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Jahrelang war in Deutschland heftig über die Sterbehilfe gestritten worden. Jetzt gibt es ein Gesetz.
© dpa

Entscheidung des Bundestags: Das Gesetz zu Sterbehilfe ist ein richtiger Schritt

Der Bundestag hat "geschäftsmäßige" Sterbehilfe verboten. Ein richtiger Schritt, argumentiert Claudia Keller. Es wird weiter darüber gestritten werden, was gutes Leben und gutes Sterben ausmacht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Es kann keine einfachen Lösungen geben, wenn es ums Sterben geht. Jeder Körper reagiert anders auf Krankheit und Schmerz, jeder Mensch bringt andere Prägungen und Erfahrungen mit, die es leichter oder schwerer machen, Abschied zu nehmen.

Deshalb war es so wichtig, dass es sich die Bundestagsabgeordneten nicht leicht gemacht haben mit ihrer Entscheidung über die Beihilfe zum Suizid. Über zwei Jahre lang haben sie klug und sehr engagiert miteinander und mit den Bürgern in den Wahlkreisen gerungen. Am Freitag haben sie mit klarer Mehrheit entschieden, "geschäftsmäßige" Sterbehilfe zu verbieten. Es ist eine gute Entscheidung.

Richtig ist, Vereinen und Ärzten das Handwerk zu legen, die ihre Aufgabe darin sehen, anderen Giftcocktails zu verabreichen – ob sie daran verdienen oder nicht. Wenn sich ein Mensch das Leben nehmen will, ist das ein Ausdruck höchster Verzweiflung und Hilflosigkeit.

In einer humanen Gesellschaft muss der Suizid die Ausnahme bleiben

Statt den Suizid als vermeintlich einfache Lösung anzubieten, sollten Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige alles daran setzen, kranken Menschen die Schmerzen zu lindern und Mut zum Leben zu machen, auch wenn nur noch wenige Monate oder Wochen bleiben. In einer humanen Gesellschaft muss der Suizid die Ausnahme bleiben.

Die Mehrheit der Parlamentarier war zugleich klug genug, nicht alle denkbaren Eventualitäten gesetzlich regeln zu wollen. Das neue Sterbehilfe-Gesetz lässt eine Grauzone. Auch künftig dürfen Ärzte, um Schmerzen zu lindern, die Morphiumdosis so erhöhen, dass sie die Verkürzung des Lebens in Kauf nehmen.

Nach wie vor steht es Patienten frei, eine Behandlung abzubrechen

Und auch wenn ein Arzt ausnahmsweise noch ein bisschen mehr nachhilft, bleibt er straffrei. Das ist wichtig, denn es gibt eben auch außergewöhnlich qualvolle Krankheitsverläufe, bei denen selbst hoch dosierte Schmerzmittel ihre Wirkung verfehlen. Erst wer als Arzt regelmäßig und im großen Stil nachhilft, riskiert seine Approbation. Wie könnte es auch anders sein? Ärzte verpflichten sich in ihren Standesordnungen dazu, Krankheiten zu heilen und Leben zu retten.

Nach wie vor steht es Patienten zudem frei, eine Behandlung abzubrechen oder erst gar nicht zu beginnen. Doch die Entscheidung der Bundestagsabgeordneten wird vielen Deutschen nicht gefallen. Die meisten wollen selbst bestimmen, wie sie aus dem Leben scheiden, und eine große Mehrheit möchte sich im Notfall professionell dabei helfen lassen. Laut einer Umfrage vom Juli wäre es über 40 Prozent der Deutschen sogar am liebsten, wenn ihnen Ärzte direkt eine tödliche Spritze verabreichen würden, wie es in den Niederlanden und Belgien erlaubt ist. An dieser Haltung haben alle Debatten und Predigten, alle novemberlichen Fernseh-Themenwochen und auch die vielen Radio- und Zeitungsreportagen nichts geändert.

Es wird weiter gestritten werden, was gutes Leben und gutes Sterben ausmacht

Am Donnerstag hat der Bundestag den Ausbau der Pflege und der Palliativmedizin beschlossen. Das ist ein richtiger Schritt. Doch auch die besten Pflegeheime verhindern nicht, dass Menschen ihr Leben unerträglich finden und sich Sterbehilfe wünschen. Auch das zeigen die Niederlande. Politiker, Kirchen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Ärzte und Bürger werden wohl weiter darum ringen, was gutes Leben und gutes Sterben ausmacht, wie viel Selbstbestimmung möglich ist und wo ethische Grenzen nötig sind. So wie es sich in einer pluralen und menschlichen Gesellschaft gehört.

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