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Präsidentenwahl in der Ukraine: Demokratie im Krieg

Die Ukrainer sollen am heutigen Sonntag über ein neues Staatsoberhaupt abstimmen. Die Kandidaten werben bis zuletzt – während im Osten heftig gekämpft wird.

Es ist ein erster Schritt, dass er dem Land Ruhe und Stabilität bringt, scheint mehr als fraglich: 30 Millionen Ukrainer sind am heutigen Sonntag aufgerufen ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Nach Monaten der Ungewissheit, Instabilität und bürgerkriegsartigen Zuständen im Osten des Landes wünscht sich die Mehrheit der Menschen eine Führung, die das tief gespaltene Land versöhnen kann. Die Regierung in Kiew rief die Bevölkerung trotz anhaltender Kämpfe im Osten zur Stimmabgabe auf. Mit ihrer Teilnahme an der Wahl würden die Ukrainer ihr Land „verteidigen“, sagte Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk. „Dies wird Ausdruck des Willens der Ukrainer aus dem Westen, Osten, Norden und Süden sein“, sagte Jazenjuk in einer Fernsehansprache mit Blick auf die Wahl. Die Bürger der von Separatisten kontrollierten östlichen Regionen rief er zum Durchhalten auf. Diese vereinigten die Separatistengebiete derweil zu einem „Neurussland“.

Die Kandidaten warben bis zuletzt um jede Stimme. Obwohl Umfragen den Oligarchen Petro Poroschenko weit vorne sehen, trat auch er am Freitagabend in einer TV-Talkshow auf und stellte noch einmal sein Programm vor. Er versprach den Bürgern Einheit und Frieden. Seine Konkurrentin Julia Timoschenko hatte ebenfalls einen TV-Auftritt. Sie wolle dafür sorgen, dass das Land so schnell wie möglich in die Nato aufgenommen werde. Poroschenko forderte die Menschen erneut dazu auf, am Sonntag von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, „damit bereits in der ersten Wahlrunde ein Sieger feststeht“. Auf die Kritik, warum er einer direkten Debatte mit Timoschenko aus dem Weg gegangen sei, antwortete er: „Das Land befindet sich im Krieg, noch mehr Streit würde alleine unseren Feinden in die Hände spielen“.

Auch Timoschenko verstieß gegen den „Tag der Stille“

Obwohl es am Wochenende keinen Wahlkampf mehr geben sollte, verstießen sowohl Poroschenko als auch Timoschenko gegen den „Tag der Stille“. In der Millionenstadt Dnipropetrowsk hing an der Fassade eines Hotel ein XXL-Banner mit dem Poroschenko-Wahlslogan: „Auf neue Art leben“. Timoschenkos Partei hatte am Samstag in der nordukrainischen Region Tschernigiw massenhaft Wahlbriefe an die Haushalte verteilen lassen.

Während die Hauptstadt Kiew bei hochsommerlichen Temperaturen einen ruhigen Start ins Wochenende hatte, tobten im Osten der Ukraine wieder schwere Kämpfe. In Donezk versuchten Rebellen, den internationalen Flughafen zu besetzen. Dort sind fünf Wahlbezirke angesiedelt worden, damit die Menschen in Ruhe wählen sollen. Die Angreifer wollten Wahlunterlagen und Computer zerstören. Unweit der Stadt Donezk, im Nachbarort Makeewka, wurden fünf Personen bei einem Angriff auf ein Militärkrankenhaus verletzt. Separatisten besetzten zudem das Rekrutierungsbüro der ukrainischen Armee in Donezk. Und offenbar gerät die Lage im Osten immer weiter außer Kontrolle. Auch am Samstag wurden Geldtransporter von uniformierten Männern überfallen und Geschäfte ausgeraubt. Die Kriminalität macht den Menschen in Lugansk und Donezk ebenso viele Sorgen wie die Drohungen der Separatisten, dass alle, die sich an den Präsidentschaftswahlen beteiligen „mit Konsequenzen für sich und für ihre Familien rechnen müssen“.

Die Entscheidung über EU-Wirtschaftssanktionen hängt vom Verlauf der Wahlen ab

Die EU bereitet für den Fall einer weiteren Eskalation der Krise offenbar einen Dreistufenplan für Wirtschaftssanktionen gegen Russland vor. Diese reichen von Importbeschränkungen für Luxusprodukte wie Kaviar oder Pelze auf der niedrigsten Stufe bis hin zu Einfuhrverboten für Öl und Gas auf der höchsten Stufe. Das geht aus einen internen EU-Dokument hervor. Eine mögliche Entscheidung über Wirtschaftssanktionen beim Sondertreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstag in Brüssel hänge vom Verlauf der Präsidentenwahlen ab, hieß es in Brüssel. Die Liste für Wirtschaftssanktionen entstand in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten. Auf der niedrigsten Stufe könnten von Importbeschränkungen auch Diamanten, Edelmetalle, Wodka und Lebensmittel betroffen sein. In einen Szenario der „mittleren Intensität“ werden unter anderem Einfuhrbeschränkungen für alle Produkte vorgeschlagen. Auch der freie Kapitalverkehr könnte eingeschränkt werden. Die Europäer könnten zudem den Straßen- und Schiffsverkehr beschränken. Die bei Stufe drei aufgeführten Energie-Importverbote sind für die Union delikat. Nach früheren Angaben der EU-Kommission hängen die Mitgliedstaaten im Schnitt zu 30 Prozent von russischen Erdgaslieferungen und zu 35 Prozent von russischem Rohöl ab. In östlichen Mitgliedsländern liegen diese Anteile bedeutend höher. (mit dpa)

Nina Jeglinski

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