Politik: Das Recht der Zweitfrau
Die Entscheidung zum Verbleib einer Irakerin in Deutschland ist vor allem eine Kritik an der Duldungspraxis der Ausländerbehörden
Das Kopftuch ist nicht das einzige Thema, bei dem sich die deutsche Rechts- und Werteordnung mit der islamischen konfrontiert sieht. Am Montag hat das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht entschieden: Auch eine nach muslimischem Recht geheiratete Zweitfrau darf in Deutschland bleiben, wenn ihr Mann hier lebt.
Das Urteil weckte Reflexe, das Land könne dank dieser Rechtsprechung von Einwanderinnen überrannt werden, ebenso wie die Sorge, damit deute sich das Ende der monogamen Ehe in Deutschland an. Tatsächlich ist wenig bekannt, dass die Justiz – und auch der Gesetzgeber – dem islamischen Recht des Mannes, Ehen mit bis zu vier Frauen einzugehen, durchaus Rechnung tragen, etwa bei Renten- und Versorgungsansprüchen. Die Gerichte erkennen sogar an, dass polygame Ehen zumindest in Teilen jenen Schutz genießen können, den das Grundgesetz an sich nur den nach deutschem bürgerlichen Recht geschlossenen Ehen gewährt.
Dieser Schutz erstreckt sich jedoch nicht auf das Ausländerrecht. Das „Ehegattenprivileg“ erlaubt nur einem Gatten, dem Partner nachzureisen. Dies sieht auch die Koblenzer Justiz so. Zweit- und Drittfrauen dürfen also auch nach dem Urteil nicht einwandern. Um Familiennachzug ginge es hier gar nicht, meint das Gericht, sondern nur um ein selbstständiges Bleiberecht der Frau. Ein „Sonderfall“, wie das Gericht mehrfach betont.
Die klagende Irakerin ist seit 1990 mit ihrem ebenfalls irakischen Mann verheiratet, der wiederum bereits 13 Jahre früher eine weitere Ehe eingegangen war. 1996 floh der Mann nach Deutschland, 1999 reisten ihm beide Frauen hinterher. Die Erstfrau bekam eine Aufenthaltsbefugnis, die zweite jedoch nicht. Weil im Irak kein Flugzeug landen durfte, die Frau keinen Pass besaß und eine Abschiebung somit ausschied, erhielt sie über Jahre immer wieder auf drei Monate befristete „Duldungen“ – ein rechtlich stark eingeschränkter Status, der mit dem Zuwanderungsgesetz abgeschafft werden soll.
Die Behörden haben nach Meinung des Gerichts nicht dargelegt, dass sich an diesem Zustand etwas ändern werde. Ihnen warfen die Richter vor, sie hätten es sich mit dieser von Flüchtlings- und Asylorganisationen häufig kritisierten Praxis selbst zuzuschreiben, wenn die Irakerin jetzt, nach Jahren der Gemeinsamkeit in einer polygamen Ehe, nicht mehr abgeschoben werden könne: Es sei ihr nun nicht mehr zumutbar, ihre Ehe nur noch durch Besuche aufrechtzuerhalten. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, ist die Aufenthaltsbefugnis indes keine Garantie für ein Leben in Deutschland – es ist der zweitschwächste Aufenthaltsstatus.
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