Reform der Islamkonferenz: De Maizière rüstet ab
Neue Akzente für die Deutsche Islamkonferenz: Statt um Sicherheitspolitik soll sie sich um Seelsorge und Wohlfahrtspflege kümmern.
Ihr verflixtes siebtes Jahr hat die Islamkonferenz hinter sich – nun könnte sie, deutlich verkleinert, neuen Schwung bekommen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) setzt auf dem Feld der Islampolitik den ersten Akzent seines neuen alten Amts – er war bis 2011 schon einmal Chef des Innenressorts. Und das heißt für den bisherigen Verteidigungsminister: umfassende Abrüstung. Streitthemen wie Geschlechterbilder, vor allem aber staatliche Sicherheitspolitik, bleiben künftig vor der Tür. Die Islamkonferenz soll sich in den nächsten Jahren ganz Fragen der Religionsausübung widmen, sofern sie von öffentlicher Bedeutung sind. De Maizière nannte Seelsorge und Wohlfahrtspflege.
Die muslimischen Mitglieder der Konferenz – Verbände, aber auch nicht organisierte Muslime – hatten seit Einberufung der Konferenz darauf hingewiesen, dass gerade das Thema Sicherheit ihren Glauben immer wieder öffentlichkeitswirksam mit Gewalt und Terror verknüpfe. De Maizières Nachfolger und nun Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte Sicherheitspolitik sogar zum Schwerpunkt der Konferenz erklärt. Die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika hatte sich dagegen gleich auf der ersten Pressekonferenz im März 2011 öffentlich gewehrt und ihm Zweckentfremdung der DIK vorgeworfen. Spätere Presseauftritte nach DIK-Sitzungen absolvierte der Minister dann allein oder mit handverlesenen Partnern. Damit war das Machtgefälle zwischen staatlichen und muslimischen Akteuren in der DIK endgültig zementiert. Die einseitige Besetzung der Konferenz durch das Ministerium, das auch deren Tagesordnung allein schrieb, war schon früher ein weiterer zentraler Konfliktpunkt.
Auch hier will de Maizière radikal neu ansetzen: „Themen, Struktur und Titel“ der veränderten Islamkonferenz würden „einvernehmlich“ festgelegt und öffentlich mitgeteilt, sagte er. Er selbst wäre auch bereit gewesen, ihr einen neuen Titel zu geben. Doch die Verbände neigten dazu, die Marke beizubehalten.
Mit seinem Neustart korrigiert de Maizière auch eigene frühere Politik. In die Lähmung trieb die DIK, die Wolfgang Schäuble 2006 einberief, zwar erst unter Friedrich. Doch schon unter de Maizière hatten zwei der vier großen muslimischen Verbände die Konferenz im Streit verlassen: der Zentralrat der Muslime (ZMD) vor allem wegen der kritisierten Strukturen der DIK und der einflussreiche Islamrat, weil de Maizière ihm die Vollmitgliedschaft entzogen hatte. Wie der Minister denke, schimpfte damals Aiman Mazyek vom ZMD, erkenne man schon daran, dass er sie der Grundsatzabteilung seines Hauses entzogen und der Ausländer-Abteilung übertragen habe.
Davon ist jetzt keine Rede mehr; der ZMD ebenso wie Milli Görüs, deren (seit langem eingestelltes) Strafverfahren damals den Grund lieferte, ihren Dachverband Islamrat auszuschließen, äußerten sich jetzt optimistisch zum Neustart. Auch dass der Minister Sicherheitsfragen um den Preis heraushalten will, dass die Muslime in anderem Zusammenhang mit den Behörden zusammenarbeiten, sieht Mazyek nicht als Problem: „An der Sicherheit der Moscheen und am Schutz vor Extremismus jeglicher Couleur haben wir selbst ein existenzielles Interesse.“
Auf dem neuen Feld Seelsorge wird die DIK sich künftig darum kümmern, dass Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten und die Polizei, Haftanstalten oder Pflegeheime durch muslimische Geistliche versorgt sind, sagt der Minister. Ein Bund-Länder-Kompetenzgerangel fürchtet er nicht. Die Länder blieben ohnehin eingebunden und außerdem: „Hätten wir davor Angst gehabt, wäre die Konferenz gar nicht erst entstanden.“
Für die Wohlfahrtspflege denkt der Minister daran, auf die Expertise der Kirchen zurückzugreifen. Er könne sich vorstellen, „dass es in 10 bis 15 Jahren eine Caritas oder Diakonie auch für islamische Gemeinden gibt“. Die hatte in der vergangenen Woche der Präsident der evangelischen Diakonie, Stockmeier, bereits angeregt. Auch der ZMD-Vorsitzende Mazyek hält eine Einladung an die Kirchen für eine gute Idee - und für eine Gelegenheit zu mehr Kooperation: "Wir wären interessiert an mehr Grundsolidarität der Kirchen. Die vermisse ich gelegentlich."