zum Hauptinhalt
Auch hier in Brisbane: Nichts los.
© Patrick HAMILTON / AFP

Wirtschafts-Lockdown und Homeoffice: Das ist Australiens Erfolgsrezept gegen das Virus

„Donut-Tage“ heißen in Down Under Tage mit null Neuinfektionen. Denn: Die Heferinge erinnern an die Ziffer Null. Und die gibt es oft.

Donuts sind in Australien zum Symbol der Hoffnung geworden. Denn die mit Zuckerguss überzogenen Heferinge, kugelrund mit einem Loch in der Mitte, muten an wie die Ziffer Null. „Donut-Tage“ heißen Down Under deshalb diejenigen Tage mit null Neuinfektionen.

Das Analysezentrum „Covid Live“ benutzt seit April Donuts in seinen Grafiken, wenn es null neue Corona-Fälle zu vermelden gibt. Und das ist inzwischen gar nicht selten der Fall. Außergewöhnlich ist Australiens Erfolgsrezept nicht: die Wirtschaft komplett runterfahren, jeden Job soweit möglich ins Homeoffice verlagern, das Haus nur noch für lebensnotwendige Maßnahmen verlassen sowie eine strenge Maskenpflicht.

In Melbourne hat dies über den Winter auf der Südhalbkugel eine zweite Covid-19-Welle erfolgreich eingedämmt. Inzwischen hat die zweitgrößte Metropole Australiens das Virus gut im Griff.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Maßgeblich tragen dazu auch geschlossene Außengrenzen, ein strenges und teures Quarantäneprogramm für Rückkehrer aus dem Ausland sowie in Teilen das Abschotten der einzelnen Bundesstaaten bei. Dafür nehmen die 25 Millionen Australier in Kauf, dass selbst Staatsbürger inzwischen Probleme haben, aus dem Ausland in die Heimat zurückzukehren.

Denn die einzelnen Flughäfen lassen nur eine geringe Zahl an Passagieren pro Woche einreisen. So werden die ohnehin schon begrenzten Flugangebote immer teurer und immer weniger. Die Fluglinie Emirates hat inzwischen sämtliche ihrer Maschinen nach Sydney, Melbourne und Brisbane eingestellt.

Reisen innerhalb des Landes nur mit Ausnahmegenehmigung

Hinzu kommt: Australier dürfen sich auch im eigenen Land nicht mehr völlig frei bewegen. Wer beispielsweise von Sydney nach Melbourne will, braucht eine Ausnahmegenehmigung. Unberechenbar ist auch geworden, wie schnell einzelne Regionen in den Lockdown gehen.

Leere Straßen in Brisbane.
Leere Straßen in Brisbane.
© Patrick HAMILTON / AFP

Nachdem sich eine Putzkraft in Brisbane (Queensland) in einem der Quarantänehotels mit der neuen britischen Virusvariante angesteckt hatte, wurde die gesamte Stadt kurzfristig in einen dreitägigen Lockdown geschickt.

Vor allem bei Ausländern kommen die strengen Maßnahmen, die derzeit auch die Tennisspieler, die am Australian Open teilnehmen wollen, schmerzlich zu spüren bekommen, nicht immer gut an. Auf Facebook haben sich Gruppen formiert, die die Reisebeschränkungen kritisch besprechen und in der sich Menschen danach sehnen, das Covid-sichere Australien zu verlassen – nur, um in ihrer Heimat wieder mehr „Freiheit“ zu erlangen.

Die meisten Australier sind hingegen laut der jüngsten Umfrage des Melbourne-Instituts äußerst zufrieden damit, wie ihre Regierung mit der Pandemie umgeht. 60 Prozent äußerten sich Ende November positiv. Und auch die Wissenschaft applaudiert der australischen Zero-Politik.

Bei neuen Ausbrüchen wird sofort gehandelt

Der dreitägige Lockdown in Brisbane beispielsweise sei „klar, entschieden und gut artikuliert“ gewesen, schrieb Hassan Vally, ein Epidemiologe an der La-Trobe- Universität in Melbourne, im Wissenschaftsmagazin „The Conversation“. In den drei Tagen konnten Kontakt-Tracer ihre Arbeit erledigen und die Behörden mehr über die Art des Ausbruchs erfahren. Auch der US-amerikanische Topimmunologe Anthony Fauci lobte die australische Strategie im November während eines Interviews mit dem australischen Sender ABC. Man habe für eine gewisse Zeit zugesperrt, sei auf null gesunken und habe jetzt eine sehr gute Ausgangsposition, erklärte er.

Ausnahmezustand in Brisbane aufgrund der Ausbreitung der neuen Virusvariante.
Ausnahmezustand in Brisbane aufgrund der Ausbreitung der neuen Virusvariante.
© AFP / Patrick Hamilton

Denn nun könnten Kontakte von Infizierten identifiziert und isoliert werden. Auf diese Weise gelang es Sydney vor Weihnachten, ein Cluster, das sich in einem der nördlichen Stadtteile gebildet hatte, mit einem lokalen Lockdown wieder unter Kontrolle zu bekommen. Das Besondere: Der Rest der Stadt lebte mit geringen Einschränkungen weiter. Inzwischen meldet die Millionenstadt nur noch vereinzelt Fälle. „So sehr wir dankbar sein sollten für die gute Führung, die diejenigen zeigen, die Entscheidungen treffen, der wahre Dank sollte an die Gemeinschaft gehen, die die Regeln befolgt und große Opfer gebracht hat, um uns dahin zu bringen, wo wir jetzt sind“, sagte Vally.

Große Bereitschaft, Verzicht zu üben

Tatsächlich ist die Bereitschaft der Australier, Verzicht zu üben, um die Alten und Kranken zu schützen und das Gesundheitswesen nicht zu überlasten, groß. Dies bestätigte auch der Direktor des Gesundheitsprogramms am Grattan-Institut, Stephen Duckett, im Gespräch mit der lokalen Tageszeitung „The Age“.

Vor allem der Bundesstaat Victoria, der in Melbourne eine gefährliche zweite Welle erlebte, verdiene im Vergleich zu anderen Orten eine „Goldmedaille“. Ähnlich gut seien nur Singapur, China, Neuseeland, Thailand, Vietnam und der Jemen gewesen.

Doch wie realistisch ist es, dass europäische Länder einen ähnlichen Erfolg verbuchen können? Laut Catherine Bennett, einer Epidemiologin an der australischen Deakin-Universität, haben es die Menschen auf der Nordhalbkugel tatsächlich schwerer. Denn Herbst und Winter würden dort günstige Bedingungen für Covid-19 schaffen.

Mehr Menschen würden sich dann in Innenräumen sammeln und ein Mangel an Sonnenlicht würde dazu führen, dass das Virus auf Oberflächen länger überleben kann. Außerdem würden viele Menschen mit Symptomen den Test verzögern, weil sie glaubten, lediglich eine Erkältung zu haben. Auch die „poröseren Grenzen Europas“ seien ein Problem, sagte die Expertin.

Denn damit die australische Methode funktioniert, müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um die Übertragung in der Gemeinschaft abzuschalten, wie Nick Coatsworth, ein australischer Gesundheitsexperte, im Juli betonte, als die Corona-Zahlen in Melbourne explodierten.

Die Folge war einer der strengsten Lockdowns der Welt, der über 100 Tage anhielt – und die Zahlen letztendlich wieder auf null brachte. Getreu dem Motto „Wenn Sie dieses Virus nicht zerstören, kann es Sie zerstören“, das Victorias Gesundheitsbeauftragter Brett Sutton Anfang November twitterte.

Zur Startseite