Fall Sebastian Edathy: "Der Aufklärungswillen von SPD und Union tendiert gegen null"
BKA-Chef Jörg Ziercke hat erneut vor dem Innenausschuss des Bundestages ausgesagt, um das Agieren seiner Behörde im Fall Edathy zu erklären. Sein Auftritt wirft Fragen auf. Die Grünen fordern einen Untersuchungsausschuss.
Der Zettel, Din A5 , ist eng beschrieben. Einige Sätze sind mit grünem Stift geschrieben, andere unterstrichen. Anmerkungen, Randnotizen. Es kommt auf jedes Wort an. Jörg Ziercke sitzt in einem schwarzen Ledersofa auf einer der Emporen im Paul-Löbe-Haus abseits der Kameras, allein, mit Blick auf die Spree, und studiert seine Notizen. Für den Chef des Bundeskriminalamtes ist die Affäre Edathy noch nicht ausgestanden. Vielleicht geht sie sogar erst richtig los. Zumindest nach dem Willen der Grünen, die jetzt einen Untersuchungsausschuss fordern und ihn auch bekommen, wenn die Linken, die noch zögern, mitziehen.
Es ist Zierckes vierter Auftritt vor dem Ausschuss. Er dauerte fünfeinhalb Stunden - mit einer Unterbrechung. Aus Termingründen. Aber wohl auch, um die Gemüter zu beruhigen. Denn die Sitzung drohte zu eskalieren. Regierungs- und Oppositionsfraktionen gerieten aneinander. Ziercke und die Opposition behakten sich kräftig. Und mittendrin der Ausschussvorsitzende, Wolfgang Bosbach (CDU), der anders als seine großkoalitionären Kollegen Fragebedarf hatte und nach dieser Sitzung nicht zufrieden war. Seinen Unionsfreunden passt das nicht, sie versuchten ihn nach Angaben von Ausschussmitgliedern am Rande der Sitzung von seinem kritischen Kurs abzubringen. Die Stimmung war auf einem Tiefpunkt. „Wenn ich Ihnen meine Meinung zu dem Ganzen sage, wird die Stimmung noch schlechter“, sagte Bosbach in der Pause.
"Ein parlamentarisches Armutszeugnis"
Einen Untersuchungsausschuss unterstützt Bosbach nicht, aber er würde sich dem auch nicht in den Weg stellen. Diese Auffassung teilen seine Kollegen. Die Grünen dagegen sind wild entschlossen. „Der Aufklärungswillen der SPD und der Union tendiert hart gegen null“, sagte Konstantin von Notz. Er nennt es ein „parlamentarisches Armutszeugnis“, was Union und SPD abgeliefert hätten. Dabei nimmt er Bosbach explizit aus. „Wir hatten jetzt vier Sitzungen und sind so schlau wie zuvor, weshalb wir einen Untersuchungsausschuss brauchen.“ Auch die Linksfraktion sieht weiter Aufklärungsbedarf, ob sie aber die Forderung mittragen wird, ist noch offen. Die Grünen brauchen eine zweite Fraktion, um einen Untersuchungsausschuss durchzusetzen.
Ziercke sprach hernach von einer „fairen Sitzung“ und gab sich sogar etwas demütig. Denn erstmals gab er zu, dass es möglicherweise ein „Organisationsproblem“ in seinem Haus gibt. Dabei bezog er sich auf den Fall der vier BKA-Beamten, die erklären mussten, warum sie im Zuge der Ermittlungen zu einem Bölleranschlag auf den Briefkasten des Wahlkreisbüros von Edathy in einer BKA-Datenbank auf den Namen Edathy gestoßen sind mit der Betreffzeile „Besitz/Erwerb von Kinder-/Jugendpornografie“, ihnen dieser Eintrag aber keine weitere Recherche wert gewesen ist. Begründung: Sie waren für Kinderpornografie nicht zuständig.
Ziercke hält einen Untersuchungsausschuss für überflüssig
Doch es war auch das einzige Zugeständnis Zierckes. Er hält einen Untersuchungsausschuss für überflüssig. „Was soll noch untersucht werden?“ Den Grünen fällt noch genug ein. Zum Beispiel, warum die Grobsichtung der kanadischen Liste, auf der auch Edathy stand, im Januar 2012 abgebrochen wurde, nachdem man dort einen BKA-Beamten entdeckt hatte, und ob dieser dem Ministerium gemeldet wurde.
Einer hat keine Fragen mehr: Wolfgang Bosbach. Ernüchtert ist er. Man habe alles gefragt, sagte er. Nur: „Wir treten kraftvoll auf der Stelle.“
Christian Tretbar
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