Von Neun-Euro-Ticket bis Familienbonus: Das steckt im milliardenschweren Entlastungspaket
Wegen der gestiegenen Energiepreise hat das Bundeskabinett am Mittwoch Entlastungen beschlossen. Verkehrsminister Wissing verteidigt das Neun-Euro-Ticket.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch wegen der stark gestiegenen Energiepreise ein milliardenschweres Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger auf den Weg gebracht.
Es profitieren Bahn- wie Autofahrer und fast alle Erwerbstätigen. Doch umstritten ist, ob die Hilfen die explodierten Preise auch nur annähernd abfedern können. Das wird letztlich auch vom Verlauf des Krieges - und einem möglichen Lieferstopp für russisches Gas - abhängen.
Die Spitzen der Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatten sich Ende März auf das Paket geeinigt, als klar wurde, welche Auswirkungen der russische Krieg in der Ukraine auf die Preise an der Tankstelle, beim Heizen und auch im Supermarkt in Deutschland haben würde. Bereits im Februar war unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage über die Stromrechnung ab Juli beschlossen worden - darüber soll der Bundestag an diesem Donnerstag endgültig entscheiden.
Was im zweiten Entlastungspaket steckt:
Sprit soll durch geringere Energiesteuern billiger werden
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schnellten hierzulande die Spritpreise nach oben - teilweise um zweistellige Centbeträge pro Tag und Liter. Super E10 erreichte seinen Höhepunkt laut ADAC am 14. März mit 2,203 Euro im bundesweiten Tagesdurchschnitt - das sind gut 45 Cent mehr als am Tag vor Kriegsausbruch. Diesel war am 10. März mit 2,321 Euro pro Liter am teuersten - ein Plus von fast 66 Cent im Vergleich zum Vorkriegsstand.
Die Ampel-Koalition beschloss daher, die Energiesteuern auf Kraftstoffe für drei Monate - von Anfang Juni bis Ende August - so weit zu senken, wie es EU-Richtlinien erlauben. Man setzt darauf, dass die Unternehmen das auch an die Kunden weitergeben. Bei Benzin reduziert sich der Steuersatz laut Finanzministerium um 29,55 Cent pro Liter, bei Diesel um 14,04 Cent.
Die Absenkung ist umstritten, denn inzwischen sind die Spritpreise auch so schon wieder spürbar gesunken. Am Dienstag kostete E10 den ADAC-Zahlen zufolge 1,954 Euro pro Liter, Diesel 2,019 Euro.
Neun-Euro-Monatsticket im Nah- und Regionalverkehr
Als Ausgleich für die Subventionierung fossiler Energien - etwa durch den günstigeren Sprit - will die Bundesregierung auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) billiger machen. Nicht nur Auto-, sondern auch Bahnfahrer sollen profitieren. Von Juni bis Ende August sollen Fahrgäste bundesweit für neun Euro pro Monat im Nah- und Regionalverkehr fahren können - und damit viel günstiger als mit üblichen Monatstickets.
Das Kabinett beschloss Änderungen am Regionalisierungsgesetz - das ist Grundlage für die Gelder, die der Bund den Ländern jährlich zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs zur Verfügung stellt.
Der Bund will den Ländern für das Neun-Euro-Monatsticket nun 2,5 Milliarden Euro extra geben. Allerdings reicht das den Ländern nicht aus, sie wollen deutlich mehr Geld, um stark gestiegene Energie-, Bau- und Personalkosten im ÖPNV ausgleichen zu können. Sie könnten das Projekt daher im Bundesrat vorerst scheitern lassen.
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Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht im geplanten Neun-Euro-Monatsticket einen Anreiz für eine dauerhafte Nutzung von Bussen und Bahnen. Wissing sagte am Mittwoch nach der Kabinettssitzung in Berlin, das Ticket sei eine Chance, den ÖPNV sichtbar zu mache.
Es helfe, Energie zu sparen und passe genau in die Zeit. Die Länder könnten davon profitieren, indem sie dauerhaft mehr Nutzer gewinnen. „Wir können insgesamt davon profitieren, weil wir den Menschen ein klimafreundliches, umweltfreundliches und sehr modernes Verkehrsmittel nahebringen.“
Zur Gefahr, dass es auf manchen Strecken im Regionalverkehr etwa in Urlaubsregionen überfüllte Züge geben könnte, sagte Wissing, die Länder hätten gewollt, dass das Ticket deutschlandweit gelte. Deswegen gehe er davon aus, dass sie sich auch entsprechend mit der Frage beschäftigt hätten, was dies für besonders touristisch attraktive Strecken bedeute. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass unsere starken Verkehrsunternehmen das in den Griff bekommen.“
Die Nutzerinnen und Nutzer der Tickets müssten aber damit rechnen, dass es punktuell zu einer starken Auslastung kommen könne, so wie man das auch in Spitzenzeiten kenne.
Kritik aus Ländern an einer unzureichenden Finanzierung des günstigen Tickets und insgesamt des ÖPNV wies Wissing erneut zurück. „Alle können zufrieden sein, und jetzt sollten alle in die Umsetzung gehen. Die Erwartungen sind groß, die Freude auf das Ticket ist groß und ich wünsche mir, dass es gut und reibungslos läuft und wir viele neue und zufriedene Nutzerinnen und Nutzer für den ÖPNV in Deutschland gewinnen.“
300 Euro Energiepreispauschale
Einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige sollen zum Ausgleich der hohen Energiekosten eine Pauschale von einmalig 300 Euro brutto bekommen. Das Geld wird vom Arbeitgeber als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt, bei Selbstständigen wird die Steuer-Vorauszahlung gesenkt. Anschließend unterliegen die 300 Euro der Einkommensteuer. Dadurch bekommen Bürger mit hohem Steuersatz am Ende weniger raus, wer unter dem Grundfreibetrag bleibt, profitiert von der vollen Summe.
Umstritten ist, dass Rentner bei dem Auszahlungsweg leer ausgehen sollen. Sozialverbände kritisieren, dass gerade Seniorinnen und Senioren mit kleinen Renten aber auf das Geld angewiesen wären. Die Ampel-Parteien führen dagegen die anstehende Rentenerhöhung an. Ebenfalls umstritten ist, ob die 300 Euro ausreichen werden, um die Mehrkosten durch die gestiegenen Preise etwa beim Heizen auszugleichen.
Bonus für Familien mit Kindern und Sozialleistungsbezieher
Familien sollen besonders entlastet werden - deshalb wird das Kindergeld einmalig um 100 Euro pro Kind angehoben. Der Bonus soll im Sommer aufs Konto kommen und automatisch von der Familienkasse ausgezahlt werden, er muss also in der Regel nicht beantragt werden.
Wer Sozialleistungen bezieht, soll zudem zusätzlich zum bereits zuvor beschlossenen 100-Euro-Zuschuss eine weitere Einmalzahlung von 100 Euro bekommen.
Kosten für den Staat
Für das Entlastungspaket muss Finanzminister Christian Lindner (FDP) seinen bereits beim Bundestag eingereichten Haushaltsplänen nachträglich ein Update verpassen. In einem Ergänzungshaushalt plant er mit fast 40 Milliarden Euro zusätzlichen Schulden - darunter summieren sich aber auch etwa Wirtschaftshilfen, die Verlängerung der kostenlosen Coronatests und andere Maßnahmen.
Die Energiepreispauschale allein wird den Staat laut Entwurf etwa 10,4 Milliarden Euro kosten. Zwar summieren sich die Auszahlungen auf 13,8 Milliarden Euro, der Staat nimmt aber auch 3,4 Milliarden mehr Lohn- und Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag ein. Für den Kinderbonus sind in diesem Jahr Kosten von fast 9 Milliarden Euro eingeplant. Auch diese werden in den Folgejahren zu etwas mehr Steuereinnahmen führen. Durch die vorübergehende Steuersenkung beim Sprit entgehen dem Bund nach Rechnung des Finanzministeriums Steuereinnahmen von rund 3,15 Milliarden Euro. (dpa)