Union greift Heiko Maas an: "Das schadet dem Zusammenhalt der Nato"
Droht nach der Kündigung des Abrüstungsvertrages INF ein nukleares Wettrüsten? Davor warnt der Außenminister - und zieht Kritik der Union auf sich.
Wiederholen sich in der Sicherheitspolitik demnächst die 80er-Jahre? Steuert Deutschland auf eine neue Nachrüstungesdebatte zu, weil die Nato auf die Bedrohung durch ein neues russisches Raketensystem antwortet, das gegen den INF-Abrüstungsvertrag verstößt? Außenminister Heiko Maas (SPD) malt seit Wochen diese Gefahr an die Wand – und hat sich festgelegt. "Nukleare Aufrüstung ist ganz sicher die falsche Antwort", erklärt er und sagt voraus: "Eine Stationierung neuer Mittelstreckenraketen würde in Deutschland auf breiten Widerstand stoßen."
Die Friedenspartei SPD hört solche Töne gern. Doch der Partner Union zeigt sich verstört – und reagiert mit harten Worten. "Wenn ein Außenminister eine Option von vornherein ausschließt, dann schwächt er die Verhandlungsposition des Bündnisses", kritisiert nun Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU): "Das schadet dem Ansehen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, das schadet auch dem Zusammenhalt in der Nato."
Wadephul unterstellt dem Außenminister, er habe vor allem die Befindlichkeiten der SPD im Blick: "Offenkundig nimmt der Minister hier Rücksichten, die in der Sache nicht sinnvoll sind." Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass Russland ein neues Waffensystem entwickelt und wohl auch zu stationieren begonnen habe, das gegen den INF-Vertrag verstoße und Deutschland unmittelbar bedrohe. Es stärke die Sicherheit Europas nicht, "wenn wir den Kopf in den Sand stecken, sondern wenn wir diese Entwicklungen ansprechen und Russland dazu bringen, den INF- Vertrag wieder einzuhalten".
Der CDU-Außenpolitiker fordert: "Wir müssen uns alle Optionen offenhalten." Auf die Entwicklung neuer Raketen durch Russland gebe es "viele Möglichkeiten einer Antwort", sagt Wadephul: "Es muss nicht unbedingt eine Nachrüstung landgestützter Waffen geben, es könnten auch andere Abwehrmaßnahmen entwickelt werden." Ganz ähnlich hatte sich Kanzlerin Angela Merkel nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses vom Mittwoch geäußert. Im Gegensatz zu Maas erwartet die Kanzlerin keine neue Nachrüstungsdebatte. Sie glaube nicht, dass sich Geschichte wiederhole, wird sie zitiert.
Auch die Liberalen wundern sich. "Es ist grundsätzlich ein Kennzeichen kluger Außenpolitik, Fragen, die einem niemand stellt, nicht zu beantworten", sagt Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff. Dies gelte besonders, "wenn die Bundesregierung einmal mehr auf einen großen Streit zusteuert, den der Außenminister so im gesamten Bündnis sichtbar macht." Maas fliegt am Freitag nach Moskau, um unter anderem über den INF-Vertrag zu sprechen.