zum Hauptinhalt
Die Demokraten wollen erwirken, dass US-Präsident Donald Trump des Amtes enthoben wird.
© Brendan Smialowski / AFP
Update

Nancy Pelosi warnt vor „Präsidentenkönig“: Demokraten sehen ohne Impeachment Demokratie in Gefahr

Die Anklagepunkte gegen US-Präsident Trump sind jetzt bekannt. Dass er angeklagt wird, ist realistisch – eine Amtsenthebung gilt aber als unwahrscheinlich.

Die US-Demokraten wollen Präsident Trump des Amtes entheben. Am Dienstag leiteten sie das Verfahren ein, indem sie konkrete Anklagepunkte verkündeten. Trump wird Machtmissbrauch und Behinderung von Ermittlungen vorgeworfen. Das Enthebungsverfahren soll noch vor Weihnachten eröffnet werden. Das verkündeten die Demokraten am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Washington. Trump bezeichnete die Vorwürfe als „lächerlich“.

  • Anklagepunkt 1: Machtmissbrauch
  • Anklagepunkt 2: Behinderung des Kongresses

Als erstes trat am Dienstagmorgen im Kongress die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, vor den Journalisten ans Podium – hinter ihr symbolhaft ein Porträt von George Washington, dem ersten Präsidenten der USA. Pelosi erinnerte an diesem „ernsten Tag“ daran, dass die vorrangigste Aufgabe der Abgeordneten sei, die Verfassung der Vereinigten Staaten zu schützen. Die Anklagepunkte sind eine Voraussetzung für eine Abstimmung zu Trumps möglicher Amtsenthebung („Impeachment“) im Plenum der Parlamentskammer.

„Wenn wir einem Präsidenten erlauben, einen solchen Weg zu beschreiten – jedem Präsidenten, egal wer sie oder er sein mag – dann verabschieden wir uns von der Republik und begrüßen einen Präsidentenkönig“, sagte Pelosi bei einer Podiumsdiskussion am Dienstag.

Grundlage des Vorgehens gegen Trump sind Vorwürfe aus der Ukraine-Affäre. Der Vorsitzende des Justizausschusses des Repräsentantenhauses, Jerry Nadler, gab die Anklagepunkte bekannt. Trump gefährde die Demokratie und die nationale Sicherheit der USA, sagte Nadler. „Eines ist klar: Niemand, auch nicht der Präsident, steht über dem Gesetz“, sagte Nadler.

Wie geht es jetzt weiter?

Noch vor Weihnachten will die Demokratische Partei jetzt das offizielle Amtsenthebungsverfahren einleiten. Der Justizausschuss werde sich noch diese Woche formell mit den Anklagepunkten befassen, sagte Nadler. Sie werden dann dem Plenum der Kongresskammer vorgelegt. Die Abgeordneten müssen mit einfacher Mehrheit für eine Anklageerhebung stimmen – das wäre dann das sogenannte Impeachment. Die Abstimmung im Plenum des Repräsentantenhauses ist für kommende Woche vorgesehen.

Anklage scheint wahrscheinlich, Amtsenthebung unwahrscheinlich

Die Demokraten stellen im Repräsentantenhaus die Mehrheit, eine Anklage gegen Trump scheint daher sehr wahrscheinlich. Trump wäre erst der vierte Präsident in der US-Geschichte, gegen den das Repräsentantenhaus ein Impeachment-Verfahren begonnen hat. Das Verfahren geht dann aber noch in den Senat. Dort haben Trumps Republikaner eine Mehrheit. Eine Amtsenthebung des Präsidenten gilt deswegen als höchst unwahrscheinlich.

Dennoch würde schon die formelle Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens Trump beflecken. Er ist nach Andrew Johnson, Richard Nixon und Bill Clinton erst der vierte Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten, gegen den Impeachment-Ermittlungen geführt wurden. Formell eröffnet wurde ein Amtsenthebungsverfahren bislang nur gegen Johnson und Clinton – Nixon trat zurück, bevor das Repräsentantenhaus über die Anklagepunkte in der Watergate-Affäre abstimmen konnte. Kein einziger US-Präsident wurde bislang durch den Senat des Amtes enthoben.

Die Ukraine-Affäre

In den vergangenen Wochen hatte zunächst der Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses diverse Regierungsmitarbeiter zu der Ukraine-Affäre befragt und zum Abschluss der Zeugenanhörungen einen Bericht vorgelegt. Darin wurden schwerwiegende Vorwürfe gegen Trump erhoben. „Der Präsident hat seine persönlichen politischen Interessen über die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten gestellt, hat sich bemüht, die Integrität der US-Präsidentschaftswahlen zu untergraben, und hat die nationale Sicherheit gefährdet“, heißt es in dem Bericht.

Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Die Demokraten werfen Trump außerdem vor, die Ermittlungen des Repräsentantenhauses zu den Vorgängen behindert zu haben.

Trump sieht sich als einen der erfolgreichsten Präsidenten

Trump bezeichnete die von den Demokraten vorangetriebene Amtsenthebung noch kurz vor der Ankündigung der Anklagepunkte als „schieren politischen Wahnsinn“. Seine bisherige Amtszeit sei eine der „erfolgreichsten Präsidentschaften“, der Wirtschaft gehe es blendend und er habe sich absolut nichts zuschulden kommen lassen, schrieb Trump auf Twitter.

Bislang stehen Trumps Republikaner hinter ihm – und auch seine Kernwähler scheinen unbeeindruckt von den Vorwürfen in der Ukraine-Affäre. Unklar sind deswegen die Auswirkungen der Affäre auf die Präsidentschaftswahl in elf Monaten, bei der Trump für eine zweite Amtszeit antreten will. Bei einer Anhörung im Justizausschuss am Montag hatten die Demokraten erneut schwere Vorwürfe erhoben und von „überwältigenden Beweisen“ gegen Trump gesprochen.

Ausschussvorsitzender Nadler: „Gefahr für unsere Demokratie“

„Präsident Trump hat sich selbst über sein Land gestellt“, sagte der Ausschussvorsitzende Nadler zum Abschluss der Sitzung. Trump habe seinen Amtseid verletzt. „Die Tatsachen sind klar. Die Gefahr für unsere Demokratie ist klar. Und unsere Pflicht ist klar.“ Die Verfassung sehe ein Mittel gegen ein solches Verhalten vor. „Dieses Mittel ist Impeachment.“

Mit Spannung wird nun erwartet, wie das Ergebnis der Abstimmung über die Anklagepunkte im Repräsentantenhaus ausfällt: Gelingt es den Demokraten, republikanische Abgeordnete für ihre Sache zu gewinnen? Bislang deutet nichts darauf hin. Wird es aufseiten der Demokraten Abweichler geben? Mehrere demokratische Abgeordnete kommen aus Distrikten, die bei der Präsidentenwahl 2016 für Trump gestimmt haben und in denen ein Impeachment wenig Zustimmung finden dürfte. (mit dpa, AFP)

Zur Startseite