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Murat Erdogan bezeichnet sie Putschnacht als "schreckliches Erlebnis". Er hat sie zusammen mit seiner Familie in Ankara erlebt.
© privat

Nach dem Putschversuch in der Türkei: "Das Volk hat gesiegt, nicht Erdogan"

Der türkische Politologe Murat Erdogan sagt, die Putschisten hätten die Stimmung in der Bevölkerung völlig falsch eingeschätzt. Das nutze Präsident Erdogan nun, um seine Macht auszubauen - und vergebe damit eine Chance.

Herr Murat Erdogan, hat es Sie überrascht, dass der Putsch so schnell niedergeschlagen werden konnte?
Es war von Anfang an klar, dass die Putschisten keinen Erfolg haben werden. Ihr Putsch war falsch. Deshalb hat die Bevölkerung ihn auch nicht unterstützt. Die Putschisten haben die Stimmung in der Bevölkerung völlig falsch eingeschätzt. Nicht einmal die Opposition hat sich ihnen angeschlossen. Und auch die Medien haben den Militäraufstand einhellig abgelehnt.
Welche Erklärung haben Sie dafür?
Wir haben in der Türkei zwar große Probleme. Es gibt Kritik an der Regierung und vor allem an Herrn Erdogan. Wir fordern immer wieder mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein. Doch insgesamt ist das Demokratieniveau inzwischen so hoch, dass niemand mehr nach dem Militär ruft. Das ist anders als noch in den 1980er Jahren. Veränderungen können nur über Wahlen herbeigeführt werden.
Ist die Gesellschaft gespalten?
Die Spaltung ist tatsächlich sehr groß, wenn es um die Politik des Staatspräsidenten geht. Nicht jedoch, was die aktuellen Ereignisse angeht. In den sozialen Medien konnte man in den vergangenen Tagen sehr genau verfolgen, wer auf welcher Seite steht. Es gab nur ganz wenige, die den Putsch gutgeheißen haben. Und während es Herrn Erdogan gelungen ist, seine Anhänger über die sozialen Netzwerke auf die Straße zu bringen, haben sich oppositionelle Kräfte zurückgehalten. Sie sind zu Hause geblieben. Der Aufruf Erdogans war eine sehr riskantes Manöver, aber es hat gewirkt. Letztlich war die Niederschlagung aber kein Erfolg von Erdogan oder der AKP, es war ein Erfolg der gesamten türkischen Bevölkerung und damit ein Erfolg der Demokratie.
Wie ist die Stimmung der Opposition jetzt?

Viele Oppositionelle haben Angst vor Repressionen. Dennoch: Auch sie setzen bei der Lösung der Probleme in unserem Land nicht auf das Militär. Deshalb hat sich die Opposition solidarisch mit dem Staatspräsidenten gezeigt. Das könnte Herr Erdogan als Chance begreifen und versuchen, die Bevölkerung gegen die anti-demokratischen Kräfte zu einen. Denn er hat jetzt gesehen, dass eine demokratische Türkei auch für ihn besser ist. Er muss sich ja auch fragen, wie lange er es durchhalten kann, den Druck auf Opposition und Medien immer weiter zu erhöhen. Realistischerweise muss man aber damit rechnen, dass Erdogan stattdessen die Situation ausnutzt und seine Machtstellung weiter ausbaut, um sich selbst und seine Anhänger zu schützen. Das geschieht ja auch schon.

Murat Erdogan ist Professor an der Hacettepe-Universität in Ankara und leitet dort das Forschungszentrum für Migration und Politik. Mit dem Staatspräsidenten ist er nicht verwandt.

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