Künstliche Befruchtung: Dein Bauch gehört uns
Auch Männer haben ein Recht auf Abtreibung. Ein in Bonn anstehendes Urteil taugt zum Präzedenzfall. Ein Kommentar
Fair war es nicht, wie der Mann mit seiner Freundin umging. Das Paar, schon in den Vierzigern, wünschte sich ein Kind, bemühte dafür ärztliche Hilfe und ließ befruchtete Eizellen einfrieren. Als die Partnerin im Flieger nach New York saß, in der Erwartung, dass die Behandlung bald beginnen könne, meldete er sich bei der Klinik, machte einen Rückzieher. Da lagerten die so genannten Zygoten nun, die rechtlich und biologisch noch nicht als Embryo gelten. Was sollte geschehen?
Das Paar ließ die befruchteten Eizellen einfrieren
Die Frau klagte. Das Geschehen, dass das Bonner Landgericht vergangene Woche verhandelte, taugt zum Präzedenzfall. Er betrifft letztlich alle, die sich einer Kinderwunschbehandlung unterziehen. Denn wie es aussieht, reicht ein einvernehmlich geschlossener und notariell beglaubigter Vertrag nicht immer, die Probleme zu lösen. Demnach durften beide Partner unabhängig voneinander von der Behandlung zurücktreten. Doch sind sie in einer ungleichen Lage: Er ist weiter zeugungsfähig, während die eingefrorenen Zygoten für sie angesichts ihres Alters möglicherweise eine letzte Chance darstellen, noch Kinder zu bekommen. Außerdem argumentiert ihr Anwalt mit dem Vergleich zur natürlichen Befruchtung. Über die Zygote in ihrem Bauch könne die Frau allein verfügen, im Rahmen der Gesetze.
Ein Urteil ist noch nicht gesprochen, aber die Richter machten klar, dass der Mann aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Schutz des Privat- und Familienlebens, den Anspruch habe, die Zustimmung zur weiteren Konservierung der Zygoten zu widerrufen. Zudem gebe es den Vertrag.
Der Mann zog seine Einwilligung zurück
Unabhängig vom Ausgang schließt sich an das Verfahren eine andere Frage an: Wenn der Mann über das Schicksal der gemeinsamen befruchteten Eizelle mitbestimmen darf – warum sollte er es nicht dürfen, wenn diese sich im Bauch der Frau befindet?
Theoretisch wird das schon länger erörtert, unter dem Stichwort „male abortion“, männliche Abtreibung. Erstmals hat sich mit den schwedischen Jungliberalen jetzt eine politische Gruppe das Vorhaben auf die Agenda gesetzt. Natürlich kann keine Frau gezwungen werden, gegen ihren Willen ein Kind abzutreiben. Aber einem Mann, der kein Kind will, könnte in den ersten Wochen der Schwangerschaft zugestanden werden, sich von dem Kind zu lösen, wenn die Frau es behalten möchte. Es gäbe keinen Anspruch auf Umgang, aber auch keine Pflicht zum Unterhalt und kein Erbrecht.
Der Gedanke mag für viele eine Horrorvorstellung sein. Sicher ist er ein Anschlag auf das Kindeswohl. Doch sicher auch kein größerer als die Abtreibung selbst. Wenn die Bonner Richter sich entscheiden, die Klage der Frau abzuweisen, gehen sie zugleich einen Schritt in diese Richtung. Manche werden dann sagen: Das ist doch nur gerecht.