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Debakel um den Hauptstadt-Flughafen: Der BER braucht einen neuen Anfang

Zerschlagt das Monster: Der neue Bausenator Andreas Geisel zeigt sich zuversichtlich, dass der BER „eines Tages“ eröffnet wird. Doch das Flughafen-Projekt braucht keinen Abschlusstermin, sondern einen Neustart. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

12, 13, 14, 15, 16, 17, 18 … Wird der BER jemals fertig? Nachdem sich der neue Bausenator Andreas Geisel auf einen Eröffnungstermin festgelegt hat, kann man den Glauben daran wirklich verlieren. Geisel hat als Termin „eines Tages“ genannt, und das ist dann doch, im Vergleich zum großen Terminschweiger Hartmut Mehdorn, einfach viel zu konkret, um sich darauf zu verlassen. Wer eins und eins zusammenzählt, stellt jedenfalls fest: Das „Zeitfenster“, das Mehdorn zur nächsten Aufsichtsratssitzung im Dezember, der ersten ohne Klaus Wowereit, ausgemessen haben wollte, ist inzwischen so riesig, dass kaum noch einer an den Griff kommt – weil niemand mehr, so wie es aussieht, irgendetwas im Griff hat.

"Uns fehlen gute Fachkräfte"

Das wird schon klar, wenn man sich ein paar Äußerungen des inzwischen auch nicht mehr ganz so neuen Technikchefs Jörg Marks anschaut. Diese Äußerungen sind, genau genommen, ein Desaster für Mehdorn, der vor bald zwei Jahren seinen Job antrat und erst mal ein Programm namens „Sprint“ ausrief. Marks sagt: „Wir sind zu langsam, wir sind zu kompliziert, uns fehlen gute Fachkräfte.“

Donnerwetter, ist das der neue Mut zur Wahrheit? Es fehlen gute Fachkräfte! Ja, wo denn? Bei den Stellenausschreibungen der Flughafengesellschaft handelt es sich in erster Linie um „Komparsen“ für einen Probebetrieb und einen Projektingenieur für „Ad-hoc-Baumaßnahmen“. Weder an Komparsen noch an Ad-hoc-Baumaßnahmen schien allerdings am BER bisher ein Mangel zu herrschen.

Da waren sie noch frohen Mutes. Doch der BER produziert weiterhin nur Negativschlagzeilen, für Harmut Mehdorn (li.) könnte es eng werden.
Da waren sie noch frohen Mutes. Doch der BER produziert weiterhin nur Negativschlagzeilen, für Harmut Mehdorn (li.) könnte es eng werden.
© dpa

Mit Blick auf den Zeitplan ist leicht zu erkennen: Da passt nichts mehr zusammen. Dass es wieder eine neue Verschiebung gibt, diesmal betrifft es die Sanierung der Nordbahn, passt da ins Bild, auch wenn Mehdorn dafür hartleibige Behörden verantwortlich machen will. Eher war doch das Problem, dass beim BER-Chef das Thema Lärmschutz, das für die Verschiebung ursächlich ist, zu lange auf taube Ohren gestoßen ist.

Die Entrauchungsanlage soll in drei Teile zerschlagen werden

Inzwischen sieht es so aus, dass die Baugenehmigung für den BER schneller abläuft, als eine Eröffnung möglich ist. Es muss dann eine neue beantragt werden, was schwieriger wird als beim letzten Mal, weil die Anforderungen strenger geworden sind. Und die vermaledeite Entrauchungsanlage, dieses Monster, das in drei Teile zerschlagen werden soll, kommt von der Theorie nicht in die Praxis, weil der Kopf tief im Kabelsalat steckt und nicht zu finden ist.

2016 zu eröffnen, mit nur vier Jahren Verspätung, das war ein Traum, jedenfalls für Klaus Wowereit. Dann ist er wohl aufgewacht und hat seinen Rücktritt bekannt gegeben. Vielleicht hat er dabei auch an einen Satz gedacht, den er gleich nach der Katastrophenverschiebung 2012 gesagt hat: „Es klingt merkwürdig, dass wir noch bis Mai geglaubt haben, dass der 3. Juni zu halten ist.“ Wie man heute rekonstruieren kann, war der Glaube einfach stärker als das durchaus vorhandene Wissen, und der überwiegende Eindruck ist: Daran hat sich nicht viel geändert.

„Das wird ein wunderbarer Flughafen werden“, das hat Wowereit schon lange nicht mehr gesagt, aber ein anderes seiner Worte aus dieser Zeit scheint Gültigkeit zu haben bis heute: „Manche Bereiche entziehen sich einer Beschleunigung.“ BER-Architekt Meinhard von Gerkan hat es erlebt, im Untersuchungsausschuss sagte er jüngst: „Wir haben zwei Jahre nur gefegt.“

In der Zwischenzeit wurden tolle Dinge geplant, eine Willy- Brandt-Statue für eine halbe Million, ein schöner Fahnenmast an der Zufahrt, macht noch mal 500000, aber was ist schon eine Million? Eine Million geht, praeter propter, jeden Tag nur dafür drauf, dass der BER damals nicht eröffnet wurde, und heute sind’s schon 897 Tage in diesem Zustand, ausrechnen kann sich das jeder selbst. Die Verspätungszeit wird, das ist absehbar, am Ende die einst geplante Bauzeit noch übertreffen

Entkernung, Abriss, Neubau

Wie soll das bloß weitergehen? Der scheidende Aufsichtsratschef Wowereit hat sich für die Beantwortung unangenehmer konkreter Fragen eine Standardantwort zurechtgelegt, sie lautet: „Die diesbezüglichen Überlegungen sind nicht abgeschlossen.“ Nein, nicht mal die Überlegungen sind abgeschlossen, und so ist auch der vermailte Wutanfall des Technikchefs zu verstehen, der fordert: „Schluss mit neuen Ideen!“

Mehdorn, der anfangs einen „ Superflughafen mit Platz und Grandezza“ versprach, hat – da der Glaube auf diesem Bau ja offenbar eine große Rolle spielt, sei’s so genannt – sein Vertragsbergfest hinter sich. Hin- und hergerannt sind seine Leute vom „Sprint“-Team, anstatt einmal entschlossen die heillos verkorkste Kabelage mitsamt allen Schächten herauszureißen, anstatt ein Ende zu suchen, das zum Anfang passt. Das gibt es nämlich nicht, gab es wahrscheinlich nie.

Ein letztes Mal Marks für heute, im Jahr neun des unvollendeten Werks: „Das Ziel ist es, die sogenannte Vergangenheit zu einem gemeinsamen und abgestimmten Abschluss zu führen.“ Es kristallisiert sich in Schönefeld hinter den Schwaden aus Kerosin die Erkenntnis heraus, was das womöglich bedeutet, „Abschluss der sogenannten Vergangenheit“: Entkernung, Abriss, Neubau. Dort – oder woanders.

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