Griechenland: Debatte um Reparationen kann Bundesregierung nicht spalten
Opposition und einige SPD-Politiker wollen über Reparationszahlungen an Griechenland sprechen. Der CDU gefällt das gar nicht. Unklar ist, ob Schäubles Ausbruch spontan oder kalkuliert war.
„Frau Schwan“, fragt Gerda Hasselfeldt, „gehört die zur SPD?“ Die Frage klingt leicht bösartig aus dem Mund der CSU-Landesgruppenchefin. Gesine Schwan ist immerhin Vorsitzende der Grundwertekommission der Sozialdemokraten. Aber dass sie als Kronzeugin für Meldungen herhalten muss, dass sich jetzt sogar schon der Koalitionspartner SPD für Reparationen an Griechenland stark mache, überschätzt die Bedeutung der Professorin womöglich wirklich ein bisschen. Denn in der Berliner Regierungskoalition herrscht in dieser Frage in einem Punkt völlige Einigkeit: Was auch immer man über die moralische Berechtigung von griechischen Forderungen aus der NS-Besatzungszeit hält – das mit der aktuellen Finanzkrise zu verbinden geht gar nicht.
Darauf legt selbst Ralf Stegner Wert. Der für gelegentlich eigenwillige Sichtweisen bekannte SPD-Vize lässt sich zwar von „Spiegel Online“ mit dem Satz zitieren: „Es gibt auch nach Jahrzehnten noch zu lösende völkerrechtliche Fragen.“ Schwan fordert dort: „Wir sollten auf die Opfer und deren Angehörige finanziell zugehen.“
Bei der Union fallen die Formulierungen deutlicher aus
Aber Stegner hält zugleich fest, dass man diese Frage „nicht mit der aktuellen Debatte über die Euro-Krise verknüpfen“ sollte. Dem stimmt auch eine Grünen-Politikerin wie Claudia Roth zu. Die Bundesregierung, rät die Bundestagsvizepräsidentin, sollte aber unabhängig von der aktuellen Krisendiskussion mit der Führung in Athen ein „offenes und faires Gespräch“ über eine zukunftsträchtige Lösung suchen. „Aus den Verbrechen der Nazis in Griechenland und dem griechischen Zwangskredit erwächst für die Bundesrepublik eine Verantwortung, die wir nun nicht einfach für erledigt erklären können“, sagte Roth dem Tagesspiegel. Denn neben der juristischen Ebene gebe es auch die politische und vor allem moralische Verpflichtung Deutschlands, sich zu seiner Vergangenheit zu bekennen.
In der Koalition sehen sie das weit überwiegend etwas anders. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann betont zwar ebenfalls, dass Deutschland „immer eine Verantwortung für die schweren Verbrechen der nationalsozialistischen Besatzungsmacht“ habe. Aber rechtlich – Oppermann verweist da auf die Regierungslinie – rechtlich seien Entschädigungsfragen abschließend geklärt.
Bei der Union fallen die Formulierungen deutlicher aus. „Das ist ausgestanden. Es gibt keinen Anspruch“, konstatiert Unionsfraktionschef Volker Kauder am Dienstag am Rande der Fraktionssitzung. CDU und CSU stört vor allem der Kontext, in dem die Reparationsfrage in Athen aufgekommen ist. So bezeichnet Gerda Hasselfeldt, sonst keine Freundin drastischer Worte, es als „billiges Ablenkungsmanöver“, wenn die griechische Regierung in diesen Tagen das Reparationsthema aufrufe. Allgemein gelte die alte Weisheit: „Eine Hand, die einen füttert, beißt man nicht.“ Und Kauder schimpft: „Die Griechen sollen sich mal mit ihrer Hausaufgabe beschäftigen und nicht immer woanders Schuldige suchen!“ Zum Beispiel den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Schäuble: Griechenland leidet nicht wegen Berlin, sondern weil die eigenen Eliten versagen
Die beiden Unionspolitiker zeigen denn auch viel Verständnis dafür, dass Schäuble am Vortag zurückgekeilt hat. „Sie werden die griechischen Schulden nicht durch wie immer zu konstruierende deutsche Verpflichtungen aus dem Zweiten Weltkrieg bezahlt bekommen“, hatte Schäuble bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung formuliert. „Wer so etwas seiner Bevölkerung verspricht, verschweigt ihr die Wahrheit.“ Nämlich, dass Griechenland „nicht wegen Europa und nicht wegen Brüssel und nicht wegen Berlin“ leide, sondern weil seine eigenen Eliten jahrzehntelang versagt hätten. Und jetzt, unter der neuen Regierung, gehe es grade so weiter: „Sie haben das Vertrauen zerstört! Das ist ein schwerer Rückschlag!“
Ob dem Finanzminister einfach nur der Kragen geplatzt ist oder ob er sich den Ausbruch vorher überlegt hat, ist nicht so richtig klar. Die Eruption passt aber in die Stimmung, die sich vor allem in der Union zusehends breit macht. Schon der Verlängerung des aktuellen Griechenland-Pakets haben viele nur unter Bedenken zugestimmt. Wenn der Ton zwischen Athen und Berlin so bleibt, wäre an Zustimmung zu einem dritten Hilfspaket kaum zu denken.
Auch deshalb hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras für nächsten Montag nach Berlin eingeladen. Deutschland dürfe nichts unversucht lassen, um Fortschritte zu erzielen, hat sie zuletzt in einer Fraktionssitzung gesagt; auch wenn das derzeit mit den Griechen „schwierig“ sei.