Judenhass in Deutschland: Der Antisemitismus auf den Straßen Berlins
Auch wenn der Regierende Bürgermeister Michael Müller kein Problem beim Kippa-Tragen sieht: Es gibt offenen Antisemitismus auf unseren Straßen, auch in Berlin. Diesen zu ächten muss gesellschaftlicher Konsens werden. Ein Kommentar.
Michael Müller macht es sich einfach. Zu einfach. Er verschließt einfach die Augen vor dem Offenkundigen. Stellt in Abrede, was nur schwerlich zu leugnen ist. In bestimmten Stadtteilen soll das Tragen einer Kippa Probleme bereiten? Davon will Berlins Regierender Bürgermeister nichts wissen. „Ich nehme das so nicht wahr“, sagt der SPD-Politiker.
Er reagiert damit auf eine Warnung des Zentralrats der Juden. Dessen Präsident Josef Schuster – ein besonnener, nicht zu alarmistischen Tönen neigender Mann – rät davon ab, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung in „Problemvierteln“ mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil offen zu zeigen. Sich dort als Jude zu erkennen geben? Besser nicht, zu riskant. Das gelte nicht allein, aber speziell für Berlin. Und der Zentralrat der Muslime hält die Ängste für berechtigt.
Das Unbehagen darf nicht kleingeredet werden
Die Multi-Kulti-Hauptstadt, die Metropole gesellschaftlicher Toleranz – ein Ort mit No-Go-Gegenden für Juden? Wer sich das wie Michael Müller nicht vorstellen kann oder mag, der sollte dringend das Gespräch mit jenen suchen, die einschlägige Erfahrungen gemacht haben. Die angepöbelt, bespuckt und geschlagen wurden, nur weil sie als Menschen jüdischen Glaubens erkennbar waren. Der Antisemitismus, der sich so aggressiv wie brutal Bahn bricht, treibt Juden in Deutschland um. Sie sind verunsichert, beunruhigt und fühlen sich unwohl. Dieses Unbehagen, diese Furcht darf nicht klein- oder gar weggeredet werden, sondern muss ernst genommen werden. Denn wenn Juden 70 Jahre nach dem Holocaust vor dem Kinobesuch überlegen müssen, ob sie Kippa tragen oder nicht, ist das ein Armutszeugnis für dieses Land. An derartige Zustände darf sich eine auf Freiheit basierende Gesellschaft, die so große Stücke auf ihre demokratische Verfasstheit hält, nicht gewöhnen. Denn das hieße, das Unnormale als Normalität zu verklären.
Der Schutz jüdischer Einrichtungen gehört zu Deutschlands Kernaufgaben
Zur notwendigen Ehrlichkeit gehört denn auch, den Antisemitismus unter Muslimen als Gefahr ernst zu nehmen. Denn es gibt ihn. Und er wird von Juden als zunehmend bedrohlich empfunden. Die islamistisch motivierten Anschläge auf ein koscheres Geschäft in Paris und eine Synagoge in Kopenhagen dürften selbst den Unbedarftesten vor Augen geführt haben, dass Juden zum Ziel blutiger Gewalt werden, nur weil sie Juden sind. Klar, das ist die extremste Form des Antisemitismus. Aber wenn – wie während des Gazakriegs im Sommer geschehen – arabische Jugendliche auf deutschen Straßen „Tod den Juden“ skandieren, muss auch das alle alarmieren. Und es braucht eine starke Antwort darauf. Politik wie Gesellschaft sind gleichermaßen in der Pflicht.
Denn es muss unmissverständlich klar sein: Antisemitismus ist kein Kavaliersdelikt. Weil er jüdisches Leben bedroht. Da sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass derartige Delikte mit allen Mitteln und der ganzen Härte des Rechtsstaats bestraft werden – ohne Wenn und Aber. Der Schutz jüdischer Einrichtungen gehört, leider, ebenfalls zu Deutschlands Kernaufgaben. Doch allein Sicherheit gewährleisten, das reicht bei Weitem nicht aus. Antisemitismus ächten – das muss gesellschaftlicher Konsens sein. Nicht nur in Sonntagsreden, sondern als eine Art Staatsräson. Jeden Tag, von allen. Das wird zwar weder die Zahl der Judenhasser noch ihren Zorn verringern. Aber es wäre ein starkes Signal an eine Minderheit, die gerne in Deutschland lebt. Trotz allem.
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