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Am Montagabend hat der Hilfskonvoi mit Lebensmitteln und Medikamenten Madaja endlich erreicht.
© dpa

Krieg in Syrien: Das Hungerdrama von Madaja

Die westsyrische Stadt erhält seit Montagabend endlich erste Hilfe – doch die Not in der von Assads Truppen besetzten Stadt hat noch lange kein Ende.

Als der lebensrettende Konvoi mit Hilfsgütern Madaja endlich erreicht, stehen die Menschen schon am Straßenrand. Einige winken, andere lächeln erleichtert. Doch viele sind zu schwach und zu müde, um überhaupt irgendeine Regung zu zeigen. Ihre Gesichter sind blass, fast ausdruckslos. Und bei aller Freude über die Hilfe stellen die Ausgemergelten immer wieder die gleiche bange Frage: Wir hungern, bringt ihr uns Lebensmittel? Habt ihr Medizin und Babynahrung dabei? Alles, was wir in den vergangenen Wochen zum Essen bekommen haben, war Wasser mit ein paar Gewürzen.

So beschreibt Pawel Krzysiek seine ersten Eindrücke. Der Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz gehört zu den Helfern, die mit 44 Lastwagen am Montagabend während der Dämmerung in die westsyrische Stadt gelangten – im Licht von Handys und Scheinwerfern, weil es seit einiger Zeit weder Strom noch Treibstoff gibt. Und Krzysiek sagt: „Es war herzzerreißend, dieses Leid zu sehen.“ Am Dienstag mussten die Helfer allerdings die Stadt wieder verlassen.

300 Menschen konnten evakuiert werden

Doch es fehlt nicht an zumindest kleinen Zeichen der Hoffnung. Nach der Öffnung des Blockaderings um Madaja konnten Rettungskräfte mindestens 300 vom Hungertod bedrohte Menschen aus der Stadt bringen. Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte müssten etwa 400 weitere Menschen wegen ihres schlechten Zustands sofort behandelt werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert auch deshalb zusätzliche Ärzteteams und ein mobiles Krankenhaus. Die Stadt ist seit Juli von Syriens regierungstreuen Truppen und verbündeten Milizen umzingelt und vollständig abgeriegelt. Madaja gilt als riesiges Freiluftgefängnis, weil die Einwohner regelrecht gefangen gehalten werden. Zuletzt haben die schätzungsweise 40 000 dort hausenden Menschen im Oktober eine einmalige Lieferung mit Lebensmitteln und medizinischen Gütern erhalten. Nach Informationen von „Ärzte ohne Grenzen“ sind danach mehr als zwei Dutzend Frauen, Kinder und Männern verhungert.

Horrende Preise für Lebensmittel

Auch Mitarbeiter des Welternährungsprogramms der UN (WFP) beschreiben die Lage in Madaja als dramatisch. „Es gibt dort so gut wie keine Nahrung mehr. „Vor allem fehlen frische Produkte wie Obst und Gemüse“, sagt Ralf Südhoff, Leiter von WFP-Deutschland. Sofern überhaupt noch irgendwelche Lebensmittel auf dem Schwarzmarkt angeboten werden, würden dafür horrende Preise verlangt. Ein Kilo Reis kostet Berichten zufolge bis zu 200 Dollar, ein Kilo Weizenmehl rund 80 Dollar. Für die meisten ist das unerschwinglich. „Die Menschen sind verzweifelt und fürchten nun, dass es wieder sehr lange dauern könnte, bis ein neuer Konvoi die Stadt erreicht.“ Laut Südhoff reicht die aktuelle Lieferung aus, um Madajas Einwohner ungefähr einen Monat lang mit Lebensnotwendigem zu versorgen. Wie es danach weitergeht, ist derzeit völlig unklar.

Madaja ist allerdings nicht der einzige Ort in Syrien, der von den Kriegsparteien belagert wird. Nach UN-Schätzungen sind bis zu 450 000 Menschen im Land von jeder Unterstützung abgeschnitten. Dazu kommen jene Regionen, die von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ kontrolliert werden. Über die dortige Lage ist wenig bekannt. Das heißt, schätzungsweise mehr als vier Millionen Syrer könnten auf Nothilfe angewiesen sein.

Experten sind sich einig, dass das Aushungern bewusst als Waffe und gezielte militärische Taktik genutzt wird, um den Gegner zum Aufgeben zu zwingen. „Das muss ein Ende haben“, fordert Melissa Fleming vom UN-Flüchtlingshilfswerk. Das Regime von Präsident Baschar al Assad scheint derartige Appelle wenig zu kümmern. Syriens UN-Botschafter sagte, die Berichte über Hungertote in Madaja seien nicht wahr.

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