Ex-Beauftragter Schaar zum Terror in Brüssel: "Datenschutz nicht zum Prügelknaben machen"
Innenpolitiker fordern nach den Terroranschlägen in Brüssel einen besseren Informationsaustausch. Datenschützer warnen vor Aktionismus.
Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat davor gewarnt, als Konsequenz aus den Terroranschlägen in Brüssel auf eine Lockerung von Datenschutzregelungen zu setzen. "Ich finde es falsch, den Datenschutz hier zum Prügelknaben zu machen", sagte Schaar am Mittwoch dem Tagesspiegel.
Schaar, der das Amt von 2003 bis 2013 innehatte, erklärte: "Wenn der Informationsaustausch zwischen den europäischen Sicherheitsbehörden nicht so funktioniert, wie sich das mancher Innenpolitiker wünscht, hat das meist andere Gründe: So ist das Meldeverhalten der nationalen Behörden an europäische Institutionen, etwa an das Schengen-Informationssystem oder an Europol, von Land zu Land höchst unterschiedlich. Zum anderen gibt es institutionelle Abschottungstendenzen, die vor allem durch die ängstliche Wahrung der eigenen Datentöpfe motiviert sind."
Schaar, heute Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz, wies zudem darauf hin, dass Befugnisse zur Überwachung und Datenübermittlung in verschiedenen EU-Staaten - gerade in Frankreich - immer wieder massiv ausgeweitet worden seien. "Trotzdem haben sich die jüngsten Terroranschläge nicht verhindern lassen".
Auch die neue Berliner Datenschutzbeauftragte, Maja Smoltczyk, äußerte sich zurückhaltend zu Forderungen nach einem engeren Datenaustausch zwischen europäischen Sicherheitsbehörden. Es sei "völlig klar", dass sich nach solchen Ereignissen "die Parameter verändern und auch verändert werden müssen", sagte Smoltczyk bei der Vorstellung des Berliner Datenschutzberichts 2015. Dennoch dürfe man "in solchen Situationen" nicht "mit Schnellschüssen" reagieren.
"Datenschutz ist ein Grundrecht. Es bewegt sich immer im rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmen", sagte Smoltzyk, die ihr Amt Ende Januar angetreten hat. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssten auch bei einem engeren Datenaustausch der europäischen Nachrichtendienste erfüllt bleiben. Terroristen wollten mit den Anschlägen die westlichen Werte und somit auch die Freiheitswerte angreifen. Gerade deshalb dürften diese nun nicht in den Hintergrund gedrängt werden. Bei allem Entsetzen dürfe es nicht sein, "dass man jetzt wild Daten erhebt. Die Zielrichtung und das Gleichgewicht müssten stimmen.
De Maizière: Daten besser miteinander verknüpfen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Dienstag erneut einen besseren europaweiten Austausch von sicherheitsrelevanten Daten gefordert. In Krisenzeiten habe die Sicherheit Vorrang. Europas Sicherheitsbehörden sollten deshalb untereinander enger Daten austauschen, hatte der Innenminister erklärt. "Wir müssen die Informationen austauschen, die da sind", sagte er im ZDF. Dies werde dadurch erschwert, dass es in Europa "getrennte Datentöpfe" gebe. Nun müssten die Daten besser miteinander verknüpft werden.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) unterstützte die Forderung von de Maizière. "Wenn wir uns effektiv schützen wollen, brauchen wir eine gute Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Europa", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Vorhandene Informationen, die helfen, konkrete Anschläge zu verhindern, müssen alle Länder untereinander austauschen." Die Terroristen führten "einen barbarischen Feldzug gegen Freiheit und Demokratie", sagte Maas. Die Europäer dürften aber nicht vor Angst erstarren, sondern müssten das klare Signal aussenden, dass sie ihre Freiheit mit aller Entschlossenheit verteidigen.
Bayerns Innenminister: Ein- und Ausreiseregister wie in USA
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann warb im "Münchner Merkur" dafür, ein komplettes Ein- und Ausreiseregister für die Europäische Union oder den Schengen-Raum aufzubauen. Der CSU-Politiker sagte dem Blatt: "Wir müssen wissen, wer einreist, wer hier bleibt, wer abreist. Das ist in den USA ganz selbstverständlich. Wir haben in Europa aber nach wie vor überhaupt keinen Überblick. Das ist alles kein Allheilmittel, aber wenn wir die Sicherheit in unserem Land erhöhen wollen, ist das unbedingt notwendig."
"Fehlende Vernetzung größte offene Flanke bei Terrorismusabwehr"
Ähnlich argumentieren der stellvertretende Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Strobl, und der innenpolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka. Strobl sagte: "Wir müssen vor allem für den bestmöglichen Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden sorgen und vorhandene Informationen besser vernetzen. Da liegt manches noch im Argen." Für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus sei es auch "notwendig, dass wir Zeitpunkt und Ort der Ein- und Ausreise von Drittstaatenangehörigen in den Schengen-Raum genau erfassen. Aus diesem Grund brauchen wir die zügige Einführung eines Ein- und Ausreiseregisters für die EU-Außengrenzen".
Lischka sagte: "Auch Deutschland steht im Fadenkreuz und ist ein erklärtes Angriffsziel." Er nannte eine fehlende Vernetzung der Sicherheitsbehörden auf europäischer Ebene "die derzeit größte offene Flanke bei der Terrorismusabwehr". Seiner Meinung nach notwendig ist auch ein Europäisches Terrorabwehrzentrum. "Hier kann das gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in Deutschland in Bezug auf die gemeinschaftliche Überwachung von Gefährdern als Vorbild dienen."