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Der spanische Könige Felipe VI hatte versucht, ein mehrheitsfähiges Kabinett zusammenzuschweißen - nun warf er das Handtuch.
© dpa

Krise in Spanien: Der Absturz von Europas Süden

In Spanien ziehen griechische Verhältnisse ein. Das ist bedrohlich - nicht nur für Spanien. Ein Kommentar.

Spanien ist derzeit unregierbar. Das Scheitern der Koalitionsverhandlungen im Königreich, mehr als vier Monate nach der Parlamentswahl im Dezember, ist eine bedrohliche Nachricht– nicht nur für Spanien, wo sich der schon monatelang spürbare politische Stillstand und die wirtschaftliche Ungewissheit verlängern werden. Sondern auch für Europa, das hilflos mitansehen muss, wie die viergrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone in eine immer tiefere Führungskrise gerät. Und das in einer heiklen Zeit: Immer noch steht nahezu jeder zweite Spanier unter 25 Jahren auf der Straße, noch immer ist das Etatdefizit außer Kontrolle, das der bisherige konservative Regierungschef Mariano Rajoy vor der EU und seinen Bürgern verbarg.

Die neue Linksallianz könnte zulegen

Die Wahrheit ist, dass der Musterschüler Spanien, der vorgab, immer brav seine Reform-Hausaufgaben zu machen, wieder zu einem europäischen Sorgenkind wurde. In Sachen Job- und Haushaltsproblemen gehört das Land, das in 2012 an der Staatspleite vorbeischlitterte und vom Rettungsfonds aufgefangen werden musste, inzwischen mit Griechenland zu den EU-Schlusslichtern.
Auch sonst scheinen in Spanien zunehmend griechische Verhältnisse einzuziehen. Die Unfähigkeit der spanischen Parteien, Kompromisse und Koalitionen zu schließen, erinnert an Griechenlands politische Krise im Frühjahr 2012. Damals musste in Griechenland aus ähnlichen Gründen neu gewählt werden. Mit dem Ergebnis, dass das griechische Rebellen- Linksbündnis Syriza noch stärker wurde.
In Spanien könnte sich bei der Neuwahl im Sommer ein ähnliches Szenario eröffnen. Denn die linksalternative Protestbewegung Podemos, die sich als Syriza-Schwester sieht, will nun alles auf eine Karte setzen und sich mit der kleineren Linkspartei „Izquierda Unida“ zusammenschließen. Damit könnte diese Linksallianz – legt man das Ergebnis der vergangenen Wahl zugrunde – an Mandaten zulegen und nach den Konservativen zur zweitmächtigsten Partei Spaniens aufsteigen.

Keine guten Vorzeichen für die iberische Halbinsel

Ob diese Taktik aufgeht, wird man am 26. Juni sehen, wenn die Spanier voraussichtlich wieder an die Urnen gerufen werden. Parlamentspräsident Patxi Lopez warnte bereits davor, dass die Wahlwiederholung bei den Bürgern „Frustration und Wut“ provozieren könne. Was sich nach Meinung von Wahlforschern in steigender Wahlmüdigkeit wie auch in wachsender Radikalisierung spiegeln könnte. Trotzdem lautet die vorherrschende Meinung, dass sich an der politischen Blockade zwischen progressivem und bürgerlichem Lager nicht viel ändern wird.
Keine guten Vorzeichen für die iberische Halbinsel, auf der auch der kleinere Krisen-Nachbar Portugal Sorgen bereitet. Die dortige sozialistische Minderheitsregierung, die von zwei europakritischen Linksparteien gestützt wird, hat in den vergangenen Monaten Reformen und Sparbeschlüsse gestoppt und den Geldhahn wieder aufgedreht. Mit dem Ergebnis, dass sich Portugal weit von der EU-Forderung entfernt, einen halbwegs ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. Und so in Gefahr läuft, das Vertrauen der Finanzmärkte wieder zu verspielen.

Ralph Schulze

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