Neue Abgeordnete: Das sind die Radikalen in der AfD-Fraktion
Sie sprechen von "Umvolkung", suchen den Schulterschluss mit Pegida und hetzen gegen Minderheiten: Eine Übersicht der Radikalen in der AfD, die es in den Bundestag geschafft haben.
Parteichefin Frauke Petry, so viel ist nun klar, möchte mit der neuen AfD-Fraktion nichts zu tun haben: Sie wird lieber fraktionslos, als mit den anderen neu ins Parlament gewählten AfD-Abgeordneten zusammenzuarbeiten. In ihrem Statement kritisierte sie vor allem AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland, der im Wahlkampf mit drastischen Äußerungen aufgefallen war und die Fraktion wohl anführen wird. Die Verankerung der AfD in der Mitte der Gesellschaft, sagte Petry, habe „spürbar abgenommen“. Gemäßigte und seriöse Mitglieder würden „auf allen Ebenen diskreditiert“ und wanderten allmählich ab. So wie nun eben sie selbst.
Wer sich die neue Fraktion anschaut, merkt: Es gibt hier zwar durchaus Gemäßigte. Parteiintern werden die auf etwa ein Drittel geschätzt. Aber es gibt eben auch eine Gruppe von mindestens 20 Abgeordneten, die in der Vergangenheit mit rassistischen, völkischen oder nationalistischen Äußerungen aufgefallen sind. Die gegen Minderheiten hetzen oder den Schulterschluss mit der islamfeindlichen Pegida suchen. Auch das dürfte für Petry ein Grund gewesen sein, sich der Fraktion nicht anzuschließen.
Aber wer sind nun die radikalen Abgeordneten, die im Bundestag für Aufruhr sorgen könnten? Eine Übersicht.
Sachsen
Der Dresdner Richter Jens Maier (Jahrgang 1962) ist einer der ärgsten Rivalen von Parteichefin Frauke Petry und stolz darauf, dass ihn AfD-Kollegen als „kleinen Höcke“ bezeichnen. Bei Björn Höckes umstrittener Dresdner Rede war der sächsische Richter Vorredner und erklärte im Hinblick auf die Aufarbeitung der deutschen Geschichte den „Schuldkult für endgültig beendet“ – eine klassische NPD-Formulierung. Bei einer Veranstaltung des rechten Compact-Magazins soll er die Taten des norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik relativiert haben. Zuletzt sagte er, der Einzug der AfD in den Bundestag sei „einer der größten Erfolge seit 1945“. Gegen ihn läuft ein Parteiausschlussverfahren.
Der Leipziger Siegbert Droese (1969) ist für einen Schulterschluss von AfD und islamfeindlicher Pegida-Bewegung. Er sprach sich in der Vergangenheit für gemeinsame Großdemonstrationen aus. Er zählt zum völkischen Flügel der AfD. Ihm gehörte nach Angaben von Parteikollegen ein blauer AfD-Kombi mit dem Kennzeichen „L-AH1818“ – das sind die Initialen von Adolf Hitler in Buchstaben und als Zahlen für die Stellung im Alphabet. Droese war bis 2015 Mitglied der „Patriotischen Plattform“ in der AfD, die der Verfassungsschutz ins Visier genommen hat. Er ist vorläufiger Sprecher der Landesgruppe Sachsen der AfD im Bundestag.
Detlef Spangenberg (1944) saß bislang im sächsischen Landtag und wäre dort eigentlich Alterspräsident gewesen. Das Ehrenamt durfte er aber nicht wahrnehmen, weil er in den Nullerjahren Mitglied der rechten Wählervereinigung „Arbeit-Familie-Vaterland“ war. Diese hatte beispielsweise mit dem Slogan „Sachsenmut stoppt Moslemflut“ geworben. Über Spangenberg ist außerdem bekannt, dass ihn die Stasi in der DDR in den 60er Jahren als „Geheimen Informator“ rekrutiert hatte – Deckname: „Bruno“.
Heiko Hessenkemper (1956) war bislang für die AfD Mitglied im Mittelsächsischen Kreistag. Er schimpft auf die „linksfaschistoide“, „politisch-medialen Klasse“. Die Einwanderung ist für ihn ein Versuch der „Umvolkung“. Er glaubt, dass die Flüchtlingspolitik darauf ausgerichtet sei, „Deutschland als Zivilisation zu vernichten.“ Hessenkemper ist für einen Schulterschluss mit Pegida.
Ulrich Oehme (1960) hat im Wahlkampf mit dem Spruch „Alles für Deutschland“ geworben. Dabei handelt es sich um eine Losung aus der Zeit des Nationalsozialismus, die vor allem in der Sturmabteilung (SA) geläufig war und heute verboten ist. Oehme sagte, er habe das nicht gewusst. Früher war er allerdings bei der in Teilen vom Verfassungsschutz beobachteten, muslimfeindlichen Partei „Die Freiheit“. Er gehört dem „Flügel“ um Höcke und Gauland an.
Baden-Württemberg
Auch Thomas Seitz (1967) zählt zum strammrechten „Flügel“ um Höcke. Gegen den Freiburger Staatsanwalt läuft derzeit ein Disziplinarverfahren, weil er unter anderem Flüchtlinge als „Invasoren“ bezeichnete und SPD, Grüne und Linke als „linke Verräterbande“. Im Landtagswahlkampf erklärte er die Politik der Bundeskanzlerin zum „Auftakt zur Vernichtung des deutschen Volkes“. Er findet, Menschen mit schwarzer Hautfarbe sollte man auch weiterhin „Neger“ nennen.
Markus Frohnmaier (1991) ist der Chef der Jungen Alternative (JA), der Jugendorganisation der AfD. Frohnmaier arbeitet seit Jahren daran, die Junge Alternative europaweit mit rechten Jugendorganisationen zu verbinden. Er gilt als die zentrale Figur der AfD-Verbindungen nach Russland und Osteuropa. In diesem Jahr traf sich Frohnmaier mit Martin Sellner, dem Kopf der rassistischen „Identitären Bewegung“ in Österreich, für den sich auch der deutsche Verfassungsschutz interessiert. Frohnmaier versteht es, sich medial zu inszenieren. Nach der rassistischen Entgleisung seines Parteikollegen Alexander Gauland zu Aydan Özoguz setzte er noch eins drauf: Er „als Menschenfreund“ würde „Damen wie Aydan Özoguz oder Sawsan Chebli“ für 365 Tage in den Urlaub nach Anatolien oder Ramallah verabschieden.
Thüringen
Stephan Brandner (1966) gilt als enger Vertrauter des thüringischen AfD-Fraktionschefs Björn Höcke. Dieser selbst hatte sich für Brandner auf dem ersten Listenplatz ausgesprochen – er könnte nun Höckes Erfüllungsgehilfe im Bundestag werden. Auf Kundgebungen hetzt Brandner gegen den politischen Gegner. Zuletzt beschimpfte Brandner in einer Rede die Gegendemonstranten als Ergebnis von Inzucht und Sodomie. Im vergangenen Jahr war er während einer Sitzung des Landtages wegen mehrfacher Beleidigung von Abgeordneten des Plenarsaals verwiesen worden.
Jürgen Pohl (1964) leitete längere Zeit Höckes Wahlkreisbüro. Auf dem Parteitag der Thüringer AfD dröhnte er: „Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten. (...) Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk. Dann gnade euch Gott!“ Pohl soll laut „Focus“ Sympathien für die rechtsextreme NPD hegen.
Mecklenburg-Vorpommern
Der Rechtsanwalt Enrico Komning (1968) war früher Mitglied in der „Schill-Partei“, dann in der FDP. Er ist Mitglied in der Burschenschaft „Rugia Greifswald“. In der Vergangenheit gab es Berichte über personelle Überschneidungen zwischen dieser Burschenschaft und rechtsextremen Organisationen. Seine Kanzlei vertrat ein hochrangiges Mitglied der rassistischen „Identitären Bewegung“ in einem Rechtsstreit. Auf Facebook prahlt Komning damit, dass er mit seiner Tochter die erste Strophe der Nationalhymne singt.
Niedersachsen
Wilhelm von Gottberg (1940), langjähriger Vorsitzender des Bunds der Vertriebenen, wäre eigentlich Alterspräsident im neuen Bundestag, wenn in der vergangenen Legislatur nicht das Recht geändert worden wäre und nun der dienstälteste Abgeordnete den Job bekommt. Ihn treibt die Frage um, wie lange die nachwachsenden Deutschen noch mit dem „Makel der Schuld für zwölf Jahre NS-Diktatur belastet“ werden. Einst schrieb er im „Ostpreußenblatt“, der Völkermord am europäischen Judentum werde noch immer „als wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte“ herangezogen. 2003 sprang Gottberg dem damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann bei, nachdem dieser seine als antisemitisch verurteilte Rede gehalten hatte. Nun sitzen beide gemeinsam im Bundestag.
Rheinland-Pfalz
Sebastian Münzenmaier (1989) war vor seiner Zeit bei der AfD ebenfalls Mitglied bei der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“. Bei seiner Bewerbungsrede für die Bundestagsliste in Rheinland-Pfalz forderte er eine Verabschiedungs- anstatt einer Willkommenskultur. Derzeit steht er wegen des Vorwurfs der schweren Körperverletzung vor Gericht. Er soll 2012 mit etwa 50 Hooligans aus Kaiserslautern auf Mainzer Fußballfans eingeprügelt haben.
Brandenburg
AfD-Vize Alexander Gauland (1941) war 40 Jahre in der CDU und ließ in den vergangenen Wochen keine Zweifel an seiner Gesinnung aufkommen. Erst sprach er davon, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz in Anatolien zu entsorgen. Dann forderte er auf dem jährlichen Treffen des völkischen „Flügels“ in der AfD eine Neubewertung der Taten deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen. Die Deutschen hätten das Recht, „stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Gauland, der ein Verbündeter Höckes ist, hat gute Chancen auf den Fraktionsvorsitz.
Bayern
Der bayerische AfD-Vorsitzende Petr Bystron (1972) wird vom Verfassungsschutz beobachtet wegen seiner unverhohlenen Sympathie für die Identitäre Bewegung. Wörtlich hatte er gesagt: „Identitäre ist 'ne tolle Organisation. Das ist 'ne Vorfeld-Organisation der AfD und die müssen wir unterstützen.“ Er forderte später sogar, die AfD müsse ein Schutzschild für die Identitäre Bewegung sein. Laut dem Münchner Verwaltungsgericht, das über die Rechtmäßigkeit seiner Beobachtung zu entscheiden hatte, zeigt Bystron „tatsächlich Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“.
Der Ökonom Peter Boehringer (1969) gründete die Deutsche Edelmetall-Gesellschaft und eine Bürgerinitiative zur Rückführung des deutschen „Auslandsgolds”. Boehringer ist Anhänger von Verschwörungstheorien: Unter anderem der, dass eine geheime, global agierende Elite an einer neuen Weltordnung arbeitet – diese steuere auch die Bundesregierung. Er glaubt außerdem an eine gesteuerte Invasion durch Flüchtlinge, mit dem Ziel Europa zu islamisieren. Er sieht die Gefahr einer „Umvolkung“ Deutschlands durch Muslime.
Der Diplom-Volkswirt Hans-Jörg Müller (1968) teilt und verfasst Hetz-Postings auf Facebook. So schrieb er etwa, dass ausländische, deutschlandfeindliche Islamisten über die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz den deutschen Staat bis in die Bundesregierung hinein unterwandert hätten. Auf Kundgebungen spricht Müller von einem Bevölkerungsaustausch, der im Gang sei: „eingeborene Deutsche gegen angeblich Schutzsuchende aus Syrien“. Dieser Bevölkerungsaustausch, ereiferte sich Müller, werde von der Bundesregierung vorangetrieben, „die deklariert das als sogenannten Familiennachzug. (…) Da könnt ihr gar nicht so viel fressen, wie ihr dann kotzen wollt. Wie wir zum Abschuss freigegeben sind von den eigenen Politikern.“
Hessen
Martin Hohmann (1948) saß 1998 bis 2003 für die CDU im Bundestag und ist somit der einzige AfD-Kandidat, der Erfahrung im deutschen Parlament hat. Hohmann wurde 2003 aus der CDU-Fraktion ausgeschlossen, weil er eine als antisemitisch kritisierte Rede gehalten hatte. Darin beschwerte er sich, „dass man als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung“ genieße und stellte die Frage, ob nicht Entschädigungszahlungen an jüdische Opfer des Nationalsozialismus gemäß der Wirtschaftslage zu verringern seien. Später folgte auch der Parteiausschluss. Hohmann saß noch bis 2005 als fraktionsloser Abgeordneter im Bundestag.
Frank Pasemann (1960), der Schatzmeister der AfD in Sachsen-Anhalt, ist Mitglied der strammrechten Patriotischen Plattform. Er gilt als Verbindungsmann in die Identitäre Bewegung und war, wie 2010 durch ein Datenleak bekannt wurde, Kunde im Onlineshop der bei Neonazis beliebten Marke Thor Steinar.
Nordrhein-Westfalen
Martin Renner (1954) hat offenbar etwas für NPD-Vokabeln übrig. Er sprach auf dem Landesparteitag in NRW von „Schuldkult-Hypermoralisierung“ und stellte sich hinter den Inhalt von Höckes Rede. Renner gilt als Politiker am äußerst rechten Rand. Er will gegen die „sozialistische Versiffung der Gesellschaft“ kämpfen.
Stefan Keuter (1972) trat in Nordrhein-Westfalen mehrmals bei Pegida als Redner auf. Ein Video von einem Auftritt zeigt ihn neben einer Deutschlandfahne stehend, wie er gemeinsam mit dem Demonstranten „Lügenpresse“ skandiert und anschließend den fiktiven „Pegida Presse Preis für schlechten Journalismus“ an den WDR vergibt.