US-Schuldenstreit: Demokraten und Republikaner haben sich geeinigt
Der Dauerpoker in den USA scheint ein Ende zu haben. Nun müssen dem Kompromiss über die Schuldenobergrenze noch beide Kammern des Kongresses zustimmen.
Die Einigung im Streit um die Schuldenobergrenze zwischen Demokraten und Republikanern in den USA ist weltweit mit Erleichterung aufgenommen worden. Auch wenn die beiden Kammern im Kongress dem Kompromiss noch zustimmen mussten – der finanzpolitische GAU, das Abrutschen der größten Wirtschaftsmacht der Welt in die Zahlungsunfähigkeit, scheint in letzter Minute abgewendet worden zu sein.
Was sieht die Einigung genau vor?
Nach der Absprache soll die Schuldenobergrenze in einem ersten Schritt um 900 Milliarden Dollar erhöht werden – 400 Milliarden Dollar sofort und 500 Milliarden Dollar im Herbst – und in einem zweiten Schritt Ende dieses Jahres um weitere 1,2 bis 1,5 Billionen Dollar. In der Summe würden diese Erhöhungen der Regierung erlauben, genug neue Kredite aufzunehmen, damit Amerika seine Zahlungsverpflichtungen bis zum Jahresende 2012 erfüllen kann, also bis nach der Präsidenten- und Kongresswahl am 6. November 2012. Dies war wichtig für Präsident Barack Obama. Er wollte vermeiden, dass ihn die Republikaner mitten im Wahlkampf erneut mit dem Thema in die Enge treiben.
Das Paket sieht nur Sparmaßnahmen und keine neuen Staatseinnahmen durch Steuererhöhungen oder die Streichung von Abschreibungsmöglichkeiten vor. Die Kürzungen im Budget müssen – gerechnet auf zehn Jahre – jeweils höher ausfallen als die Erhöhung der Schuldenobergrenze. Parallel zum ersten Schritt muss die Regierung Ausgaben aus dem Haushalt streichen, die über zehn Jahre 917 Milliarden Dollar Einsparungen ergeben. Und parallel zum zweiten Schritt weitere 1,2 bis 1,5 Billionen Dollar.
Eine kritische Frage war, wo gekürzt wird und zu wessen Lasten – und wie man garantiert, dass die Einsparungen tatsächlich erfolgen und nicht nur theoretische Rechnungen auf dem Papier bleiben. Dank der Vorarbeiten einer überparteilichen Kommission zur Schuldenreduzierung und der wochenlangen Verhandlungen zwischen dem Weißen Haus und den Führern beider Parteien im Kongress lagen bereits Streichlisten vor, auf die sich beide Lager einigen können. Bei der ersten Rate des Sparprogramms sollen 350 Milliarden Dollar, mehr als ein Drittel, im Militärhaushalt gestrichen werden. Die Restsumme muss aus laufenden Ausgabenprogrammen für Agrar- und Bildungsförderung, Infrastruktur und Sozialprogrammen gekürzt werden.
Problematischer wird der zweite Schritt. Eine Arbeitsgruppe aus sechs Demokraten und sechs Republikanern soll bis zum 23. November, dem Tag vor dem Erntedankfest, das in den USA groß gefeiert wird, ein Paket schnüren, das weitere Einsparungen mit einer Reform des Steuersystems verbindet. Obama und die Demokraten knüpfen daran die Hoffnung, dass es auf diesem Weg doch noch zu höheren Staatseinnahmen durch Steuererhöhungen für die Reichen und die großen Konzerne kommt oder zumindest durch eine umfassende Streichung von Steuervergünstigungen. Alle überparteilichen Kommissionen haben bisher eine Mischung aus Kürzungen und neuen Einnahmen vorgeschlagen.
Da auch der Inhalt dieses Pakets umstritten sein wird, wurde ein Abschreckungsmechanismus vereinbart, der beide Seiten zum Kompromiss zwingt. Wenn die Arbeitsgruppe sich nicht einigt oder wenn der Kongress ihrem Vorschlag bis zum 23. Dezember nicht zustimmt, werden automatisch 1,2 Billionen Dollar aus dem Budget gestrichen, gerechnet über zehn Jahre – und zwar zur Hälfte aus dem Militäretat und zur Hälfte aus Sozialprogrammen. Die Republikaner lehnen so drastische Kürzungen beim Militär ab und die Demokraten so scharfe Einschnitte im Sozialen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass beide Seiten einem anders gearteten Sparpaket zustimmen, auch wenn dessen Details schmerzen, weil sie nur so vermeiden können, dass der Abschreckungsmechanismus in Kraft tritt.
Wer wäre bei einer solchen Einigung Verlierer und Gewinner?
Die größten Gewinner sind zunächst die US-Volkswirtschaft und damit die Bürger sowie die Weltwirtschaft. Die drohende Insolvenz scheint gebannt, die Gefahr einer neuen Finanzkrise sinkt und auch das Risiko, dass die Ratingagenturen Amerikas Kreditwürdigkeit herabstufen, wodurch sowohl öffentliche als auch private Kredite teurer würden, ist gemildert.
Ein politischer Gewinner ist Präsident Obama, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, weil er inhaltlich in vielem nachgeben musste. Sein Image als überparteilicher Vermittler ist gestärkt. Das macht ihn attraktiver für die nicht parteigebundenen Wähler in der Mitte der Gesellschaft mit Blick auf die Präsidentenwahl 2012. Die Politiker beider Parteien im Kongress geben für die meisten Amerikaner ein schlechteres Bild ab als der Präsident. Für die Rechten in den USA gehört auch die „Tea Party“ zu den Gewinnern. Sie hat drastische Sparmaßnahmen erzwungen und zugleich durchgesetzt, dass der Staat seine Schuldenprobleme nicht durch höhere Einnahmen löst.
Wie geht es jetzt weiter?
Ein Risiko blieb am Montag, ob die Führer der Lager im Kongress, die das Paket vereinbart haben, auch genügend Abgeordnete und Senatoren zur Zustimmung bewegen können. Es tritt nur in Kraft, wenn beide Kammern es bis spätestens Dienstagabend mit Mehrheit verabschieden. Am Montag warben die Führer beider Parteien in Einzel- und Gruppengesprächen um Unterstützung in ihren Reihen. Zunächst sollte die Abstimmung im Repräsentantenhaus über die Bühne gehen. Zwar erwartete Vize-Präsident Joe Biden am Montagabend eine Zustimmung. Diese erste Abstimmung galt als die riskantere. Die Abstimmung im Senat sollte am Dienstag folgen. Er gilt als kompromissbereiter, die politische Feindschaft zwischen den Lagern ist dort nicht so ausgeprägt wie im Abgeordnetenhaus. Beides kann sich jedoch auch noch verzögern. In den vergangenen Tagen waren angesetzte Abstimmungen mehrfach verschoben worden, weil unsicher war, ob genügend Ja-Stimmen garantiert sein würden.
Wie groß sind die Chancen, dass beide Kammern dem Kompromiss zustimmen?
Starke Gruppen in beiden Lagern sind nicht bereit, für die Vereinbarung zu stimmen, weil aus ihrer Sicht die Zumutungen für die eigene Klientel zu groß sind und die Zugeständnisse an die Gegenseite zu weit gehen. Die Strategie zielt darauf ab, die Parteidisziplin bei dieser Abstimmung aufzugeben und eine Mehrheit aus moderaten Republikanern und moderaten Demokraten zu bilden. Nach Einschätzung amerikanischer Parlamentsexperten wird die Ablehnung unter republikanischen Abgeordneten und Senatoren größer sein als unter Demokraten.
Rechte Republikaner sind gegen den hohen Anteil der Kürzungen beim Militär und meinen zudem, dass die Einsparungen bei den zivilen Staatsausgaben nicht weit genug gehen. Es wird damit gerechnet, dass mindestens ein Drittel und womöglich sogar die Hälfte der Republikaner im Abgeordnetenhaus gegen den Kompromiss stimmt, den ihre Führung geschlossen hat. Bei den Demokraten haben Vertreter des linken Flügels bereits ihr Nein angekündigt. Ihre Zahl ist aber geringer. Aufmerksam wurde in den USA registriert, dass selbst Nancy Pelosi, die Fraktionsführerin im Abgeordnetenhaus, die der moderaten Linken zugerechnet wird, zunächst keine Zustimmung zu dem Paket erklärt hat.