Integrationsforscher Uslucan zum Fall Özil: "Das war auch Sadismus"
Der Fall Mesut Özil bewegt die Republik. Der Migrationsforscher Haci-Halil Uslucan über Identitäten, Deutschsein und Schusslinien
Einmal Türke, immer Türke, Herr Professor Uslucan - stimmt Mesut Özils Befund in seinem Rücktrittsschreiben, er sei, wenn die Nationalmannschaft verliere, wieder der Migrant?
Türke oder nicht, das sind auch Zuschreibungen von außen, die Menschen annehmen. In der Causa Özil sehe ich vor allem einen Druck Richtung Eindeutigkeit von beiden Seiten. Özil hatte diesem Druck nachgegeben und sich für Deutschland entschieden. Er wurde daraufhin von türkischer Seite als Verräter ausgepfiffen. Jetzt muss er erleben: Er gehört auch nicht richtig zu Deutschland. Wir sehen uns gern als tolerant und plural verfasst. Im konkreten Alltag wird Pluralität aber oft doch nicht akzeptiert.
Was müsste sich ändern?
Wir müssen transnationale Identitäten endlich anerkennen. Punkt. Diese Debatten in Politik und Medien – was jemand tun muss, wie lange es dauert, richtig deutsch zu werden – sind fruchtlos. Deutsche und Türken sind nicht im Krieg!
Hat Özils Rücktritt Sie überrascht?
Jetzt ja. Als er so lange schwieg, dachte ich erst, der Junge wird das aussitzen. Jetzt zeigt sich, dass da wohl eine offene Wunde war. Vielleicht hat er auch wirklich an die „Stop-Racism“-Kampagne der Champions League geglaubt. Und es hörte ja auch nicht auf. Während Gündogan schnell aus der Schusslinie war, prügelte man weiter auf einen ein, der sich nicht wehrte. Als Psychologe sage ich: Das war auch Sadismus.