Wirtschaftsbeziehungen - 20 Jahre Nafta: Das Netz des Geldes
Investorenregime überziehen den Globus mit geheim verhandelten Abkommen: TTP, CETA oder TTIP. Vorgänger ist das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta. Es trat 1994 mit ähnlichen Verheißungen in Kraft. Eine Bilanz.
Am 1. Januar 1994, die Börse in New York hatte wie an jedem Neujahrstag geschlossen, trat Nafta in Kraft, und tags darauf schloss der Dow Jones auf einem Hoch.
Nafta, das nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko, war in jahrelangen Verhandlungen vereinbart worden. Als Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme hatte man es den US-Amerikanern verkauft, den Mexikanern hatte man vor allem versprochen, dass ihr Entwicklungsland sich zum Industrieland mausern werde und den Kanadiern höhere Produktivität.
Es war Bill Clinton, der als US-Präsident am 8. Dezember 1993 die letzte Unterschrift unter das 2000 Seiten dicke Vertragswerk setzte. „Die größte Freihandelszone der Welt wird entstehen“, sagte er während der Zeremonie, „und allein bis 1995 werden in den USA 200 000 Jobs geschaffen werden.“
Der Linguist Noam Chomsky analysierte als politischer Kommentator schon damals, dass Nafta „ein höchst protektionistisches Abkommen“ sei, geschlossen „von den USA und den assoziierten Eliten Mexikos und Kanadas, gegen die Bevölkerungen ihrer eigenen Länder“.
Die Europäische Union verhandelt gerade mit den USA das Freihandelsabkommen TTIP. Aus diesem Anlass ein Rückblick auf 20 Jahre Nafta in acht Kapiteln.
Kapitel 1: Freihandel
Freihandel ist laut Definition ein System uneingeschränkten zwischenstaatlichen Handelsverkehrs. 1947 wurde zu diesem Zweck das „General Agreement on Tariffs and Trade“ GATT gegründet, das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen. In den Jahrzehnten darauf wurden weltweit Zölle und Einfuhrquoten abgebaut. Als Nachfolgeorganisation wurde 1995 von 110 GATT-Ländern die Welthandelsorganisation WTO gegründet.
Freihandelsabkommen, so die Befürworter, schafften Wachstum und Wohlstand. Weil sie tarifäre Handelshemmnisse, Zölle, abbauen und nicht tarifäre Handelshemmnisse harmonisieren; alles an Produktvorschriften und solchen für Gesundheits-, Umwelt-, Hygiene-, Sicherheits- und Arbeitsrecht, die den globalen Austausch behinderten.
Kritiker wie der Publizist Werner Rügemer sehen das anders. Seit den 1980er Jahren gehe es unter dem Stichwort „Freihandel“ um etwas anderes: um Investitionen. Die sollten durch die WTO geregelt werden, „eine Art Investoren-Weltregierung“. Doch dagegen gab es laut Rügemer Widerstand von Staaten wie China, Indien, Brasilien, Venezuela und Kuba, weshalb vor allem die USA mit der EU im Schlepptau neue Wege gehen und mit einzelnen Staaten gesonderte Verträge schließen.
Nafta, das Dienstleistungen (mit wenigen Einschränkungen), Investitionen, das öffentliche Beschaffungswesen (mit wenigen Einschränkungen) und geistiges Eigentum umfasst, war in dieser Hinsicht ein Pionierabkommen, vor allem wegen der in ihm festgeschriebenen Sonderrechte für Investoren.
Kapitel 2: Im Vorfeld von Nafta
Investorenrechte standen während der Nafta-Verhandlungen noch nicht im Fokus der kritischen Öffentlichkeit, doch schon damals gab es Widerstand vor allem vonseiten der Verbraucherschutzorganisationen und Gewerkschaften in den USA und Kanada, aber auch in Mexiko. Denn dass sich der Kapitalismus unter der Freihandelsflagge neues Terrain eroberte, war vor allem in den Entwicklungsländern bereits zu sehen gewesen. Der Internationale Währungsfonds IWF und die Weltbank drängten Länder wie Mexiko schon in den 1980er Jahren zu einer radikalen Änderung ihrer Wirtschaftspolitik: weg von der staatlichen Förderung der einheimischen Landwirtschaft hin zur Öffnung der Binnenmärkte für Importe, zur Exportorientierung der Wirtschaft und zur Privatisierung von Staatsbesitz.
Nafta war in dieser Hinsicht ein weiteres, mächtiges Instrument. Die Politologin Eva Lavon schrieb 1994: „Mexiko soll durch diesen internationalen Vertrag dazu verpflichtet werden, die bereits eingeleiteten ökonomischen Reformen auch in Zukunft weiterzuführen. Kanada wird durch das Abkommen enger an die US-amerikanische Ökonomie gebunden und unterliegt somit einem höheren Anpassungsdruck. Beide Partnerländer werden durch das Freihandelsabkommen aufgrund eines erhöhten Wettbewerbsdrucks noch stärker als bisher gezwungen, der US-amerikanischen Deregulierungsstrategie zu folgen.“
Heute bilanziert Richard L. Trumka, Präsident des US-amerikanischen Dachverbands der Gewerkschaften AFL-CIO: „Die Löhne haben in allen drei Ländern stagniert, und Familien haben Mühe, die Kosten für Krankenkasse, Bildung und Wohnen und für die Rentenversicherung zu bezahlen.“
Kapitel 3: Folgen für die USA
Die weltgrößte US-amerikanische Verbraucherschutzorganisation Public Citizen geht davon aus, dass durch Nafta rund eine Million Arbeitsplätze in den USA verloren gingen. Auch die Qualität der Arbeit habe sich verschlechtert: Aus gut bezahlten Industrie-Arbeitsplätzen sind schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs geworden. Nafta-bedingt drängen mexikanische Wanderarbeiter als Billigstarbeitskräfte auf den US-amerikanischen Arbeitsmarkt. Während sich die Löhne im Durchschnitt auf dem Niveau von 1979 bewegen, ist die Einkommensungleichheit massiv gestiegen. Seit Nafta ist das Einkommen der reichsten zehn Prozent der US-Amerikaner um 24 Prozent gewachsen und das der reichsten ein Prozent sogar um 58 Prozent.
Kapitel 4: Folgen für Mexiko
Forscher unterscheiden zwei Etappen der landwirtschaftlichen Entwicklung Mexikos unter Nafta. Die erste ist die des Dumpings. Sie umfasst die Jahre von 1994 bis 2000. Die USA überfluteten den mexikanischen Markt mit hoch subventionierten landwirtschaftlichen Produkten und übten so vor allem auf die drei Millionen kleinen einheimischen Mais-Produzenten enormen Druck aus. Héctor Carlos Salazar vom Dachverband der mexikanischen Maisproduzenten sagt: „Wir haben 27 Millionen Hektar Anbaufläche, die USA dagegen 179 Millionen. An Subventionen bekommt ein mexikanischer Bauer 700 Dollar, einer in den USA 21 000 Dollar pro Jahr.“
Sollte Nafta den Handel befreien - oder die Kozerne?
Der US-amerikanische Gewerkschaftsdachverband spricht heute von einer Million verlorener Arbeitsplätze zwischen 1991 und 2000 allein in der mexikanischen Maisproduktion und von einer weiteren Million in der mexikanischen Landwirtschaft insgesamt. Heute müssen in Mexiko 60 Prozent des Bedarfs an Weizen und 70 Prozent an Reis importiert werden.
Als 2008 schließlich alle Zölle und Einfuhrquoten abgeschafft waren, begann die zweite Phase: die der Abhängigkeit. Viele Bauern haben ihr Land an Agrarmultis verkauft und sind in die Industriegegenden im Norden gezogen, wo sich die Zuliefererindustrie Nafta-bedingt rasant ausgeweitet hatte, oder in die USA und nach Kanada, um dort als unterbezahlte, oft papierlose Gelegenheitsarbeiter, Lebensmittel für Mexiko zu produzieren.
Innerhalb von 20 Jahren hat sich der Export von mit subventioniertem Soja und Mais erzeugten Rinder-, Geflügel- und Schweinefleisch aus den USA nach Mexiko verfünffacht. In Mexiko wird das Fleisch zu Preisen verkauft, die 20 Prozent unter den Herstellungskosten liegen. Mexikanische Bauern sind nicht konkurrenzfähig.
Umgekehrt exportiert Mexiko, das 80 Prozent seines Außenhandels mit den USA abwickelt, vor allem Erdöl, aber auch Textilien, Autos und elektronische Geräte, die aus importierten Vorprodukten hergestellt werden. Die versprochene industrielle Modernisierung Mexikos blieb also aus. Da die Zuliefererindustrie Millionen landloser Bauern nicht absorbieren kann, hat sich die illegale Auswanderung Richtung Norden in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Auch die Kriminalitätsrate ist in die Höhe geschossen.
Kapitel 5: Folgen für Kanada
Kanada hatte man, neben mehr ausländischen Direktinvestitionen, vor allem eine diversifiziertere, effizientere und wissensbasiertere Wirtschaft versprochen. Außerdem sollte die Produktivitätslücke der kanadischen Wirtschaft gegenüber der US-amerikanischen geschlossen werden. Und durch die Stärkung der Wirtschaft insgesamt sollte der kanadische Sozialstaat gestärkt werden.
Die ausländischen Direktinvestitionen haben tatsächlich massiv zugenommen, vor allem aber in Form von Übernahmen und Fusionen von Unternehmen. Die Großkonzerne sind also noch größer geworden und deren Profite auch. Die Produktivität der kanadischen Wirtschaft insgesamt ist hingegen gesunken. Und das Land ist wieder zu einem Exporteur von Rohstoffen geworden, die inzwischen knapp zwei Drittel seiner Exporte ausmachen. Es handelt sich vor allem um Erdöl aus der umstrittenen Ölsandförderung. Und nicht zuletzt wurde der Sozialstaat geschrumpft.
Kapitel 6: Folgen insgesamt
Der Handel zwischen den drei Ländern hat sich seit 1994 verdreifacht, doch profitiert haben davon in der Hauptsache Großkonzerne und Vermögenseigentümer, während die Einkommensungleichheit in allen drei Ländern massiv zugenommen hat. Und so verschärft Nafta nicht nur die Spaltung zwischen einem Entwicklungsland und zwei Industrieländern. Es forciert auch eine den Neoliberalismus insgesamt charakterisierende Spaltung zwischen den vermögenden Eliten auf der einen Seite und den arbeitenden Bevölkerungen auf der anderen Seite. „Profit over People“ hat Noam Chomskys das schon damals eingängig formuliert.
So ähnlich fasst auch Jeff Faux vom Economic Policy Institute in Washington das Erbe von 20 Jahren Nafta zusammen. Dieses Handelssystem habe die versprochenen Vorteile nicht gebracht, weil es gar nicht dafür konzipiert gewesen sei. „Die Vereinbarungen haben die Interessen der amerikanischen Arbeiter wegverhandelt zugunsten amerikanischer Unternehmen, die für den US-Markt produzieren wollen, in Ländern, in denen die Arbeit billig ist, umwelt- und gesundheitsrechtliche Regulierungen schwach und Regierungen käuflich sind.“ Naftas Hauptanliegen sei nicht der befreite Handel gewesen, sondern die Befreiung multinationaler Konzerne von öffentlichen Verpflichtungen in den USA, in Mexiko, in Kanada und letztendlich auf der ganzen Welt.
Barack Obama sah das offenbar ähnlich, bevor er Präsident wurde. „Nafta verschrotten oder reparieren?“, wurde er 2007 gefragt, und er antwortete, Nafta gehöre verbessert, denn es solle nicht bloß für die „Wall Street“, sondern auch die „Main Street“ gut sein. Doch seit er Präsident ist, arbeitet er, wie zuvor Bush sen., Clinton und Bush jr., für eine Vertiefung des Nafta-Modells und seine weltweite Ausdehnung in Form neuer Abkommen.
Gerade laufen Verhandlungen, allesamt hinter verschlossenen Türen, in Brüssel, in Genf, in Salt Lake City. Die Parlamente der betroffenen Länder sind nicht beteiligt. Gewerkschaften, Verbraucher- und Umweltverbände sowie andere Nichtregierungsorganisationen sind ausgeschlossen. Nur die Lobbyisten der Großkonzerne sind willkommen. Die Abkommen heißen CETA, TISA, TPP, TTIP. Im Kern geht es um die rechtliche Neuordnung des Verhältnisses von Staaten zu Privatkonzernen zugunsten Letzterer, meist unter dem unverfänglichen Stichwort „Rechtssicherheit für ausländische Investoren schaffen“.
Kapitel 7: Investoren gegen den Staat
Nafta regelt die neuen Privilegien von Konzernen und Investoren in Kapitel 11. Es gilt als eine der investorenfreundlichsten Vereinbarungen, die je zwischen Staaten abgeschlossen wurden. Kapitel 11 enthält drei Schlüsselelemente, die auch in die seither ständig steigende Zahl weiterer Freihandels- und Investitionsvereinbarungen Eingang finden.
Aus Verhandlungsführern wurden Kläger: die Schattenseiten der privaten Schiedsgerichte
Erstens: das Recht auf Gleichbehandlung in- und ausländischer Investoren. Das kann beispielsweise dazu führen, dass ein mexikanisches Unternehmen mit einem globalen Konzern aus den USA um die Auftragsvergabe bei einer öffentlichen mexikanischen Institution konkurrieren muss.
Zweitens: das Recht auf Entschädigung bei einer direkten oder indirekten Enteignung. Um direkte Enteignungen physischen Eigentums geht es dabei in der Praxis kaum, um die indirekte Enteignung dagegen umso mehr. Eine indirekte Enteignung liegt vor, wenn die Gewinne, selbst die erwarteten zukünftigen Gewinne eines Konzerns, durch politische Entscheidungen beeinträchtigt sind. Der Investor kann dann auf Schadenersatz klagen.
Drittens: das Recht auf freien Kapitalverkehr aus dem Gastland. Ein Unternehmen kann ein Land jederzeit verlassen, während es umgekehrt vom Staat nicht zum Abzug aufgefordert werden kann.
Um diese Rechte durchsetzen zu können, enthält Kapitel 11 auch die heute besonders kontrovers diskutierten Bestimmungen zur privaten Schiedsgerichtsbarkeit. Seit Nafta gilt das investor-to-state-dispute-settlement, kurz ISDS. Gemeint ist, dass ein Investor im Konfliktfall einen Staat auf die Anklagebank zwingen kann. Und zwar vor ein nicht demokratisch legitimiertes Privatgericht, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt und dessen Entscheidungen unanfechtbar sind. Für die Nafta-Klagen sind zwei Schiedsgerichtsstellen zuständig: das International Center for Settlement of Investment Disputes der Weltbank und die UN Commission for International Trade Law.
Neue Anwaltseliten bilden sich, es geht um lukrative Geschäfte
In einer spanischen Studie wurden Besonderheiten derartiger ISDS-Verfahren herausgearbeitet. Dem Wissenschaftler Patxi Zabalo zufolge entstammen die Schiedsregeln dieser Privatgerichte „einer Strategie, die von Unternehmens- und Anwaltsorganisationen ersonnen wurde, um die Justiz zu privatisieren, jedenfalls in Hinsicht auf das Handelsrecht“. Damit würden jahrhundertealte Rechtstraditionen gebrochen.
In einer Studie des US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverbands zu 20 Jahren Nafta werden weitere problematische Aspekte der Investor-Staat-Verfahren benannt: Die Schiedsrichter, die den Fall entscheiden, werden von den Streitparteien ausgewählt und bezahlt. Sie haben also ein Interesse daran, dieses System zu erhalten und auszudehnen. Es kommt zum sogenannten Drehtüreffekt zwischen den Schiedsgerichten, führenden internationalen Kanzleien und handelsbezogenen Posten innerhalb von Regierungen.
Einige der Unterhändler und Berater bei den Nafta-Verhandlungen sind später zu den großen Namen der Schiedsgerichtsindustrie avanciert. Pia Eberhardt und Cecilia Olivet haben das in einer von der Anti-Lobby-Organisation Corporate Europe Observatory und der Denkfabrik für progressive Politik Transnational Institute publizierten Studie zum internationalen Investitionsbusiness recherchiert.
Sie berieten Mexiko - und verklagten das Land nach Vertragsunterzeichnung
Beispielsweise die Anwälte Jan Paulsson und Guillermo Aguilar Alvarez, die beide die mexikanische Regierung berieten. Als Nafta unterzeichnet war, haben Paulsson und Alvarez Unternehmen veranlasst, die drei Unterzeichnerstaaten zu verklagen. Auch Daniel Price, der im Auftrag der US-amerikanischen Regierung damals Mexiko von Kapitel 11 überzeugte, wurde später von zwei US-amerikanischen Konzernen beauftragt, Mexiko zu verklagen. Alle drei sind Pioniere dieser neuen Branche und gehören als Anwälte und Schiedsrichter zur winzigen internationalen Elite der privaten Schiedsgerichtsbarkeitsindustrie, die für die Beteiligten zu einem äußerst lukrativen Geschäft geworden ist.
Dass ausländische Investoren Regierungen wegen politischer Entscheidungen vor ein privates Tribunal zwingen können, sofern sie dadurch ihr Eigentum gefährdet sehen – und dazu zählen auch die erwarteten Gewinne –, bedeutet eine unerhörte Einschränkung staatlicher Souveränität. Denn nationalstaatliches Recht wird hier einem auf völkerrechtlichen Verträgen fußenden parallelen Konzernrecht untergeordnet. In der Nafta-Zone wird dieses private Recht längst praktiziert. Auch viele andere Lände, die Nafta-ähnliche Abkommen mit ISDS-Kapiteln unterschrieben haben, sind davon betroffen. 3200 regionale und bilaterale Abkommen gibt es inzwischen. Und so ist auch die Zahl der ISDS-Klagen seit Mitte der 1990er Jahre explodiert.
Exxcon Mobil und Murphy Oil klagten gegen Kanada.
In einem der allerersten Verfahren gegen Kanada klagte das US-Unternehmen Ethyl und zwang die kanadische Regierung, ein bestehendes Gesetz aufzuheben, das einen gesundheitsschädlichen Benzinzusatzstoff verboten hatte, und außerdem 13 Millionen US-Dollar Schadenersatz zu bezahlen.
Die US-amerikanischen Energiekonzerne Exxon Mobil und Murphy Oil gewannen eine Klage gegen die kanadische Regierung, die eine Entschädigung von 60 Millionen US-Dollar bezahlen musste, weil Kanada Ölkonzerne in einen Fonds für Forschung und Entwicklung zahlen lässt. Diese alle Unternehmen betreffende Regulierung hat den Zweck, wenigstens einen Teil der Profite der Rohstoffentnahme Kanadas ärmsten Provinzen zugutekommen zu lassen. Als die Unternehmen mit ihrer Klage vor kanadischen Gerichten gescheitert waren, haben sie auf das in Kapitel 11 niedergelegte Investor-Staat-Verfahren zurückgegriffen und recht bekommen.
Anhängig ist eine Klage des kanadischen Öl- und Gaskonzerns Lone Pine, der über eine US-Niederlassung gegen die eigene Regierung klagt, weil die Provinz Quebec wegen Umweltrisiken bei der Gasförderung ein Moratorium für Fracking erlassen hat. Gefordert werden 250 Millionen US-Dollar Schadenersatz.
Der US-Pharmakonzern Eli Lilly fordert von der kanadischen Regierung 500 Millionen US-Dollar Entschädigung. Kanadische Gerichte hatten zwei Patente der Firma für ungültig erklärt, nachdem sie herausgefunden hatten, dass der Pharmakonzern unzureichende Beweise erbracht hatte, dass die Medikamente tatsächlich von langfristigem Nutzen wären. Das Unternehmen klagt nun mit dem Argument, dass seine künftigen Profiterwartungen beeinträchtigt seien.
Einer Public-Citizen-Studie von 2014 zufolge sind gegenwärtig Nafta-Investor-Staat-Verfahren im Wert von mehr als 12,4 Milliarden US-Dollar anhängig.
Kapitel 8: Fazit
Der in Toronto lehrende britische Politikwissenschaftler Stephen Gill sprach Ende der neunziger Jahre schon von einem „neuen Konstitutionalismus“. Er meinte damit die rechtlichen Strukturen der neoliberalen Neuordnung von Ökonomie und Gesellschaft auf transnationaler Ebene. Infolge einer zunehmenden Verrechtlichung neoliberaler Dogmen, vor allem durch die Ausdehnung des internationalen Investitionsregimes in tausenden von bilateralen und regionalen Investitionsabkommen, wird Wirtschafts- und Sozialpolitik der demokratischen Kontrolle weitgehend entzogen. Transnationalen Konzernen stehen immer mehr Möglichkeiten offen, aus nationalen Rechtsräumen in auf ihre Bedürfnisse der Profitvermehrung zugeschnittene völkerrechtliche Verträge zu flüchten. Die aktuell anvisierten zukünftigen Abkommen wie CETA, TTIP, TISA, TPP wären ein weiterer Schritt in Richtung einer globalisierten Konzernherrschaft.
Die Autorin ist freie Radiojournalistin. Ihr Beitrag ist unter www.deutschlandfunk.de zum Nachhören verfügbar.
Barbara Eisenmann
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