Ausbau des Münchner Flughafens: Das Kreuz mit dem Drehkreuz
Per Bürgerentscheid stimmen die Münchner am Sonntag ab, ob die seit Jahren diskutierte dritte Startbahn am Flughafen gebaut werden soll. Doch auch mit einem eindeutigen Votum wäre die Angelegenheit kaum geregelt.
Den Grabstein nehmen die Leute von der Bürgerinitiative Attaching immer mit – auf jede Demo, zu jeder Protestveranstaltung. Ein Kreuz ist eingemeißelt, und darauf steht, dass Attaching im Jahre 790 gegründet und von der dritten Startbahn getötet wurde. Der Grabstein begleitet die Streiter gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen stets auf Reisen.
Attaching mit seinen 1000 Einwohnern ist ein Teilort der Bischofsstadt Freising und liegt direkt am Flughafen. Käme die neue Startbahn, „würde das Dorf sterben“, sagt Michael Buchberger von der Bürgerinitiative. Attaching ist zu einem Symbol geworden für den Widerstand gegen das geplante 1,2 Milliarden Euro schwere Verkehrsprojekt – das zweitteuerste in ganz Süddeutschland überhaupt nach dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21.
Am Sonntag stimmt die Münchner Bevölkerung in einem Bürgerentscheid darüber ab, ob die dritte Startbahn gebaut werden soll. Das Projekt ist umstritten, nicht nur in den Städten und Gemeinden knapp 40 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt, die von noch mehr Fluglärm und Naturzerstörung betroffen wären. Auch in München – die Stadt ist mit 23 Prozent an dem Betreiber, der Flughafen München GmbH (FMG) beteiligt – wird heftig gerungen, ebenso in der Landespolitik. Ist die Piste eine wichtige Zukunftsinvestition für Bayern, den Luftverkehr und die Flugreisenden? Oder bedeutet das Projekt nur Geldverschwendung, Lärm und Naturzerstörung? Prognosen über den Wahlausgang wagt mittlerweile kaum einer mehr. Laut einer nicht repräsentativen Online-Umfrage allerdings liegen Befürworter und Gegner gleichauf.
Die CSU ist für die vier Kilometer lange neue Bahn, die nördlich und parallel zu den beiden bestehenden gebaut werden soll. Ebenso die SPD, die von Münchens Oberbürgermeister und Ministerpräsidentenkandidaten Christian Ude auf Kurs gebracht wurde. Dennoch liefern sich die beiden Bewerber um den Führungsjob in der Staatskanzlei beim Flughafen ein parteipolitisches Scharmützel. Für Ude ist klar: Lehnen die Münchner die Piste ab, so stellt sich die Stadt München auch dagegen, und die Startbahn wäre tot.
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Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) aber hat nun angekündigt, auch bei einem negativen Votum an den Plänen festhalten zu wollen: Dann nämlich sollte die Landtagswahl im Herbst 2013 auch zu einer Abstimmung über die Startbahn werden. München könnte etwa seine Anteile verkaufen und wäre nicht mehr im Boot. Grüne, Freie Wähler und die neuen Piraten lehnen die Piste ab. Viele Bürgerinitiativen haben sich im Bündnis „aufgeMUCkt“ zusammengeschlossen, MUC in Großbuchstaben steht für den Munich-Airport.
Befürworter argumentieren, dass der Flughafen aus allen Nähten kracht und mehr Platz braucht. Nutzten im Jahr 2010 etwa 35 Millionen Menschen das „Drehkreuz des Südens“, werden es laut einer Studie 2025 schon 58 Millionen sein. Der Flughafen MUC ist ein wichtiger Standortfaktor für den wirtschaftlich blühenden Freistaat. Auch werden von den Befürwortern 11 000 neue Arbeitsplätze versprochen. Die Gegner glauben allerdings nicht an die stetig wachsende Zahl von Passagieren. Vielmehr sei diese seit 2009 leicht rückläufig. Über weitere Jobs und mehr Zuzug wäre man in der Region auch nicht sonderlich glücklich. Schon jetzt ist der Arbeitsmarkt leer gefegt, die Arbeitslosenquote im Landkreis Erding lag im Mai bei 1,9 Prozent.
Befürchtet werden mehr Flughafenmitarbeiter und dadurch steigende Preise. Dann, so die weit verbreitete Klage, könnten sich die Menschen ihre Heimat nicht mehr leisten. Das Erdinger Moos würde durch die neue Startbahn fast völlig zerstört, klagt der Bund Naturschutz. Der von der EU zum Vogelschutzgebiet erklärte Landstrich würde zubetoniert.
Mindestens die Hälfte der Attachinger Bürger wird nach dem Bau der dritten Startbahn nicht mehr in ihren Häusern leben können, das sieht auch die Flughafen GmbH so. Ziehen sie weg, sollen sie eine Entschädigung erhalten. Die geplante Piste soll so groß werden wie knapp 1800 Fußballfelder. In 50 bis 80 Metern Höhe würden die Jets über die Häuser donnern, dem Dauerschall und Dauerlärm kann man nicht entkommen.
Während die Befürworter Anzeigen schalten, ziehen die Gegner drei Tage lang bis zum Samstag vor Seehofers Regierungssitz. „Occupy Staatskanzlei“, sagen sie und kampieren in Sichtweite des Ministerpräsidentenbüros. Der Grabstein ist natürlich auch mit dabei.
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