Verfolgung der PKK in Deutschland: De Maiziere will mit der Türkei kooperieren
Erdogan wirft Deutschland erneut Nachsicht gegenüber der PKK vor – dabei wird die Kurden-Partei streng verfolgt. Anders als in Belgien gelten PKK-Aktivisten hierzulande als Terrorunterstützer.
Die türkische Regierung sucht in der Kurden-Frage offenbar Streit mit Deutschland. Einen Tag nach dem Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Ankara wirft auch Recep Tayyip Erdogan den deutschen Behörden vor, nicht ausreichend gegen die Kurdische Arbeiterpartei PKK vorzugehen. Dies sagte der Staatspräsident am Mittwoch. Zuvor hatte Ankaras Außenminister Mevlüt Cavusoglu behauptet: Deutschland beherberge tausende PKK-Mitglieder und weigere sich, diese an die Türkei auszuliefern. In Deutschland weisen Politiker und Juristen die Vorwürfe zurück, auch Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das die PKK beobachtet. Und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: „Für uns ist jeder Terrorismus – ganz gleich mit welchem Motiv – etwas, das wir in Deutschland bekämpfen.“ Man sei „offen und bereit“ für Kooperationen mit der Türkei.
Schon Pro-PKK-Parolen sind strafbar
Tatsächlich werde in kaum einem Land der Europäischen Union, heißt es von Fahndern und Anwälten gleichermaßen, so hart gegen die PKK vorgegangen wie in der Bundesrepublik. Für die bloße Mitgliedschaft in einer als PKK-Struktur verdächtigten Gruppe kann es hohe Strafen geben, führende Aktivisten erhielten von deutschen Gerichten zuletzt sieben Jahre Haft. Dafür reicht es, Spenden zu sammeln, Kämpfer zu rekrutieren und für die militante Partei zu werben. In Deutschland ist die PKK seit 1993 verboten. Und anders als in Belgien – ein Land, das Erdogan heftig kritisierte – gelten Behörden in Deutschland als eifrig: Seit dem Verbot werden linke Kurdenvereine durchsucht, Unterlagen beschlagnahmt, Einrichtungen zuweilen als PKK-nah verboten. In Berlin erhielten Demonstranten kürzlich Strafbefehle über mehrere tausend Euro, weil sie Parolen gerufen haben sollen, etwa: „Es lebe die PKK!“
Besonders rege Aktivisten werden dabei vom Generalbundesanwalt verfolgt. Dessen Behörde ist üblicherweise für politisch sensible Fälle und Terrorverfahren zuständig. Seit dem PKK-Verbot sind allein so 93 Männer und Frauen in Deutschland verurteilt worden. Dazu kommen tausende Verfahren in den Bundesländern, oft laufen hunderte in einem Jahr. Verdächtige, die als Führungsfiguren der Exil-PKK gelten, wurden in den 90ern oft nach Paragraf 129a des Strafgesetzbuches verurteilt, also wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Damals hatte es Brandanschläge auf türkische Firmen und Konsulate gegeben. Die PKK konzentriert sich im Exil seitdem auf friedlichere Aktionen.
Nach den Al-Qaida-Anschlägen am 11. September 2001 in den USA verabschiedete der Bundestag jedoch den Paragraf 129b, wonach terroristische Vereinigungen verfolgt werden können, die im Ausland aktiv sind. Konkrete Taten müssen Angeklagten nicht nachgewiesen werden, es genügt die Mitgliedschaft in der betreffenden Organisation. Für solche Verfahren bedarf es in der Regel einer Verfolgungsermächtigung der Bundesregierung, meist des Justizministeriums. Und die ist für das PKK-Umfeld umfassend erteilt worden, der politische Wille besteht also. In Stuttgart beginnt gerade ein Prozess gegen einen 46-Jährigen, weil er PKK-Aktivitäten geleitet haben soll. Erst im Oktober war dort deswegen ein Mann zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
PKK-Spitze hatte sich entschuldigt
Der Berliner Anwalt Peer Stolle, der Kurden und Türken verteidigt hat, sagte: „Kein anderer europäischer Staat verfolgt Kurden wegen des Vorwurfs der Betätigung für die PKK so intensiv.“ Auf Antrag der Bundesanwaltschaft seien Kurden aus Frankreich und Dänemark ausgeliefert worden, damit ihnen in Deutschland der Prozess gemacht werde.
In Brüssel allerdings haben Richter vor zwei Wochen einen Prozess eingestellt: Die Angeklagten hätten zwar womöglich mit der PKK gekämpft, doch in der Türkei herrsche Krieg – in dem beide Seiten zu Waffen griffen. Der operative PKK-Chef, Cemil Bayik, hatte 2015 für militante Aktionen in Deutschland um Entschuldigung gebeten. PKK-Chef Abdullah Öcalan selbst sitzt seit 1999 in einem türkischen Hochsicherheitstrakt. Die PKK-Spitze hält sich im irakisch-iranisch-türkischen Grenzgebiet auf. Immerhin 800.000 Kurden sollen in Deutschland leben. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn Kurden kamen als Gastarbeiter aus der Türkei, andere als irakische, syrische oder iranische Staatsbürger. Die weltweit bis zu 30 Millionen Kurden gelten als größtes Volk ohne eigenen Staat. Das Kurdische – mit dem Persischen, nicht dem Türkischen verwandt – war in der Türkei lange verboten. Rund 14.000 in Deutschland lebende Kurden sollen die PKK unterstützen, im Nahen Osten dürfte es eine Million Anhänger geben.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, sagte: Er halte die Aussagen aus Ankara für überzogen, allerdings gebe es tatsächlich Anlass zur Sorge. So hätten Demonstranten in Köln kürzlich PKK-Symbole gezeigt, Deutschland müsse Terroristen verfolgen.
Auch türkische Kommunisten in München angeklagt
Dass deutsche Behörden türkische Positionen zumindest nachvollziehen, darauf weist auch ein Prozess in München hin. Zehn Angeklagten wird vorgeworfen, für die maoistische TKP/ML Mitglieder rekrutiert und Geld beschafft zu haben. Die Männer und Frauen, darunter Ärzte und Handwerker, befinden sich unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen in Untersuchungshaft. Verboten ist die TKP/ML nur in der Türkei. Die Klein-Partei ist dort auch militant, auf internationalen Terrorlisten aber wird sie nicht geführt. In dem Prozess wird nun der Briefverkehr der Angeklagten von Kontrollrichtern gelesen. „Das ist nicht mal im NSU-Verfahren um Beate Zschäpe geschehen“, sagte Anwalt Stolle, der eine der Angeklagten verteidigt. Juristen weisen darauf hin, dass sich tausende türkische Rechtsextreme in Deutschland in Vereinen organisieren dürfen – obwohl auch diese sogenannten Grauen Wölfe als militant gelten.
Nach den Bekenntnissen der PKK zu friedlichen Protesten in Deutschland und ihrer Rolle beim Schutz der von Islamisten verfolgten Minderheiten in Syrien und dem Irak hatten auch deutsche Sozialdemokraten eine „Neubewertung“ der Kurdischen Arbeiterpartei gefordert. Die Linke will eine Aufhebung des PKK-Verbots.