Neonazi-Trio: Das Netz der rechten Terroristen
Holger G. sitzt nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs nun in Untersuchungshaft. Das Jenaer Neonazi-Trio soll weitere Unterstützer gehabt haben. Diskutiert wird auch, welche Rolle der Verfassungsschutz spielte.
Wie gut war das Neonazi-Trio vernetzt?
Uwe M., Uwe B. und Beate Z. konnten sich offenbar auf Unterstützer aus der rechtsextreme Szene verlassen. Einer war der am Sonntag in Lauenau bei Hannover festgenommene Holger G., der auch aus Thüringen stammt und dem Trio seinen Führerschein und seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben soll. Am Montagabend hat ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gegen Holger G. Haftbefehl wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erlassen. Der 37-Jährige sitze nun in Untersuchungshaft, teilte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft mit.
Fraglich ist, ob die Ermittlungen im Fall G. optimal gelaufen sind. Die Polizei befragte den 37-Jährigen als Zeugen – schon kurz nach dem 4. November, jenem Freitag, an dem Uwe M. und Uwe B. erschossen in einem brennenden Wohnmobil im thüringischen Eisenach gefunden wurden und Beate Z. in Zwickau (Sachsen) die Wohnräume des Trios anzündete. Doch G. wurde bald wieder freigelassen und hätte untertauchen können, so wie es das mit ihm bekannte Trio mehr als 13 Jahre tat.
Erst als die Bundesanwaltschaft am Freitag die Ermittlungen an sich zog, änderte sich der Blick auf den Mann in Lauenau. Am Sonntag nahmen ihn Beamte des Landeskriminalamts Niedersachsen fest. Die Bundesanwaltschaft hält ihn für dringend verdächtig, Mitglied der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ gewesen zu sein, deren Kern das Jenaer Trio bildete. Dass die Polizei zunächst das Risiko eingegangen war, Holger G. auf freien Fuß zu setzen, wird in Sicherheitskreisen vage mit dem Hinweis auf „Koordinationsprobleme“ zwischen dem Landeskriminalamt Niedersachsen und Kollegen aus Thüringen und Baden-Württemberg begründet.
Sicherheitsexperten vermuten, dass weitere Rechtsextremisten dem Trio geholfen haben. Unter die Lupe genommen werden vor allem die braunen Milieus in Thüringen und in Sachsen. In Thüringen, weil Uwe M., Uwe B. und Beate Z. in der Szene ihrer Heimatstadt Jena verankert waren. Das Neonazi-Spektrum in Sachsen ist für die Ermittler interessant, weil das Trio sich jahrelang in Zwickau aufhielt. „Die Ermittlungen befassen sich intensiv mit dem Umfeld“, sagte am Montag ein Sprecher der Bundesanwaltschaft.
Lesen Sie auf Seite 2, warum der Verfassungsschutz in die Kritik gerät
Welche Rolle spielten V-Männer des Verfassungsschutzes?
Das ist vermutlich einer der brisantesten Fragen, die zu klären sind. Die „Bild“-Zeitung behauptet, in der Brandruine in Zwickau habe die Polizei „legale illegale Papiere“ von Uwe M., Uwe B. und Beate Z. entdeckt. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU), wird mit den Worten zitiert, solche Papiere erhielten im Regelfall „nur verdeckte Ermittler, die im Auftrag des Nachrichtendienstes arbeiten“. Die Bundesanwaltschaft dämpfte jedoch am Montag die Aufregung um die vermeintlichen Ausweise des Verfassungsschutzes. Es gebe bisher keine Anhaltspunkte, dass sich unter den gefundenen Ausweispapieren auch Dokumente des Verfassungsschutzes befinden, hieß es in Karlsruhe. Damit scheint die Spur zumindest vorerst erkaltet zu sein.
Offen bleibt, ob der Thüringer Verfassungsschutz Ende der 1990er Jahre Fehler gemacht hat. Es ist bekannt, dass der Nachrichtendienst den Anführer der Neonazi-Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz“, Tino Brandt, von 1994 bis 2001 als V-Mann führte, Deckname „Otto“. Brandt soll für seine Spitzelei Honorare in Höhe von 200 000 D-Mark (100 000 Euro) erhalten haben. Der Thüringer Heimatschutz unterhielt auch eine „Sektion Jena“, zu der Uwe M., Uwe B. und Beate Z. zählten. Es gibt Indizien, dass Brandt das Trio persönlich kannte. Könnte also Brandt von seinem V-Mann-Führer aus dem Verfassungsschutz Informationen bekommen haben, die es dem Trio ermöglichten, abzutauchen? Bizarr erscheinen da Hinweise aus Sicherheitskreisen, der von 1994 bis 2000 amtierende Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, habe selbst V-Leute geführt. Das ist für den Chef eines Nachrichtendienstes zumindest ungewöhnlich.
Sicherheitsexperten schließen nicht aus, Roewer könnte mit Brandt in direktem Kontakt gestanden haben. Von möglichen Verbindungen Roewers zu einem Mitglied des Jenaer Trios ist allerdings keine Rede. Roewer selbst, der den Verfassungsschutz nach heftigen Konflikten verlassen musste, beantwortet Fragen zu seiner damaligen Tätigkeit nicht. Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) will jedenfalls die vielen „Ungereimtheiten“ im Fall des Jenaer Trios nun von einer Kommission aufklären lassen. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages wird sich vermutlich an diesem Dienstag mit den Fragen zur Rolle des Verfassungsschutzes befassen. Sicherheitsexperten betonen aber schon jetzt, das Bundesamt für Verfassungsschutz habe „eine weiße Weste“.
Lesen Sie auf Seite 3, wie die rechte Kameradschaftsszene organisiert ist
Gibt es beim Verfassungsschutz Probleme mit der Zusammenarbeit?
Die Bundesjustizministerin äußert Zweifel an der Konstruktion des Nachrichtendienstes. Es werde darüber zu reden sein, ob die „Sicherheitsarchitektur des Verfassungsschutzes“ mit 16 Landesbehörden und einem Bundesamt „wirklich optimal effizient“ sei, sagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Montag dem Deutschland-Radio. „Vielleicht muss man auf Länderebene mehrere zusammenschließen mit einer dann auch noch klareren Schlagkraft.“ Im aktuellen Fall gibt es aber bislang keine Anzeichen für Mängel in der Kooperation von Verfassungsschutzbehörden.
Wie ist die rechte Kameradschaftsszene organisiert?
Bis vor wenigen Jahren sprachen Verfassungsschützer von bundesweit etwa 160 rechtsextremen Kameradschaften. Heute ist die Szene diffus. Das Organisationsmodell der Kameradschaften wird in einigen Regionen durch lose Strukturen ersetzt, die so genannten Freien Kräfte. Die Szene will es dem Staat schwerer machen, per Vereinsrecht eine Gruppierung zu verbieten. Andererseits wünschen sich braune Milieus die Rückkehr zur bizarren Nestwärme einer altmodischen Kameradschaft. In Berlin scheiterte jedoch ein Versuch, eine klassische Kameradschaft aufzuziehen. Schon ein Jahr nach der Gründung wurde Ende 2009 der martialische auftretende „Frontbann 24“ von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verboten.