehrheit der Bundesbürger für finanzielle Solidarität wirtschaftsstarker Länder mit ärmeren EU-Ländern aus – und dies nach den Worten von Hilmer „wohlwissend, dass Deutschland den bei weitem größten Anteil dieser Zuwendungen zu tragen hätte“.