Mehr Abschiebungen, öfter Haft: Das Migrationspaket verschärft viele Asylgesetze
Die Koalition ist sich über das Migrationspaket einig. Es gibt Härten und Erleichternugen. Wichtigste Botschaft in der SPD-Krise: Wir sind arbeitsfähig.
Union und SPD haben am Dienstag ihre „finale Einigung“, so der Vizefraktionschef von CDU und CSU, Thorsten Frei, auf ein Bündel von Migrationsgesetzen präsentiert. Sie legen deutlich härtere Bedingungen für hier lebende abgelehnte Asylbewerber fest, andererseits werden die Arbeitsmöglichkeiten für Menschen aus Drittstaaten besser.
Die Koalitionspartnerinnen waren sichtlich bemüht, mitten in der SPD-Krise, die zu einer für die Regierung werden könnte, das gute Funktionieren ihres Bündnisses zu demonstrieren. Von einem „erfolgreichen Tag für die Koalition“ sprach CDU-Mann Frei, seine SPD-Kollegin Eva Högl unterstrich, man sehe, „dass die Koalition gut arbeitet".
Das so genannte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ von Innenminister Horst Seehofer bestraft künftig alles, was Abschiebungen verhindert oder verzögert. Auch Hilfsorganisationen fürchten, dass ihre Arbeit sie künftig vor Gericht bringt. Die Betroffenen selbst rutschen in einen neu geschaffenen, schlechteren Status von Duldung: Ihren Aufenthaltsort dürfen sie nicht mehr selbst bestimmen, sie dürfen nicht arbeiten, und später wird diese Zeit minderer Rechte ihnen nicht angerechnet. Die Möglichkeiten, sie vorsorglich in Haft zu nehmen, werden drastisch ausgeweitet.
Lebenslage von Asylbewerbern
Die Situation von Asylbewerbern allgemein wird schwieriger. Sie sollen grundsätzlich zentral untergebracht werden – was nach Expertenmeinung Integration verhindert – und zwar dreimal solange wie bisher, nämlich18 statt sechs Monate. Wer aus einem angeblich sicheren Herkunftsland stammt, muss noch länger bleiben, ebenso alle, die aus Sicht der Behörden nicht genug tun, um ihre Identität festzustellen. Wer anderswo schon einen Asylantrag gestellt hat, bekommt außerdem weniger, als das Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht.
Zum ersten Mal ist auch die Beratung von Schutzsuchenden vorgesehen, allerdings keine unabhängige: In einer ersten Stufe berät das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das auch ihre Anträge entscheidet. Erst danach kommen etwa Wohlfahrtsverbände zum Zuge.
Förderung von Fachkräftezuzug
Das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ aus dem Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) soll mehr Menschen mit Berufsausbildung nach Deutschland bringen – nicht mehr nur in Mangelberufen. IT-Kräfte brauchen künftig keinen Berufsabschluss mehr. Das Recht auf sechs Monate Aufenthalt, um sich in Deutschland Arbeit zu suchen, gibt es schon länger – jetzt allerdings sollen auch Menschen ohne Hochschulabschluss davon profitieren, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben. Da schon bisher solche Möglichkeiten an der praktischen Umsetzung – nicht erteilten Visa oder Behördendschungel – scheiterten, versprechen die Koalitionsfraktionen Abhilfe, durch zentrale Anlaufstellen und bessere Visavorgaben.
Kritikerinnen wiesen in der Vergangenheit darauf hin, dass die Koalition mit dem Abschiebegesetz wieder einsammle, was sie via Fachkräfteförderung erleichtere: Der neue Status der „Duldung light“ verkleinere den Kreis derer, die überhaupt arbeiten dürften.
Entzug des deutschen Passes
Die Koalition ändert auch das Staatsangehörigkeitsrecht – allerdings nicht schon in dieser Woche, in der sie drei Viertel des Migrationsbündels, sechs Gesetze, durchs Parlament bringen will: Künftig wird IS- und anderen „feindlichen Kämpfern“ und Kämpferinnen die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen, sofern sie noch eine zweite besitzen, also nicht staatenlos werden. Wer eine Vielehe führt, wird gar nicht erst eingebürgert und auch niemand, dessen oder deren Identität nicht völlig klar ist. Auch nach zehn Jahren kann die Staatsbürgerschaft noch entzogen werden. Bisher galten dafür fünf Jahre.
Grundsätzlich sollten Staatsangehörigkeiten nicht entzogen werden dürfen. Man wertet damit unsere deutsche Staatsangehörigkeit ab.
schreibt NutzerIn don.bolko
Ein Bündnis aus 22 NGOs und Sozialverbänden nannte das Regierungspaket am Wochenende unverhältnismäßig und uferlos. Filippo Grandi, der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks, der am Dienstag zu politischen Gesprächen in Berlin war, äußerte sich vorsichtiger: Gesetze und Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland seien im Vergleich immer noch „sehr gut“, sagte er dem Tagesspiegel. „Wir raten Staaten aber generell von Repression ab. Beschränken ist keine Lösung von Problemen.“