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Nicht so gut gelaunt - Die Linke
© dpa

Wahl in Mecklenburg-Vorpommern: Das rechte Problem der Linken

In Mecklenburg-Vorpommern erreicht die selbsternannte Volkspartei des Ostens nicht mal 13 Prozent. Wie konnte die Linkspartei so schnell abstürzen? Eine Suche im Karl-Liebknecht-Haus.

Vor dem Eingang des Karl-Liebknecht-Hauses steht ein einsamer Plastikaufsteller: Wahlparty, steht drauf. Drin, im Rosa-Luxemburg-Saal, gibt es unterdessen nichts zu feiern. Die Enttäuschung lässt sich in den Augen der Anwesenden ablesen. In ihrem Kopfschütteln. Wenige Linken-Politiker und einige wenige Gäste sind in die Parteizentrale der Linkspartei gekommen. Alle Augen sind auf die Leinwand gerichtet. 12,5 Prozent für die Linke in Mecklenburg-Vorpommern gibt die ARD durch. Historisch tief. Die selbsternannte „Volkspartei des Ostens“ ist nur noch viertstärkste Kraft im Schweriner Landtag, oder soll man sagen: zweitschwächste?

Auf der Leinwand: das Schweriner Schloss, feiernde AfD-Politiker, zufriedene SPDler, enttäuschte CDUler und geknickte Linke. Helmut Holter, Fraktionsvorsitzender der Linken in Mecklenburg-Vorpommern und Spitzenkandidat, sagt: „Wir haben unser Wahlziel nicht erreicht.“ Weit davon: Es ist das schlechteste Landesergebnis der Partei (und ihrer Vorgängerin PDS) überhaupt.

Holter steht für eine pragmatische, starke Linkspartei. Der 63-Jährige hat schon als Arbeitsminister der rot-roten Koalition mitregiert– als erster Minister der PDS nach der Wende. Vor der letzten Wahl 2011 waren 37 Prozent der Wahlberechtigten zufrieden mit seiner politischen Arbeit. Die Linke legte zu, auf 18,4 Prozent. Holter bot sich der SPD als Juniorpartner an. Doch SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering führte – auch wegen deutlichem Rückhalt in der Bevölkerung – die Koalition mit der CDU als Juniorpartner fort.

Keine Spur von Aufbruchstimmung

2016 dann der nächste Versuch. Auf zehn Jahre große Koalition sollte Rot-Rot-Grün folgen. Das Problem aber: Die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns wollen wieder nicht. 64 Prozent der Mecklenburger sind mit der Amtsführung von SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering zufrieden. Er genießt auch beim Juniorparter CDU hohes Ansehen. Keine Spur von Aufbruch-, geschweige denn Umbruchstimmung.

Im Karl-Liebknecht-Haus geht ein Stöhnen durch den Raum, als das Ergebnis der eigenen Partei angekündigt wird, dann, beim Ergebnis der AfD, noch eines. Wenn es noch Hoffnung auf ein ehrbares Ergebnis gab, ist sie spätestens jetzt verflogen. Die meisten glaubten wohl sowieso nicht mehr daran: In den vergangenen Wochen hatte sich ein schlechtes Ergebnis abgezeichnet.

Vor zwei Monaten noch erreichten die Umfragewerte der Linken noch fast 20 Prozent. In einer Infratest Dimap Umfrage vom 30. Juni erreichte sie 18 Prozent, am 12. August laut einer Insa-Umfrage 19 Prozent. Dann aber, in der letzten Umfrage des ZDF-Politbarometers: 13 Prozent. Womöglich ist es noch schlechter als in dieser pessimistischsten Umfrage gekommen.

Die janusköpfige AfD

Schon eine Woche vor der Wahl benannte Holter den Schuldigen für diese Entwicklung: die „geistigen Brandstifter mit rechtsextremen Tendenzen“, wie er die AfD nennt. Diese „janusköpfige Partei“ – wieder Holter -,  der man „die Maske vom Gesicht reißen“ müsse.

Keine Partei hat seit 2014 in Landtagswahlen prozentual so viele Wähler an die AfD verloren wie die Linkspartei. Und wie es scheint, hat sie bisher kein Konzept dagegen. Eines scheint klar: Die alte linke Strategie des Unten gegen Oben verfängt nicht so gut wie das Innen gegen Außen: Die Erzählung vom Hiesigen gegen den Fremden kommt an – ablesbar am guten Ergebnis der AfD, die in Mecklenburg-Vorpommern mehr noch als in anderen Bundesländern mit Deutschtümelei und Ausländerfeindlichkeit arbeitet.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern versammelte die Linkspartei Progressive, linke Ideologen und Protestwähler im Kampf gegen „das Establishment“ – diese Erzählung verkauft die AfD offenbar heute glaubwürdiger.

Während Progressive und linke Ideologen der Linkspartei nicht so schnell verloren gehen werden, hinterlässt die Abwanderung der Protestwähler ein großes Loch.

Wie gewinnt die Linke ihre alten Wähler zurück?

Aber wie will die Linke diese Wählerschichten wieder erreichen? Man müsse soziale Konflikte stärker thematisieren, sagt Parteichefin Katja Kipping im Rosa-Luxemburg-Saal. Vor allem aber dürfe man sich nicht in Streit locken lassen. Streit mit wem, lässt sie offen. Ob der Appell wohl an Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gerichtet war?

„Es lohnt sich nicht, Positionen der Rechtspopulisten aufzugreifen“, sagt Ko-Chef Bernd Riexinger. Man sehe am ebenso katastrophalen Ergebnis der CDU, dass das nichts nütze. Auch bei ihm fällt der Name Wagenknecht nicht.

Seit Wochen schon gibt es Streit in der Linken-Spitze in der Frage, wie offen man für die Ressentiments der Protestwähler sein darf. Offizielle Parteilinie ist die uneingeschränkte Solidarität. Mit Arbeitslosen und Geringverdienern, aber eben auch mit Flüchtlingen und Migranten. Mit populistischeren Tönen, zuletzt von Sahra Wagenknecht angeschlagen, erhoffen sich einige die Rückkehr der Protestwähler ins eigene Lager.

Dass Mecklenburg-Vorpommern sich Sahra Wagenknechts Linie anschließt, ist unwahrscheinlich

Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern gilt als progressiv. Ex-Landeschef Peter Ritter schrieb nach der Kontroverse um populistische Äußerungen von Wagenknecht: „Ich hoffe, niemand aus meinem wahlkämpfenden Landesverband lädt diese Genossin zu irgendwas ein.“  Auch Spitzenkandidat Holter ist kein Wagenknecht-Freund.  Schon 2011 warnte er vor ihr. Damals argumentierte er: Sie in den Parteivorstand zu wählen, sei ein Signal, dass die Partei sich „nicht von kommunistischen Überzeugungen gelöst hatte“.

Dass der Landesverband im Nordosten sich Wagenknechts Linie anschließt, ist unwahrscheinlich. Aber was dann? Weder im Karl-Liebknecht-Haus, noch sonst wo scheint die Linke ein schlüssiges Konzept zu haben. Riexinger möchte „ungeschönt soziale Probleme ansprechen“, Kipping „angriffslustig soziale Fragen stellen“, der Berliner Landeschef Klaus Lederer will Menschen „die Hoffnung wiedergeben“, die Gesellschaft politisch gestalten zu können. Also weiter wie bisher? Rico Gebhardt, Landeschef in Sachsen, will „Staub abklopfen und weitermachen“. Und Steffen Bockhahn, ehemaliger Landeschef Mecklenburg-Vorpommerns, das Gegenteil: „So darf es nicht weitergehen.“

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