Lobby-Briefe von Parlamentariern: Das politische Engagement für Firmen gehört in die Öffentlichkeit
Wirtschaftspolitik gehört zu ihrem Mandat, verteidigen sich die Abgeordneten. Das ist richtig. Aber Politik muss diskutiert werden können. Ein Kommentar.
Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft, auch enge, sind unbestritten nötig und gehören zur Demokratie wie die Verbindung zwischen Politik und Volk. Nur welche es sind, welche Absichten sie leiten und welche Pflichten Beteiligte zu achten haben, das gilt es immer neu auszuhandeln.
Eine Karriere, wie Gerhard Schröder sie nach seiner Amtszeit beim russischen Konzern Gazprom starten konnte, wirft ebenso Fragen auf wie das Wirken eines gescheiterten Verteidigungsministers, der mit alten Kontakten Kanzleramtstüren für die Betrügerfirma Wirecard öffnen konnte. Lobbyismus ist deshalb ein ewiges Thema, weil es ein ewig neues ist.
In möglicherweise neuem Licht erscheint nach dem Fall des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor auch die parlamentarische Praxis, sich mit dem Gewicht des Mandats bei Behörden und Regierung für Unternehmen zu verwenden.
Das Wirtschaftsministerium hat auf Tagesspiegel-Antrag erstmals Dutzende Briefe zugänglich gemacht, in denen Politiker für Firmeninteressen eintreten. Zuweilen wird es erstaunlich kleinteilig; Abgeordnete machen hier keine Politik, sondern wirken an Geschäften mit, etwa wenn es um gestellte Anträge für Genehmigungen geht.
Manche halten die Kollaboration für ein Geschäftsgeheimnis
Der Verweis darauf, hier handele es sich um bloßes wirtschaftspolitisches Engagement, das zum Mandat gehöre – zumal im eigenen Wahlkreis – trägt nur bedingt. Das Wesen demokratischer Politik besteht in öffentlicher Teilhabe.
Hier aber ist wenig bis nichts öffentlich. Amtliche Dokumente sind geschwärzt, zuständige Behörden machen dicht und Abgeordnete wie der CSU-Politiker Stephan Mayer, der vielleicht zu den Briefe-Absendern zählt, verweigern die Auskunft und halten mögliche Kollaborationen für Betriebsgeheimnisse der Firmen.
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Welche Wirtschaftspolitik für einen Wahlkreis aber hat diesen Namen verdient, wenn Wählerinnen und Wähler im Wahlkreis sie weder kennen noch beurteilen können?
Es scheint nicht genehm, hier Fragen zu stellen. Es gibt aber welche. Es ist nicht ausgeschlossen, dass manche ihren konzentrierten Einsatz mit der Aussicht auf Vorteile für sich oder Dritte verbinden; das müssen keine finanziellen sein. Es genügt mitunter die Hoffnung auf Kontakte, die vielleicht später einmal einträglich werden, oder ein Freundschafts- oder Familienverhältnis, das mit solchen Diensten stabil gehalten wird.
Wenn aus Volksvertretern Firmenvertreter werden, ist das nicht verboten, muss aber in allen Zusammenhängen diskutiert werden können. Die Abgeordneten wollen das bisher kaum, die Exekutive stellt sich hinter sie. Die Justiz schweigt, weil es an Regeln fehlt. Die Staatsgewalten scheiden aus. In diesem Lobbyismus-Fall muss die Demokratie sich selbst helfen.